LEADERSNET: Die FHWien der Wirtschaftskammer Wien (WKW) gilt als eine der renommiertesten Ausbildungsstätten in Wien. In einem Satz: Wofür steht die FH Wien?
Heritsch: Die FHWien ist die führende Fachhochschule für Management und Kommunikation.
LEADERSNET: Sie sind seit mittlerweile 17 Jahren an der FH tätig, davon die letzten 14 Jahre als CEO. Wie sind Sie in diese Position gekommen?
Heritsch: Der Weg dorthin war eigentlich ziemlich schräg. Dazu muss ich einen kurzen Schwenk zurück ins Jahr 1997 machen. Damals war ich als IT-Experte und Projektmanager bei Motorola beschäftigt und habe gemerkt, dass man ins Management gehen muss, um etwas zu ändern. In diesem Zeitraum habe ich auch entdeckt, dass sich kurz vorher die Pforten der österreichischen Fachhochschulen geöffnet hatten. Ich habe mir gedacht, dass ich das mal ausprobiere, da man dadurch endlich die Möglichkeit hatte, ein Studium zu machen, ohne seinen Beruf aufgeben zu müssen. 1997 habe ich ein FH-Studium begonnen, das ich 2001 abgeschlossen habe. Auf der FH herrschte eine Start-up-Mentalität, alles war ein bisschen chaotisch aber alle Beteiligten unglaublich engagiert, mit viel Drive und Esprit, und das Studium hat sich für mich total ausgezahlt. Ich bin dann im Anschluss bei Motorola ins Controlling gewechselt und habe schnell gemerkt, dass in einem internationalen Konzern der Handlungsspielraum sehr gering ist. Im Jahr 2003 hat mich mein ehemaliger Studiengangsleiter Günter Nevosad, der mittlerweile leider schon verstorben ist, angerufen und erzählt, dass die Trägergesellschaft der Fachhochschule neu gegründet wurde und sie jemanden bräuchten, der sie bei den Finanzen und bei der Organisation unterstützt. Ohne lange zu überlegen, habe ich zugesagt. Ich habe mir damals gedacht, dass ich das mal fünf Jahre machen werde und dann weiterziehen werde. Jetzt sind es schon 17 Jahre und seit 2006 bin ich Geschäftsführer. Es macht unglaublich viel Freude, mit einem dermaßen tollen Team die Bildungslandschaft mitzugestalten.
LEADERSNET: Wie groß ist die FHWien eigentlich, sprich wie viele Studierende und Lehrende gibt es?
Heritsch: In nackten Zahlen ausgedrückt: Wir haben über 3.600 Studierende. Davon absolvieren über 2.800 einen Bachelor- oder Master-Studiengang, während weitere 800 Menschen Weiterbildungslehrgänge besuchen. Die sind teilweise auf ganz Österreich verteilt. Und wir haben 1.200 Damen und Herren, die für die Lehre und für die Organisation zuständig sind. Aber, und das unterscheidet uns ganz massiv von anderen Hochschulen, 1.000 davon sind nebenberuflich tätig. Der Vorteil davon ist – das betrifft vor allem den Lehrkörper – sie haben die Praxis im Blut, weil sie aus der Lehrveranstaltung raus in ihr Unternehmen oder ihre Firma gehen und dann das tun, was sie vorher unterrichtet haben – oder umgekehrt. Das macht den Praxisbezug so spannend.
LEADERSNET: Wie würden Sie den Spirit und die Kultur der FHWien der WKW beschreiben?
Heritsch: Das was uns ausmacht, ist, dass wir ständig dahinter sind, die Qualität zu verbessern und am Puls der Zeit bleiben. Das sagt sich jetzt relativ leicht und klingt nicht sonderlich spektakulär, aber es ist ein sehr anstrengender Prozess. Alle unsere Curricula werden im Fünf-Jahresrhythmus einer eingehenden Prüfung unterzogen und adaptiert. Dazu holen wir Leute aus den verschiedenen Branchen dazu. Die wissen genau, wo es hingeht. Wir können nicht das unterrichten, was heute aktuell ist, wenn andere schon wissen, was in zehn Jahren gebraucht wird. Wir nehmen auch die Meinungen unserer Absolventinnen und Absolventen dazu und natürlich ganz viele statistische Daten. Damit haben wir regelmäßig Updates, die am Puls der Zeit sind und die heute Karrieren unserer Absolventinnen und Absolventen bestmöglich unterstützen sollen.
LEADERSNET: Wie Sie vorhin erwähnt haben, gibt es rund 3.800 Studierende an der FHWien. Doch es gibt jedes Jahr mehr Anmeldungen, als sie aufnehmen können.
Heritsch: Das ist natürlich Fluch und Segen zugleich. Auf einen Studienplatz kommen fünf bis sechs Bewerbungen. Das ist dann natürlich schon hart, wenn man so viele Damen und Herren abweisen muss, weil wir die Plätze ja nicht unendlich ausweiten können. Da sind wir Vorgaben unterworfen und die müssen wir einhalten. Wir waren immer schon auf einem sehr hohen Niveau, aber heuer haben wir bei den Bewerbungen ein Plus von 46 Prozent zu verzeichnen. Ich habe das am Anfang gar nicht glauben können und habe in der IT angerufen, ob die Zahlen überhaupt stimmen. Und sie stimmen. Das ist wirklich eine unglaubliche Leistung dieser Mannschaft und es spricht sich natürlich herum, dass man bei uns ein gutes Studium machen kann.
LEADERSNET: Wie hoch sind die Studiengebühren?
Heritsch: Wir verlangen die gesetzlich ermöglichten Studiengebühren. Das sind etwas über 300 Euro im Semester. Das gehört einfach dazu, weil wir ja auch viel dafür bieten.
LEADERSNET: Praxisnähe und zeitgemäße Ausbildung gehören zu den großen USPs der FH. Sie bieten auch für Firmen eigene Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme an. Wie funktioniert das konkret?
Heritsch: Wir haben ein eigenes Department für Weiterbildung und die beschäftigen sich schon seit einigen Jahren damit, ergänzende Programme zu den klassischen Grundstudien anzubieten. Das kann verschiedene Gründe haben: etwa, weil sich etwas sehr radikal weiterentwickelt hat oder wenn sich ein neues Thema auftut. Ein gutes Beispiel ist das Thema Nachhaltigkeit, das wir gerade sehr stark beforschen. Unternehmen kommen beispielsweise auf uns zu, da sie dieses Thema gern ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern näher bringen wollen. Daraufhin setzen wir uns zusammen und entwickeln ein Programm. Das kann ein Zertifikatsprogramm sein, das nur ein paar Wochen oder ein Semester dauert, aber es kann genauso gut ein Master-Programm sein. Wir haben erst kürzlich für Raiffeisen ein Master-Programm für Private Banking entwickelt. Das erzeugt hervorragende Synergien, da sowohl wir als auch die Firmen ihr jeweiliges Know-how einbringen können.
LEADERSNET: Ein Thema, das gerade durch Corona ins Auge der Öffentlichkeit gerückt ist, ist Distance Learning. Wie gehen Sie damit um?
Heritsch: Wir haben diesbezüglich einen kleinen Vorteil gehabt. Wir haben schon vor zehn Jahren begonnen, uns mit allen möglichen Spielarten von Distance Learning zu beschäftigen. Wir hatten immer schon einen gewissen Grundanteil an Distance Learning in unseren Studienprogrammen – wenn auch einen nicht allzu großen. Der Haken dabei war, dass das in der Vergangenheit immer die Sache von ein paar Berufenen war. Die haben sich bei diesem Thema wohlgefühlt, haben sich da eingearbeitet und haben tolle Sachen produziert. Aber die große Mehrheit war da eher skeptisch und hat sich nicht drüber getraut. Diese Sorgen hat uns Corona quasi abgenommen, denn von einem Tag auf den anderen mussten das alle so machen. Was jetzt passiert, ist hochspannend: In dieser zweiten Phase, wenn man es so nennen will, ist diese Angst gewichen. Die Qualität steigt nach und nach, weil auch die Lehrbeauftragten sukzessive dazulernen. Und es funktioniert. Allerdings wollen wir in Zukunft nicht dabei bleiben, dass wir alles nur mehr via Distance Learning machen, da die Studierenden unter der jetzigen Situation schon auch leiden.
LEADERSNET: In welche Richtung wird sich der Standard von Ausbildung mittelfristig hinentwickeln?
Heritsch: Das Virtuelle wird uns auf jeden Fall erhalten bleiben. Natürlich nicht in der jetzigen Dimension, aber es wird sich verankern. Davon bin ich stark überzeugt. Die Veranstaltungen werden insgesamt interaktiver werden, aber nicht ausschließlich. Jene Themen, die zu diskutieren sind, wird man Face-to-Face diskutieren, während die reine Wissensvermittlung eher virtuell vonstattengehen wird. Zudem werden sich neue Themen auftun. Darauf haben wir uns schon eingestellt. So werden zum Beispiel die Nachhaltigkeits- und Digitalisierungthemen noch wichtiger und mehr werden. Ich glaube zudem, dass das Lernen kleinteiliger, modulartiger wird. Das heißt, dass man sich mit einem Modul beschäftigt, dann eine Pause macht und sich dann dem nächsten Modul widmet – so lange, bis man sich ein fertiges Studium zusammengestoppelt hat. Das ist aber noch Zukunftsmusik, da es die momentane Gesetzeslage noch nicht hergibt.
www.fh-wien.ac.at
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