Durch die Coronakrise gibt es einen einzigen Vorteil für den heimischen Tourismus: Wir lernen unser Land und seine Schönheit und Besonderheiten ganz neu kennen und lieben. Selten hatten wir (notgedrungen) mehr Möglichkeit, den Tourismusattraktionen unseres eigenen Landes mehr Aufmerksamkeit zu schenken als jetzt. Trotz der vergleichsweiße geringen Ausmaße unseres Landes bietet sich hier große Vielfalt auf "kleiner" Fläche. Ein Grund mehr, jetzt genauer hinzusehen und unsere Bundesländer und ihre Regionen neu zu entdecken.
Innsbruck als Architektur-Hotspot
Beginnen wir im Westen, genauer gesagt in Tirol: Wer an Tirol denkt, der denkt meist an Berge und Skifahren, doch gibt es hier noch viel mehr zu entdecken – beispielsweise in der Hauptstadt Innsbruck. Nebst Bergpanorama bietet die Stadt einiges an Kultur, und sehr viel Architektur: Was wenigen bewusst ist, ist das die Stadt nebst dem berühmten "goldenen Dachl" und der charmanten Altstadt mit ihren pittoresken bunten Häuschen am Inn finden auch Fans moderner Architektur viele Attraktionen bietet.
Große Namen wie Hadid, Perrault, Köberl, Welzenbacher, Snøhetta, UN Studio haben ebendort beeindruckende Architektur hinterlassen. Der Experte konstatiert der "Hauptstadt der Alpen" eine besondere Vielfältigkeit hinsichtlich ihrer Gebäude, deren Schöpfer und Stile sowie ihrem Verständnis von Form und Funktionalität. Dem Gast eröffnet sich das moderne Innsbruck fußläufig und niederschwellig, stets spannend im Austausch mit Historie und Tradition. Gleich vorneweg: Der geneigte Gast besucht die architektonischen Sehenswürdigkeiten der Stadt bestenfalls Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr.
Erster architektonisch spannender Ausgangspunkt ist die örtliche Tourismus Information: Die Tourismus Information am Burggraben hat Geschichte und gleichzeitig aktuelle architektonische Relevanz: Die dreischiffige Halle mit prächtigem Renaissance-Gewölbe diente im 16. Jahrhundert als Hofstallung der Pferde der Hofburg, später als Militärdirektion, Offizierskaserne und Militärkanzlei. Im Zuge des Umbaus 2018 wurde von den Architekten Betina Hanel und Manfred Sandner eine reizvolle Mischung aus zeitgenössischer Architektur und hochmoderner Informationstechnologien geschaffen.
Stararchitektin: Innsbruck trägt Zaha Hadids Handschrift
Wenige Schritte entfernt von dem am Burggraben 3 gelegenen Architekturjuwel tut sich ein weiteres Highlight auf. An der Talstation der Hungerburgbahn erkennen bisweilen selbst Laien sofort, wer Schöpferin der aufsehenerregenden Wartehallen dieses ersten Teilstücks der Nordkettenbahn war: Die international renommierte Architektin Zaha Hadid setzte damit – ebenso wie mit dem Bau der Bergisel Schanze – besondere Akzente. Die Skisprungschanze avancierte schließlich gar zur "Landmark" der Stadt. Sehenswert ist auch die "hadidsche Innbrücke" der Hungerburgbahn, einen Spaziergang von deren Talstation entfernt.
Weniger auffällig, aber zeitgeschichtlich bedeutsam für Architektur-Affine ist die sogenannte "SOWI", das Gebäude der Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Innsbrucker Universität, die Experten zufolge Ende der 1990er-Jahre "der erste architektonisch relevante Neubau im Zentrum der Landeshauptstadt" war. Weiter stadtwärts wird es künstlerisch. Die Buchhandlung Haymon (ehemals "Bücher Wiederin") am Sparkassenplatz, erbaut von Rainer Köberl, der auch mehrere Innenstadt-Lokale bzw. Geschäfte geplant hat.
Kaufhaus Tyrol und Rathaus Galerien
Auch Shopping lässt sich in der Tiroler Hauptstadt in architektonisch hochinteressantem Ambiente erledigen, und zwar im Kaufhaus Tyrol und den Rathaus Galerien. Internationale Stararchitekten wurden engagiert, um die beiden Kaufhäuser direkt an der Maria-Theresien-Straße zur entwerfen: Dominique Perrault für die Rathaus Galerien und Sar-Architekt David Chipperfield mit dem Neubau des altehrwürdigen Kaufhaus Tyrol.
Weitere architektonische "Schmankerl" verschiedener Baustile und Epochen lassen sich quasi im Vorbeigehen "mitnehmen": So befindet sich unmittelbar im Zentrum das BTV Stadtforum (Tesar & Obermoser), dessen Foyer – nicht nur wegen der im Rückraum konstant laufenden Fotoausstellungen – jedenfalls einen Besuch wert ist. Gleich ums Eck ist der Eduard-Wallnöfer-Platz/Landhausplatz nach seiner Neugestaltung durch die ARGE Laac Architekten/Stiefel Kramer/Grüner auch eine architektonische Besonderheit.
Gegenüber befindet sich (versteckt hinter dem Landhaus II) ein Bau des weltweit renommierten Architekturbüros UN Studio: Das "Umspannwerk Mitte". In unmittelbarer Nähe erblickt man eine der wenigen Jugendstilbauten Tirols, nämlich das "Städtische Dampfbad Salurner Straße". Sehenswert sind auch die Bauten der norwegischen Designgurus von Snøhetta, welche die Errichtung gleich mehrerer Objekte rund um die "Hauptstadt der Alpen" verantwortet haben. Deren Perspektivenweg stellt neben den denkmalgeschützten Gondelbahn-Stationen Hungerburg, Seegrube und Hafelekar des Innsbrucker Architekten Franz Baumann ein weiteres Architekturhighlight auf der Nordkette dar. Darüber hinaus war Snøhetta maßgeblich beteiligt an der Gestaltung der Swarovski Kristallwelten in Wattens und zuletzt verantwortlich für die Planung des jüngst fertiggestellten neuen Headquarters von ASI Reisen nahe Natters.
Genauer geschaut: bilding und aut
Wer mehr wissen möchte und wem die Hintergründe ein Anliegen sind, dem ist anzuraten: "Begeben Sie sich ins 'aut'!" Nur ein wenig abseits, aber dafür mitten im städtebaulichen Geschehen befindet sich diese Institution, das Architekturzentrum aut.architektur und tirol. Verortet im ehemaligen Adambräu-Sudhaus, einem Werk des heimischen Paradevertreters der klassischen Moderne Lois Welzenbacher (1889-1955), hat es Architektur-Affinen vieles zu bieten: Die Räume sind per se schon eine Attraktion und bieten Platz für Ausstellungen und Vorträge. In den oberen Etagen ist das Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck angesiedelt. Dieses widmet sich der Speicherung, Erforschung und Bewahrung der Architektur und des Ingenieurbaus in der Alpenregion.
Für jene, die die Stadt und deren Architektur ihrem Nachwuchs näherbringen möchten, gibt es noch einen ganz besonderen "place to go": Das sogenannte bilding ist per Eigendefinition "ein Ort der Kreativität für Kinder und Jugendliche und ein Freiraum, der Architektur, Kunst, Bildung und im-Prozess-Sein miteinander verbindet." Entworfen und gebaut "von jungen Menschen für junge Menschen", bietet der im Stadtpark Rapoldi gelegene Pavillon gleichermaßen niederschwelligen wie kindgerechten Zugang zur Welt der Architektur. (red)
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