Streit um Kollektivvertrag
Lieferando will in Österreich alle Fahrradboten kündigen

| Tobias Seifried 
| 18.03.2025

Von der Massenentlassung sind hunderte Dienstnehmer:innen betroffen. Das Unternehmen war hierzulande das einzige, das seine Essenszusteller:innen in ordentlichen Anstellungsverhältnissen beschäftigte.

Nachdem lange um einen Kollektivvertrag (KV) für Fahrradbot:innen gerungen wurde, macht Lieferando diesen nun hinfällig. Das Unternehmen, einer der größten Essenslieferdienste in Österreich, will bis spätestens Ende Juli hunderte seiner festangestellten Fahrer:innen kündigen und stellt auf ein Modell mit freien Dienstverträgen um. Lieferando bestätigte einen entsprechenden Standard-Bericht und begründet diesen Schritt gegenüber der APA mit der Angleichung an den "österreichischen Branchenstandard" nach einer sorgfältigen Prüfung.

Kein Rückzug aus Österreich

Im Gegensatz zu Wettbewerbern wie Foodora und Wolt hatte Lieferando seine Fahrer:innen bisher überwiegend angestellt. Das Unternehmen versichert jedoch, weiterhin faire Bedingungen bieten zu wollen. Lieferando betont, dass dieser Schritt keine Aufgabe des österreichischen Marktes bedeute, sondern eine Reaktion auf Wettbewerbsnachteile darstelle, da andere Anbieter dem KV nicht gefolgt seien. Man habe jahrelang versucht, Standards zu setzen, sei damit aber gescheitert.

Laut Standard geht es unter Berufung auf den Betriebsrat um 966 betroffene Arbeitnehmende. Lieferando teilte auf Anfrage mit, dass die Lieferflotte derzeit aus rund 850 Fahrer:innen bestehe. "Mit der Beendigung unseres Angestellten-Modells werden wir, unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, rund 600 Fahrer:innen entlassen müssen", wird Lieferando-Sprecherin Katrin Wala von der APA zitiert. Zudem seien weitere rund 65 Mitarbeiter:innen an den Standorten in Wien und den Bundesländern betroffen.

Bisheriger Musterschüler

Lieferando hat sich lange Zeit - im Vergleich zu Konkurrenten wie Foodora oder Wolt - als Musterschüler präsentiert, da das Unternehmen immerhin einen Großteil seiner Mitarbeiter:innen angestellt hatte. Im August 2024 bot das Unternehmen seinen Beschäftigten eine "freiwillige" Lohnerhöhung um 7,8 Prozent an, während die Kollektivvertragsverhandlungen mit der Wirtschaftskammer ins Stocken geraten waren. Von einem guten Einkommen könne dennoch keine Rede sein: Der Bruttolohn eines Riders beträgt rund 1.860 Euro bei einer 40-Stunden-Woche, so die Gewerkschaft vida.

Für die Lieferando-Beschäftigten, die jetzt ihren Arbeitsplatz verlieren, könne man zumindest einen Sozialplan erstellen. Doch die freien Dienstnehmer:innen oder Selbständigen, die nach ihnen kommen, hätten künftig keine soziale Absicherung. "Die Politik hat den Schutz der Plattformarbeiter:innen auf die lange Bank geschoben", kritisiert vida-Gewerkschafter Markus Petritsch. Die neue Bundesregierung sei nun gefordert, die Beschäftigten, freien Dienstnehmer:innen und Einzelunternehmer:innen die für Plattformanbieter tätig sind, "vor den Machenschaften internationaler Konzerne zu schützen."

www.lieferando.at

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