Die Schoellerbank hat ihren Kapitalmarktausblick für das erste Quartal 2025 veröffentlicht. Nach zwei sehr starken und gleichzeitig sehr inhomogenen Aktienjahren rechnen die heimischen Finanzexpert:innen für heuer mit einer breiteren Marktbewegung. Zuletzt sind wenige Unternehmen im Bereich einer jungen Technologie, der künstlichen Intelligenz (KI), weit davongezogen. Der Großteil der Aktien in den breiten Indizes habe von diesem Umfeld noch nicht wirklich profitieren können und sei – teilweise weit – zurückgeblieben. Oftmals gebe es bei neuen Entwicklungen ein (Monopol) oder wenige (Oligopol) Unternehmen, die sich durch Innovation einen Vorsprung verschaffen, so die Schoellerbank. Diese wenigen Unternehmen könnten in dieser frühen Entwicklungsphase Übergewinne abschöpfen
Entwicklung in die Breite
In einer freien Wirtschaft setze dann nach und nach das ein, was in der Volkswirtschaftslehre "vollkommene Konkurrenz" genannt wird: Viele andere Unternehmen erkennen den profitablen Geschäftsbereich und versuchen, dort auch Fuß zu fassen und von den Überrenditen zu profitieren. Je mehr Anbieter:innen aktiv werden, desto größer wird der Wettbewerb. Als Folge werden die Preise, die für das Produkt oder die Dienstleistung verlangt werden können, sinken, und die Anbieter:innen verdienen weniger. Andererseits könne dann die neue Technologie in der gesamten Wirtschaft zu optimalen Bedingungen eingesetzt werden, wodurch in der Regel die Produktivität steigt.
Laut dem Kapitalmarktausblick der Schoellerbank gibt es jedoch Eintrittsbarrieren in das Geschäft mit der KI: Sowohl die Produktion der Spezial-Chips als auch das Training der KI sind Know-how- und Ressourcen-intensiv. Die heute aktiven Unternehmen haben sich demnach mit langer Entwicklungsarbeit einen Vorsprung verschafft. Insofern gehen die Finanzexpert:innen nicht davon aus, dass der Markt alleine in kurzer Zeit eine vollkommene Konkurrenz schaffen könne. Allerdings seien in derart konzentrierten Sektoren historisch betrachtet auch wettbewerbsrechtliche Entwicklungen und politischer Einfluss von Bedeutung. Seitens des Marktes spiele nicht zuletzt die Nutzbarkeit von Daten beim Training der KIs eine wesentliche Rolle. Gerade Letzteres könne aber bedeuten, dass der Vorsprung einer Handvoll Unternehmen geringer werden wird, denn auch der breite Markt werde früher oder später vom allgemeinen Produktivitätswachstum profitieren, so die Schoellerbank. Branchen außerhalb des Technologiesektors, die große Datenmengen zur Verfügung haben – die Finanzbranche, Kommunikationsdienstleister, aber auch Gesundheit, Versorger oder Basiskonsum –, könnten stärker ins Interesse des Marktes rücken. Nicht zuletzt gelte es abzuwarten, ob das immense Ausmaß der wirtschaftlichen Investitionen in KI auch schnell angenommen wird, also ob sich die KI in diesem Ausmaß in der Breite nutzen lassen wird.
Fest steht, dass die Vormachtstellung die Bewertungen einiger Unternehmen in beeindruckende Höhen katapultiert hat – siehe auch unseren aktuellen Bericht der wertvollsten Konzerne der Welt. Die Expert:innen der Schoellerbank sehen bei der Bewertung, aber auch bei Stimmungsindikatoren die eine oder andere Übertreibung, gerade im engen Umfeld der neuen Technologie. Private US-Investor:innen sind so optimistisch wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf der anderen Seite finde man immer noch recht überschaubare Bewertungen in anderen Wirtschaftssektoren. Die Herausforderung werde demnach darin bestehen, herauszufinden, welches Unternehmen zu Recht billig bewertet ist und wo bei günstigen Multiples (darunter verstehen wir hier die verschiedenen Bewertungskennzahlen wie z. B. das Kurs-Gewinn-Verhältnis) Chancen schlummern.
Nicht zuletzt ergeben sich auch regional deutliche Unterschiede: Die USA bieten aus der historischen Entwicklung heraus günstige Rahmenbedingungen für Innovationen, wie einen vergleichsweise einfachen Zugang zu Eigenkapital, eine enge Verknüpfung von Forschung und Wirtschaft – insbesondere im Silicon Valley –, relativ geringe Reglementierung etc. Daher seien dort auch viele dieser zuletzt äußerst erfolgreichen Unternehmen ansässig.
Nach einer zweijährigen Periode fulminanter Kursgewinne bei einigen wenigen Aktien könnten Anleger:innen im kommenden Jahr bei den heiß gelaufenen Titeln einen kritischeren Maßstab anlegen. Werden die in die Höhe geschossenen Kurse nun auch durch mittelfristig deutlich steigende Gewinne gerechtfertigt? Nicht in allen Fällen werde der Aktienmarkt die Vorschusslorbeeren bestätigen, und die Kurse könnten im Falle von enttäuschenden Unternehmensberichten auch rasch und deutlich fallen, zeigt man sich bei der Schoellerbank überzeugt. Dieses Damoklesschwert hänge schon seit einiger Zeit über Teilen des Markts. Ist 2025 das Jahr, in dem es fällt?
Anleger:innen sollten sich auf stärkere Kurskorrekturen einstellen. Wann diese Kursbewegungen stattfinden und wie stark sie ausfallen werden, könne jedoch niemand exakt vorhersagen. Mit einem konservativen und wertorientierten Aktienportfolio fahre man in Abwärtsphasen besser. Und noch etwas sollten Anleger:innen der Schoellerbank zufolge nicht vergessen: Kursrückschläge bieten auch immer wieder die Chance, neue Aktienengagements zu deutlich besseren Preisen eingehen zu können.
Comeback der Anleihen
Anleihen seien heute so interessant wie schon lange nicht. Im abgelaufenen Jahr habe sich bei den Renditen kaum Bewegung gezeigt, die Inflation ist hingegen nach und nach gesunken. Auch die Risikoaufschläge seien im Laufe des Jahres 2024 in den meisten Segmenten kontinuierlich etwas zurückgegangen, die Märkte zeigen geringe Besorgnis. Der Blick sollte laut den Finanzexpert:innen weiterhin auf die Preisentwicklung gerichtet bleiben, denn Anleihen sind – mit wenigen Ausnahmen – nominale Veranlagungen: Die Verzinsung ist von vorneherein fixiert. Steigt die Inflation, so bleibt in Zukunft weniger von dieser nominellen Verzinsung übrig. So wie die Märkte die zukünftige Inflation bepreisen, könnten Anleger:innen demnach sogar mit sehr konservativen Staatsanleihen der Eurozone positive Realrenditen erzielen. So eine Situation habe es schon lange nicht mehr gegeben, insofern sei das Umfeld für Anleihen äußerst spannend.
Dennoch sichere die Schoellerbank diese niedrige eingepreiste Inflation zumindest teilweise in ihren Portfolios ab: Es erscheine zu optimistisch, dass die Preise in den kommenden Jahren in Europa im Durchschnitt nur um 1,8 Prozent pro Jahr steigen werden. Taktisch möge die schwache Konjunktur diese Situation zwar erklären. Mittelfristig sehe man bei dem Geldinstitut aber einige Themen, die für Preisanstiege im Bereich der Notenbank-Erwartungen (zwei Prozent pro Jahr) oder sogar leicht darüber sprechen: Energiepreise, immer stärker aufkeimender Protektionismus oder die bekannte demografische Entwicklung in vielen entwickelten Ländern seien alle in der Lage, die Inflation anzufachen.
Die Mischung macht's
Bei aller Zuversicht in der Anlageklasse Anleihen: Strategisch sollten sich Anleger:innen genau überlegen, wie hoch die Aktienquote im Portfolio gewählt werden kann, denn mit Aktienveranlagungen im Qualitätssegment seien langfristig bessere Ergebnisse zu erzielen als mit Anleihen, betont die Schoellerbank. Im englischsprachigen Raum ist dazu folgender Spruch bekannt: "Sell down to your sleeping level" – also frei übersetzt: "Halte so viele Aktien, dass du (gerade noch) gut schlafen kannst."
In der taktischen Betrachtung – und das sei der Kundenauftrag für Vermögensverwalter:innen – halte die Schoellerbank die Chancen und Risken beider Segmente heute für ausgewogen: Man setze nach einer Gewinnmitnahme Anfang Dezember nun auf eine neutrale Aktiengewichtung. Denn wie bereits geschildert, seien auch Anleihen so attraktiv wie schon lange nicht mehr. Und man möchte sich etwas "trockenes Pulver" bzw. Liquidität aufbewahren für den Fall, dass es kurzfristig zu noch interessanteren Einstiegsniveaus kommt.
Aus der Vogelperspektive
Beim Blick aus der Makroperspektive auf die Welt seien laut den Finanzexpert:innen auch noch ein paar andere Themen zu beachten: Welche Ankündigungen, die der designierte US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf gemacht hat, wird er tatsächlich in die Realität umsetzen und in welchem Ausmaß? Sowohl beim Thema Außenhandel als auch bei innenpolitischen Steuerentscheidungen oder bei der globalen Sicherheitspolitik gibt es breite Umsetzungsspielräume.
Letztere werde nicht zuletzt auch Auswirkungen auf Europa haben – Stichwort Verteidigungsausgaben einzelner NATO-Mitgliedsländer. Es werde sich weisen, wie die lokale Politik reagieren wird, sollte das sicherheitspolitische Engagement der USA tatsächlich schrumpfen. Auch bei anderen Themen werde es laut der Schoellerbank spannend, beispielsweise wie die europäische Politik mit ihren zumeist klammen Kassen auf schwaches Wachstum reagiert. Und dann gebe es natürlich noch Kriege und Krisen – in Europa und außerhalb –, die auch einen Einfluss auf die Kapitalmärkte haben. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit Öl- und Energiepreisen könnten auch die Kapitalmärkte diese Auswirkungen rasch zu spüren bekommen. Spinne man diesen Faden weiter, so ist der Zusammenhang mit der Inflation und damit auch mit Notenbank-Aktivitäten schnell zu erkennen, so die Expert:innen.
Fazit der Schoellerbank
"Buy the rumour, sell the fact" – oder frei übersetzt: "Kaufe das Gerücht, verkaufe die Tatsache." Die Märkte sind weit gelaufen, beurteilen Entwicklungen sehr positiv und könnten eine Verschnaufpause benötigen. Auch technische Signale und Stimmungsindikatoren unterstützen diese Sichtweise. Viel Gutes wurde bereits vorweggenommen.
Dass die Schoellerbank Aktien auf "neutral" reduziert hat, heiße aber keinesfalls, dass man negativ ins neue Jahr blicke. Im Gegenteil, man wisse: Langfristige Investor:innen müssen auf Aktien setzen, um die Inflation nachhaltig zu schlagen und auch noch ein bisschen mehr zu verdienen. Doch auch mit Rentenveranlagungen sei anhand heutiger Renditen im nächsten Jahr einiges zu holen. Die dürre Wüste der Nullzinsen nach der Weltfinanzkrise ist vorüber, je nach Risikoappetit können auch Rentenanleger:innen die Inflation verdienen.
"So gesehen blicken wir mit vernünftigem Optimismus auf das neue Anlagejahr und freuen uns erneut darauf, Chancen wahrzunehmen und Risiken durch einen fundierten Investmentprozess aktiv zu managen", so die Schoellerbank.
www.schoellerbank.at
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