"Wir sind an mehreren klinischen Covid-19-Studien beteiligt"

Elisabeth Lackner, CEO ABF Pharmaceutical Services und GBA GroupPharma, im Interview über Beschleunigungen in der Zulassung, Engpässe bei benötigten Medikamenten und ethische Grundsätze. 

ABF unterstützt derzeit mehrere klinische Covid- 19 Studien – insgesamt wickelt ABF derzeit mehr als 120 klinische Studien ab. LEADERSNET hat Elisabeth Lackner, CEO der ABF Pharmaceutical Services und GBA GROUP Pharma, zum Interview getroffen. 

LEADERSNET: Wie funktioniert eigentlich die Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen in Österreich?

Lackner: Ehrlich gesagt alleine gar nicht. Österreich liefert Komponenten für gemeinsame internationale Entwicklungen im Verbund mit anderen Ländern.

LEADERSNET: Welche Zeit nimmt im Normalfall die Produktion in Anspruch?

Lackner: Ein Impfstoff kann nicht im Chemielabor hergestellt werden, sondern muss biotechnologisch hergestellt werden – das nimmt viel Zeit in Anspruch. Üblicherweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffes 10-15 Jahre – jene des Grippeimpfstoffs hat 30 Jahre benötigt, die von HPV 15 Jahre.

Wobei man nie genau weiß, ob es überhaupt je gelingt einen Impfstoff zu entwickeln. Auch bei Covid-19 ist es ungewiss. Beispielsweise ist es nie gelungen einen Impfstoff gegen HIV, Malaria oder Ebola zu finden. Die Entwicklung von Medikamenten ist ebenfalls langwierig und dauert ebenfalls im Durchschnitt 10-15 Jahre.

LEADERSNET: Kann im Krisenfall eine bemerkenswerte Beschleunigung erreicht werden?

Lackner: Bedingt, es gibt strikte Vorgaben der Medikamentenzulassungsbehörden, die eingehalten werden müssen. Auch in Zeiten einer Pandemie sind ethische Grundsätze zu beachten. Die Patientensicherheit steht immer – auch in Krisenzeiten  – an oberster Stelle.

Was jetzt allerdings oft gemacht wird, dass auf das Vorwissen aus bestehenden Entwicklungen, wie beispielsweise bei SARS-1 zurückgegriffen wird. Oder auch das Medikament Remdesivir, das eigentlich für Ebola entwickelt wurde und schon in einer fortgeschritteneren Phase ist, wird darauf getestet, ob es auch bei Corona wirkt.
So ist RoActemra (von Roche) beispielsweise auch schon am Markt und man schaut nun ob es bei Covid-19 Wirkung zeigt.

Weiters hat auch der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) eine Erklärung veröffentlicht, in der die EU-Forschungsgemeinschaft dringend aufgefordert wird, großen randomisierten kontrollierten Studien Vorrang einzuräumen. Das heißt, dass Studien, bei denen es ethisch vertretbar ist, dass sie onhold gesetzt werden, Covid-19 Studien Vorrang geben.

LEADERSNET: Klinische Forschung ist also ein aufwändiger Prozess?

Lackner: Ja, im Schnitt liegt die Gesamtdauer der Medikamentenentwicklung bei 10-15 Jahren. Bei jedem Arzneimittel gibt es in der Zulassung üblicherweise vier verschiedene Phasen. 

Wenn ein Medikament nach Laborversuchen aussichtsreich wird, dann wird die Wirkung zunächst bei wenigen Menschen untersucht (Phase I). Mediziner prüfen, wie und ob das Medikament vertragen wird und zu welchen Nebenwirkungen es kommt. Danach startet Phase II, in der es um die Dosisfindung und Nebenwirkungen geht. In Phase III wird die Sicherheit und Effektivität des Medikaments untersucht. Effektivität kann man nur durch kontrollierte randomisierte Studien messen. Beispielsweise wird hier auch gegen einen Placebo getestet. Dann kommt es zur Zulassung. In der darauffolgenden Phase IV wird das Medikament weiter an einer Vielzahl von Patienten beobachtet, das ist die sogenannte Phase der Langzeitbeobachtungsstudien. In jeder Phase werden Studien gemacht und es gelten die sehr strengen Regularien des Arzneimittelgesetzes, um die Sicherheit maximal zu erhöhen. Die EMA hat bereits 2005 gesonderte Verfahren möglich gemacht – damals übrigens genau mit Blick auf Pandemien.

LEADERSNET: Was bedeutet das?

Lackner: Die Zulassungsbehörde kann von sich aus bei übergeordnetem öffentlichen Interesse eine Zulassungsvorprüfung beginnen. Das heißt, die EMA arbeitet bereits früher an der Bewertung eines Arzneimittels, und somit können im Notfall Anträge viel schneller bearbeitet werden – dazu kommt noch die Möglichkeit von beschleunigten Zulassungsverfahren.

LEADERSNET: Welche Sonderwege für eine schnellere Zulassung gibt es?

Lackner: Die bedingte Zulassung (Conditional Approval) ist eine beschleunigte, aber befristete Zulassung. Sie ist zunächst ohne die strenge Überprüfung auf Wirksamkeit und Sicherheit im Falle lebensbedrohlicher Erkrankungen möglich, in einer Krisensituation, in der die öffentliche Gesundheit bedroht ist (z. B. eine Pandemie), oder bei seltenen Krankheiten (Orphan Drugs). Für letztere gibt es indes noch einen eigenen Zulassungsweg. Sie ist zunächst auf ein Jahr befristet und unter der Auflage, dass Hersteller Belege nachliefern, die letztlich zu einer regulären Zulassung führen sollen.

LEADERSNET:  Kann es in Österreich auch zu Engpässen bei benötigten Medikamenten kommen? Welche sind derzeit davon betroffen? Wie kann man Abhilfe schaffen?

Lackner:  Es ist schon zu Engpässen gekommen, aber nicht wegen Covid-19, das hat andere Gründe.

Österreich ist zum Beispiel ein sogenanntes Mittelpreisland in Bezug auf den Verkaufspreis der Medikamente. Hier haben wir zum Teil durch den Import und Export das Problem, dass Medikamente deswegen aufgekauft waren, weil sie in hochpreisigeren Ländern teurer verkauft wurden. Es stimmt, dass es deswegen schon manchmal zu Engpässen gekommen ist – aber man muss dazu sagen, dass es für die meisten Medikamente auch Ersatz (Generika) gibt.

Dieses Phänomen hat zu keinen Notfällen geführt, aber gepaart mit den Hamsterkäufen, die am Beginn der Covid-19-Krise ausgelöst wurden, konnte es schon mal sein, dass das eine oder andere Medikament in einer Apotheke einmal kurz vergriffen war. Allerdings gibt es bereits Überlegungen des Bundesministeriums diese Parallelimporte zu untersagen.

Eine ganz andere Geschichte ist es, dass es beispielsweise bei einem Antibiotikum aufgrund einer Werksschließung in Indien einmal zu einem Engpass kam. Aber das war unabhängig von Covid-19

LEADERSNET:  Gerade bei der gegenwärtigen Corona-Krise ergibt sich die Frage, welche Maßnahmen erforderlich sind, um ehestmöglich Medikamente zu entwickeln?

Lackner: Die Pharmaindustrie braucht sehr viel Geld, weil Forschung & Entwicklung einfach sehr teuer sind. Regierungen von mehr als 40 Ländern haben auf der Geberkonferenz ihren finanziellen Beitrag zur Unterstützung im Kampf gegen das Coronavirus verkündet. Am Ende kamen 7,4 Milliarden Euro für die "Global Response"-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und weiterer Partner zusammen. Die Initiative will alle internationalen Bemühungen bündeln um Diagnostika, Medikamente und Impfstoffe gegen Covid-19 zu erforschen, zu produzieren und anschließend gerecht zu verteilen. Ziel ist es einen Impfstoff zu entwickeln, ihn herstellen und zu einem bezahlbaren Preis sofort in jeder Ecke der Welt verfügbar zu machen. Eine solche Aufgabe gab es noch nie.

LEADERSNET: Ist auch ABF an der Entwicklung eines Medikamentes gegen Corona beteiligt?

Lackner:  Wir sind an mehreren klinischen Covid19-Studien beteiligt. Unter anderem bei APEPTICO und APEIRON.

Apeiron Biologics-APN01 ist ein rekombinantes humanes Protein, das das Einschleusen von SARS-CoV-2 verhindern soll und einen entzündungshemmenden und Lungenödem dämpfenden Effekt aufweist. Klinische Studien in Europa laufen und sind in China Vorbereitung. Apeptico-Solnatide  ist ein synthetisch hergestelltes Peptid, das für die Behandlung des akuten Lungenversagens entwickelt wird.

LEADERSNET: Können auch in der derzeitigen Krisensituation erfolgreich klinische Studien durchgeführt werden? Welcher Aufwand ist allgemein mit solchen verbunden?

Lackner: Es ist coronabedingt sehr schwierig, da sehr viele Krankenhäuser geschlossen, bzw. Stationen für Corona reserviert sind. Auch viele Arztpraxen waren geschlossen. Trotzdem laufen Studien, bei denen es ethisch nicht vertretbar ist, diese zu stoppen, weiter. FDA und EMA haben dazu Guidelines entworfen, wie wir trotz der Situation, Patienten in klinischen Studien behandeln können

Klinische Studien sind unheimlich zeit- und ressourcenaufwändig. Es sind Spitäler, Ärzte Patienten (im Falle von Medikamenten) oder Probanden (im Falle von Impfstoffen) involviert und es muss alles abgestimmt und koordiniert werden. 

LEADERSNET: ABF wurde in Österreich als kritische Infrastruktur eingestuft, was bedeutet diese Bewertung für Sie?

Lackner: Das ist sehr wichtig für uns. Es bedeutet vor allem, dass wir auch in einem Krisenfall bzw. jetzt konkret im Falle eines Lock Downs ganz normal weiterarbeiten können und unsere Firma nicht geschlossen wird. Die Mitarbeiter können ganz normal in die Firma kommen und im Notfall würde sogar das Bundesheer eingesetzt werden, um uns zu unterstützen. 

LEADERSNET: Welche Leistungen werden im Allgemeinen für die Kunden erbracht? Wer sind diese eigentlich?

Lackner: Unsere Kunden sind die internationale Pharma- und Biotech-Industrie. Als einzigartige One-stop-Solution unterstützt das Unternehmen den umfassenden Prozess der Medikamentenentwicklung und -vermarktung, von präklinischen zu klinischen Leistungen, einschließlich Analyse-Services, Bereitstellung klinischer Prüfware, Zentrallaborleistungen, QP-Services und der Unterstützung von Freigabeprozessen sowie der Ein- und Ausfuhr sowie Distribution zugelassener Produkte.

LEADERSNET: Welche Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft auf sich und die Pharmabranche allgemein zukommen?

Lackner: Die Entwicklung wird immer teurer und die Komplexität der Regularien steigt. Der letzte wirklich große Quantensprung (z.B. Penicillin, Antikörpertherapie) liegt schon länger zurück.

Wir müssen die noch nicht gelösten Krankheiten verstehen. Wir müssen SARS besser kennen lernen, aber auch Krebs haben wir noch nicht wirklich ganz verstanden, da gibt es noch viel zu tun. Die Pharmaindustrie wird es jedenfalls immer geben.

LEADERSNET: Aus welchem Grund haben Sie sich eigentlich in Österreich angesiedelt? Können Sie ein erstes Resümee ziehen?

Lackner: Zum damaligen Zeitpunkt 2004 haben alle Gründer (es waren damals mehrere) in Österreich gelebt, bzw. waren Österreicher.

Die ABF hat sich großartig entwickelt, wir haben sie dann 2016 an die GBA-Gruppe, die vor allem im Bereich Lebensmittel und Umwelttechnik tätig ist, verkauft. In der Pharmadivision mit sechs Standorten der GBA-Group bin ich nun auch wieder CEO und Geschäftsführerin in der GBA Holding

LEADERSNET: Was bieten Sie alles an, wo liegt die Kernexpertise?

Lackner: Die GBA Group Pharma ist einer der größten und erfahrensten Dienstleister im europäischen Pharma- und Biotechnologie-Bereich. Als einzigartige One-stop-Solution unterstützt das Unternehmen den umfassenden Prozess der Medikamentenentwicklung und -vermarktung, von präklinischen zu klinischen Leistungen, einschließlich Analyse-Services, Bereitstellung klinischer Prüfware, Zentrallaborleistungen, QP-Services und der Unterstützung von Freigabeprozessen sowie der Ein- und Ausfuhr sowie Distribution zugelassener Produkte.

LEADERSNET: Hinter Ihnen steht ein großer Konzern, welche Tätigkeitsfelder hat dieser?

Lackner: Die GBA Group beschäftigt sich neben den Servicedienstleistungen in Pharma zusätzlich mit Analytik in den Bereichen Lebensmittel und Umwelt.

www.gba-group.com/en/

 

 

 

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