LEADERSNET: Am 21. Oktober findet der ACSP-Kongress im Haus der Industrie in Wien statt. Heuer kann man dem Event erstmals auch digital via Stream beiwohnen, nachdem die Teilnehmerzahl vor Ort Corona-bedingt auf maximal 160 Teilnehmer beschränkt ist. Wie geht es Ihnen damit?
Mayer-Heinisch: Ich bin sehr altmodisch und glaube, dass die menschliche Interaktion noch immer das Beste ist. Aber COVID-19 hat uns alle gelehrt, dass wir umdenken müssen. Der Mensch ist ein innovatives Wesen, dass er Wege findet, um COVID-19 so gut wie möglich zu verhindern. Wir werden hoffentlich wieder zur normalen Interaktion und zum normalen Netzwerken zurückkehren können. Bis dahin müssen wir uns halt dieser Krücke bedienen. Am schönsten ist natürlich, an einem Tisch zu sitzen und sich in die Augen zu schauen, um sich auszutauschen. Das geht jetzt im Moment aber nicht. Ich bin aber ein großer Optimist und denke, dass die Menschheit innovativ genug ist, auch diese Pandemie und dieses Problem zu lösen. Aber es ist ein gutes Training, offline und online miteinander zu kommunizieren. Zudem haben auf diesem Wege auch Menschen aus sogenannten Remote Places, wie Osttirol oder Vorarlberg, die Möglichkeit unter den derzeitigen Umständen daran teilzunehmen. Im Idealfall können wir dies nutzen, um den Kongress auch neuen Kundenschichten zugänglich zu machen.
LEADERSNET: Das Thema des Kongresses ist "Innovationen im Retail – Trotz oder wegen Corona". Können Sie einige dieser Innovationen im Handel benennen?
Mayer-Heinisch: Schon allein, dass wir jetzt über neue Medien wie etwa "Zoom" kommunizieren, ist eine Innovation. Das hätte man sich vor zwei oder drei Jahren in diesem Ausmaß noch nicht vorstellen können. Auch dass so ein Kongress digital stattfindet, hätte man sich vor 13. März 2020 nicht vorstellen können. In den Bereichen Logistik und E-Commerce gibt es sehr viele Neuerungen, genauso wie bei den technischen Hilfen und Systemen, die firmenintern genutzt werden. Wir können mehr Informationen über Kundenflüsse, Einkaufsverhalten von Kunden und Besucherfrequenzen in den Shopping Places generieren und natürlich gibt es auch im Umgang mit den Daten und welches Know-how wir daraus ziehen können, einen konstanten Fortschritt.
LEADERSNET: Der Kongress wartet mit einer Reihe von Keynotes von international renommierten Retail-Experten auf. Haben Sie einen persönlichen Favoriten?
Mayer-Heinisch: Es wird sehr viele spannende Vorträge geben und ich bin überzeugt, dass für jeden etwas dabei ist. Deshalb tu ich mich auch schwer einen Favoriten herauszupicken. Die digitalen Medien haben haben uns dazu gebracht, dass wir viel mehr Informationen in viel kürzerer Zeit sammeln können, ohne dass wir die durch Weltgeschichte reisen müssen. Das bedeutet auch, dass wir mehr Zeit zum reflektieren haben.
LEADERSNET: Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie?
Mayer-Heinisch: Wir haben bei solchen Kongressen normalerweise zwischen 280 und 300 Teilnehmer. Die Branche ist relativ klein und das Austrian Council of Shopping Places hat – abgesehen von einem Shopping Center, das nicht Mitglied ist – die Vollvertretung für alle Marktteilnehmer. Das macht uns sehr stolz und das gibt es sonst in keinem Land, dass bis auf ein Shopping Center alle unter dem Dach einer Interessensvertretung versammelt sind.
LEADERSNET: Sie betreiben zwar selbst kein Shopping Center, sind aber Obmann des Austrian Council of Shopping Places, der bis vor kurzem noch Austrian Council of Shopping Centers geheißen hat. Warum ist es zur Namensänderung gekommen?
Mayer-Heinisch: Wir haben uns im letzten Jahr von Shopping Center auf Shopping Places umbenannt, weil wir merken, dass die Handelsplätze nicht nur Shopping Center sind, auch zunehmend gemanagte Innenstädte und gemanagte Geschäftsstraßen. In Österreich gibt es, wenn man alles zusammen rechnet, sicherlich mehrere hundert. Klassische Shopping Center gibt es rund 120 und darüber hinaus noch 60 bis 70 Innenstädte, die auf Shopping ausgerichtet sind.
LEADERSNET: Welche Funktion hat der ACSP konkret?
Mayer-Heinisch: Wir setzen uns unter anderem dafür ein, dass die Politik vernünftige Rahmenbedingungen für diese Branche schafft. Das ist natürlich sehr stark der Raumordnung geschuldet. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Wunsch nach mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten. Diese sind in Österreich sehr viel rigider als in den meisten Nachbarländern. Auch das Thema Sonntagsöffnung ist in diesem Zusammenhang natürlich ein großes Thema. Es gibt meiner Meinung nach einen großen Nachteil gegenüber den Online-Giganten, die nicht nur 24/7 arbeiten können, sondern in vielen Fällen auch noch von steuerlichen Vorteilen profitieren. Hier würden flexiblere Öffnungszeiten sicherlich helfen. Wir setzen uns auch dafür ein, dass unsere Mitglieder genug Informationen über die Innovationen in der Branche kriegen und dass die Mitglieder untereinander kommunizieren, um im gemeinsamen Austausch von einander lernen zu können.
LEADERSNET: Schauen Sie als ACSP-Obmann mit Respekt auf die Zukunft der Digitalisierung, nachdem das Einkaufen für viele Menschen immer noch etwas sehr Analoges ist?
Mayer-Heinisch: Wir haben gelernt, dass 17 Prozent der Kunden heute schon nicht mehr analog einkaufen. Die Alibabas dieser Welt haben uns gelehrt, das Einkaufen mittlerweile auch sehr digital ist. Als Shopping Place muss man jetzt lernen, wie man dagegen halten kann. Schon jetzt sind 85 bis 90 Prozent der Österreicher mit Onlineshopping in Berührung gekommen. Gerade der Handel hat in Corona-Zeiten gezeigt wie wendig und flexibel er mit seinen Mitarbeitern auf Krisen reagieren kann. Glauben Sie, auch mir wäre es lieber gewesen, hätte es keine Pandemie und somit eine Wirtschaftskrise für den Standort Österreich gegeben. Es ist jedoch ein Zeichen der Zeit, dass wir mit diesen Umständen Leben lernen und die in Österreich viel gerühmte, spontane, wirtschaftliche Flexibilität unter Beweis stellen.
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