„Lamentieren hilft im digitalen Zeitalter kaum, damit verschwendet man nur Zeit"

Sima, GF der United Internet Media Austria, über die Gewinner und Verlierer am Werbemarkt, wohin die Spendings fließen und den Ausbau von Multi-Screen-Advertising und Programmatic Advertising.

Die Drehscheibe zu 30 Mio. deutschsprachigen, 293 Mio. europäischen und 810 Mio. Internetnutzern in 60 Ländern weltweit: United Internet Media (UIM) ist der exklusive Mediavermarkter der United Internet AG mit den beiden Produktsäulen Branding und Dialog. Zum Angebot gehören beispielsweise konzerneigene Portale wie GMX , Partnerportale wie Das Telefonbuch, Das Örtliche und Gelbe Seiten sowie die Werbenetzwerke AD Europe und AD Europe Global. 2009 hat Christopher Sima die Leitung der neuen österreichischen Vermarktungstochter der United Internet Media AG übernommen -  mit dem Ziel, eine nachhaltige Wachstumsstrategie in der DACH-Region zu etablieren.

leadersnet.at hat mit Sima über die Entwicklung des österreichischen Werbemarkts, neue Geschäftsmodelle, die ÖWA und den Umgang mit Adblockern gesprochen.

leadersnet.at: Sie kennen das Onlinebusiness in und auswendig. Was hat sich verändert, seit Sie als United Internet Media Austria Chef angetreten sind?

Sima: Vor sechs Jahren war der österreichische Online-Markt noch relativ unprofessionell und vieles hat auf Zuruf stattgefunden. Für wenig Umsatz musste vergleichsweise viel Aufwand betrieben werden. Aufgrund der überschaubaren Größe des Marktes konnte sich diese Struktur länger halten als in anderen Ländern. Seitdem hat sich aber einiges getan und die Branche hat eine starke Professionalisierung sowie eine enorme Welle der Konsolidierung erlebt.

leadersnet.at: Wer sind die Gewinner und Verlierer im heimischen Werbemarkt?

Sima: Die Verlierer sind vor allem diejenigen, die auf dem Stand treten. Lamentieren hilft im digitalen Zeitalter aber kaum, damit verschwendet man nur Zeit. Einige Geschäftsmodelle haben sich auch teilweise überholt wie etwa die einfache Portfolio-Vermarktung. Hier hat die Konsolidierung gerade in den letzten Jahren tiefe Spuren hinterlassen.

Die Gewinner der letzten Jahre sind jene Unternehmen, die innovativ sind, neue Werbeformate und moderne Technik anbieten, sowie diejenigen, die den Sprung auf die mobilen Endgeräte geschafft haben. Dazu gehören insbesondere die Pure-Online-Player wie Facebook, Google und eben auch United Internet Media. Trotzdem sind am Markt nach wie vor die großen heimischen Medienhäusern auch im Bereich der Online-Vermarktung tätig. United Internet Media gehört zu den größten digitalen Playern im österreichischen Markt. Das gilt sowohl nach Umsatz als auch nach Kriterien wie Image und Servicequalität. Das belegt etwa die Marktstudie Online Werbemarkt des Fachmediums Werbeplanung.at in deren letzten Ausgabe wir mit GMX an der Spitze liegen. Aber auch bei vielen anderen Dimensionen wie Image, Kompetenz und Reichweite rangieren wir ganz vorne.

leadersnet.at: Wohin fließen die Spendings? Welche Werbeformen entwickeln sich am besten?

Sima: Natürlich profitieren auch wir von der sogenannten Mobile Transition. Wir registrieren auf unseren Angeboten für das Smartphone immer mehr Traffic und damit auch eine Zunahme der Budgets. Auch Video-Advertising ist auf einem erfreulichen Weg. Gleichzeitig entwickelt sich aber auch das stationäre Werbegeschäft sehr gut, wenn der Vermarkter alles richtig macht. Große Formate funktionieren sehr gut und auch die Aussteuerung auf Zielgruppen. Marken wollen Qualität statt Gießkanne. Bei einer Reichweite von 1,7 Millionen Nutzern pro Monat können wir auf unserer Homepage Anzeigen sehr gezielt ausliefern. Stand dabei früher der Begriff Targeting im Vordergrund, ist es heute die Kompetenz im Umgang mit Daten. Beides hängt unmittelbar zusammen – so entsteht Data Driven Advertising.

leadersnet.at: Wie kann man heutzutage digitale Werbung attraktiv und ansprechend vermitteln? Wie kann „gute Werbung“ eigentlich definiert werden?

Sima: Fangen wir andersherum an. Schlechte Werbung ist jene Werbung, die ihre Zielgruppe nicht erreicht. Da können die Anzeigen noch so gut sein. Treffend lässt sich gute und schlechte Werbung auch mit gegensätzlichen Begriffspaaren beschreiben: begleitend – verfolgend, integriert – aufdringlich, relevant – unwichtig, unterhaltend – nervig.

leadersnet.at: Ist mittlerweile weniger nicht oft schon mehr?

Sima: Definitiv. Früher hieß die Devise: Augen zu und durch. Das gehört aber mittlerweile im Großen und Ganzen der Vergangenheit an. Heute zählen intelligente Werbekonzepte, die begleiten und trotzdem einen hohen Wiedererkennungswert haben. Diese Entwicklung wird durch die verstärkte Smartphone-Nutzung noch befördert. Nutzer akzeptieren auf diesen Geräten keine überfrachtete und nervende Werbung. Aufgrund der Größe des Bildschirms ist der Rahmen weit geringer und das Toleranzniveau schnell überschritten. Wir bieten deshalb neue Werbeformate wie die Inbox Ad an, die sich in unseren Dienst gut integriert und unsere Nutzer nicht stört, sondern während ihres Besuchs begleitet.

leadersnet.at: Wie sehen Sie die Situation durch die ÖWA-Entwicklungen?

Sima: Die ÖWA liefert gute Arbeit ab. Unser E-Mail-Dienst gehört zu den mobilen Gewinnern, da sich GMX mit der Mobile Transition auf den Smartphones und insbesondere im Rahmen unserer App-Strategie besonders gut entwickelt. Wir freuen uns schon darauf, wenn zukünftige Erhebungen auch unsere App-Reichweiten berücksichtigen und sich unsere mobile Stärke auch in den ÖWA-Plus-Wellen widerspiegelt.

leadersnet.at: Stehen auch neue Produkte und neue Services auf der Agenda?

Sima: Ein Internetdienst darf nicht statisch sein, sondern muss sich der digitalen Realität ständig neu anpassen. Im Zuge der Mobile Transition bauen wir unsere Smartphone-Anwendungen kontinuierlich aus. Zuletzt haben wir im April etwa unsere Apps um Magazininhalte erweitert. Diesen redaktionellen Bereich kennen die Nutzer bereits von der stationären Website. Nun genügt die Betätigung eines Buttons und schon erscheinen innerhalb der App die redaktionellen Texte zu Politik, Entertainment und Sport auf dem Smartphone-Bildschirm. Natürlich für die App speziell angepasst. Die Redaktion arbeitet bereits an Push-Nachrichten, die der Nutzer zu bestimmten Themen mobil erhält. Natürlich nur, wenn er sie vorher abonniert.  Wir planen zudem eine Erweiterung bei unserem In-Feed-Format Inbox Ad sowie bei unserem Qualitätsstandard trustedDialog. In den Bereichen Multi-Screen-Advertising und Programmatic Advertising bauen wir ebenfalls unser Angebot aus.

leadersnet.at: Liegt Programmatic Buying in Österreich im Trend?

Sima: Österreichs Markt für Programmatic Advertising hat enormes Wachstumspotenzial. United Internet Media ist schon seit 2013 in diesem Markt aktiv und hat gegenüber vielen Vermarktern deshalb einen Wissensvorsprung. Wir nutzen Programmatic Advertising, um die Werbepreise des sogenannten eTKP auf einzelnen Anzeigenplätzen zu steigern – auch für Premium-Werbeformate. Einzelne Zahlen für Österreich weisen wir nicht aus. Nur so viel: Insgesamt konnten wir als Vermarkter unsere Umsätze mit Programmatic Advertising im Jahr 2015 um 70 Prozent steigern. Wir erwirtschaften damit bereits einen zweistelligen Millionenbetrag – also einen signifikanten Beitrag zu unserem Gesamtergebnis. Österreich steht noch relativ am Anfang der Entwicklung. In nicht allzu ferner Zukunft werden Werbekunden und Agenturen aber standardisierte Kampagnen und Werbeformen programmatisch buchen. Tendenzen dazu lassen sich bereits heute im stationären Internet feststellen. Diese werden durch das datengetriebene Marketing verstärkt. Zudem erfasst das Programmatic Advertising derzeit das mobile Internet mit einer noch höheren Intensität. Alle Zeichen stehen also für einen programmatischen Boom.

leadersnet.at: Wie sieht es im internationalen Vergleich aus?

Sima: Natürlich gibt es erwachsenere Märkte, aber Österreich wird sehr schnell aufholen. Dabei können wir komplette Entwicklungsschritte überspringen. In den USA kommt es mittlerweile beispielsweise beim Programmatic Advertising immer stärker auf Qualität, weniger auf Quantität an. Dieser Ansatz steht bei uns im Vordergrund, seien es Daten, Anzeigenformate und auch Umfelder. Und wir können auch Sonderwünsche erfüllen, da wir auf ein homogenes Portfolio direkt zugreifen können. Noch fehlt es hierzulande in der Branche an Erfahrung. Da wir in den letzten Jahren konsequent in die Technik, in Know-how und in das Team investiert haben, können wir aber nun die Kunden und Agenturen unterstützen. Wir haben immer gedacht, dass wir nicht zu den First Movern gehörten, aber merken jetzt, dass wir das Thema wesentlich konsequenter und schneller als andere angegangen sind. Dazu gehört auch eine strukturelle Umstellung bei den Vertriebsaktivitäten, um die neuen Kanäle optimal darzustellen.

leadersnet.at: Das Thema Ad-Blocker bewegt nach wie vor die Branche. Welche Strategie wird hier von UIM verfolgt?

Sima: Zunächst setzen wir auf ein wirklich starkes und qualitativ hochwertiges Produkt. Gleichzeitig liefern wir mit unserer hochentwickelten Targeting-Technik relevante Werbung aus, die zu den Nutzern passt. Und zwar mit Formaten, die den Nutzer nicht unterbrechen, sondern begleiten. Die Rate der Adblocker-Nutzer liegt deshalb bei unseren Seiten unter dem Branchendurchschnitt. Werbung ist notwendig, um den kostenlosen Service zu finanzieren. Das hat auch mit einem demokratischen Ansatz zu tun. Jeder soll unsere Mail-Produkte nutzen können – kostenlos und werbefinanziert. Das ist nur fair. Für diejenigen, die keine Werbung haben wollen, stellen wir GMX-Top-Mail zur Verfügung, bei dem Nutzer für fünf Euro monatlich einen werbefreien Service erhalten.

leadersnet.at: Wie entwickeln sich die Geschäfte 2016? Können Sie mit ihrer Position als Top-Vermarkter zufrieden sein?

Sima: Das Jahr 2016 hat sehr gut begonnen. Die Auslastung auf unseren Seiten ist sehr hoch, bei den Tagesfestplatzierungen sind wir fast schon ausverkauft. Dank Programmatic Advertising erzielen wir auf vielen Anzeigenplätzen höhere Preise. Dank der stärkeren und intensiveren App-Nutzung blicken wir auch im mobilen Segment weit optimistischer als viele Konkurrenten in die Zukunft.

www.united-internet-media.at

Christopher Sima

Nach Führungspositionen bei Top-Online-Media- und Kreativagenturen Österreichs wie Ogilvy, Pixelpark Austria und pilot Wien stieg der Medien- und Mediaexperte 2002 als Leiter der Online-Unit und Mitglied der Geschäftsführung bei der Goldbach Media Holding Österreich ein. 2006 übernahm er als Managing Director die Geschäftsführung der Goldbach Media Tochter AdLINK Internet Media, für die er bis zu seinem Wechsel zu United Internet Media (2009) sämtliche Online-Vermarktungsaktivitäten verantwortete.

Christopher Sima

Nach Führungspositionen bei Top-Online-Media- und Kreativagenturen Österreichs wie Ogilvy, Pixelpark Austria und pilot Wien stieg der Medien- und Mediaexperte 2002 als Leiter der Online-Unit und Mitglied der Geschäftsführung bei der Goldbach Media Holding Österreich ein. 2006 übernahm er als Managing Director die Geschäftsführung der Goldbach Media Tochter AdLINK Internet Media, für die er bis zu seinem Wechsel zu United Internet Media (2009) sämtliche Online-Vermarktungsaktivitäten verantwortete.

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