Eine straffe Geldpolitik und die wirtschaftlichen Unsicherheiten der letzten Monate setzen Österreichs Unternehmen massiv unter Druck. Als Folge verschlechtert sich die Zahlungsmoral im B2B-Geschäft zunehmend.
Verspätete Zahlungen
Laut dem aktuellen Zahlungsmoralbarometer Österreich 2024 des internationalen Kreditversicherers Atradius (siehe Infobox), stieg der Anteil der verspäteten Zahlungen an allen Rechnungen zwischen Kund:innen und Lieferant:innen im Geschäftsbereich im vergangenen Jahr von 44 auf 55 Prozent. "Diese Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit eines strategischen Kreditmanagements für Unternehmen und vor allem der Absicherung der Liquidität", sagt Franz Maier, Generaldirektor Österreich, Ungarn und Südosteuropa, von Atradius.
Der Anteil der uneinbringlichen Forderungen im B2B-Bereich ist 2023 von vier auf neun Prozent gestiegen. Ein weiterer Indikator für die Schieflage der österreichischen Wirtschaft ist der DSO-Wert (Days-Sales-Outstanding, durchschnittliche Forderungslaufzeit in Tagen): Mit 80 Prozent berichtete ein Großteil der österreichischen Unternehmen aus dem Baugewerbe und der Stahl-/Metallindustrie von einer Verschlechterung. Die durchschnittliche Forderungslaufzeit belief sich auf 85 bzw. 74 Tage ab Rechnungsstellung. Im Verkehrssektor, in dem 60 Prozent der Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten eine Verschlechterung der Außenstände verzeichneten, beträgt die durchschnittliche Einzugsdauer 65 Tage.
54 Prozent der 210 von Atradius befragten Unternehmen warten länger auf die Bezahlung ihrer Rechnungen. "Die Folge für die betroffenen Unternehmen sind Investitionsverzögerungen, Verlangsamung der Zahlungen an eigene Lieferant:innen und Schwierigkeiten bei der Erfüllung finanzieller Verpflichtungen", so Maier. Der Umfrage zufolge sind weitere Folgen unmittelbare Cashflow-Probleme sowie Verzögerungen bei der Bezahlung von Rechnungen und Gehältern.
Sicherung der Liquidität
Die langen Wartezeiten auf Zahlungen von B2B-Kund:innen erhöhen für die Unternehmen die Notwendigkeit, für den Liquiditätserhalt zur Sicherung des laufenden Betriebs zu sorgen. Im letzten Jahr stellten im Speziellen die Unternehmen im Baugewerbe und im Verkehrsektor Bankkredite die Hauptfinanzierungsquelle dar, da diese Investitionen in technische Verbesserungen ermöglichen. Hingegen gaben 38 Prozent der Stahl- und Metallunternehmen an, Handelskredite, also Kreditlinien, die Lieferant:innen ihren Kund:innen einräumen, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen, als Hauptfinanzierungsquelle in Anspruch genommen zu haben.
Laut der Umfrage entschieden sich hingegen 35 Prozent für die Rechnungsfinanzierung. In den vergangenen zwölf Monaten waren für 61 Prozent der befragten Unternehmen Bankdarlehen und für 28 Prozent Handelskredite die wichtigsten Finanzierungsquellen. 22 Prozent zahlten ihre Lieferungen auf Rechnung und 18 Prozent beglichen ihre Rechnungen mit internen Mitteln.
Ausblick in die Zukunft
Die Atradius-Umfrage macht deutlich, dass eine Verbesserung der Zahlungsmoral nicht in Sicht ist. Die befragten Unternehmen zeigen sich kurz-, mittel- und langfristig besorgt aufgrund der anhaltend hohen Inflation, den geopolitischen Spannungen und den Herausforderungen bei der Kundenakquise. "Fast die Hälfte der Unternehmen aller Branchen erwartet eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens", sagt Franz Maier. Im vergangenen Jahr lag die Zahl noch bei zwölf Prozent. Die meisten Unternehmen in Österreich gingen zudem davon aus, dass sie in den kommenden Monaten Schwierigkeiten haben werden, qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen, was auf lange Sicht zum einen die Produktivität beeinträchtigen und zum anderen den Anschluss an neue Technologien verhindern könnte.
Auch die Angst vor einer steigenden Zahl von Firmenpleiten wächst. 80 Prozent rechnen mit einem erhöhten Insolvenzrisiko im B2B-Geschäft. "Dies zeigt die tiefe Besorgnis gegenüber den zukünftigen Markt- und Wirtschaftsbedingungen, die auf die Unternehmen zukommen", so der Experte.
Besonders deutlich zeigt sich diese negative Einschätzung im österreichischen Bausektor, wo 64 Prozent der Unternehmen mit einer Verschlechterung der Zahlungsmoral von B2B-Kund:innen in den nächsten zwölf Monaten rechnen. Mit einer Verbesserung rechnet hingegen die Stahl-/Metallindustrie.
Außenstandsdauer der Forderung
Die unterschiedlichen Erwartungen der Unternehmen in Bezug auf die Effizienz des Forderungseinzugs und das Cashflow-Management werden in der Umfrage deutlich. 56 Prozent der befragten österreichischen Unternehmen rechnen mit einer Verschlechterung, während die übrigen entweder optimistischer oder unsicherer sind.
78 Prozent der Bauunternehmen rechnen in den nächsten zwölf Monaten mit einer Verschlechterung der Außenstandsdauer ihrer Forderungen. Dies deute auf eine erhöhte Besorgnis über das Risiko finanzieller Instabilität hin, insbesondere bei Unternehmen, die zur Aufrechterhaltung ihrer Geschäftstätigkeit auf prompte Zahlungen angewiesen sind. 70 Prozent der Unternehmen aus dem Verkehrssektor äußern ähnliche Erwartungen und rechnen ebenfalls mit einer deutlichen Verschlechterung der Außenstandsdauer. Im Gegensatz dazu erwarten die meisten Unternehmen in der österreichischen Stahl-/Metallindustrie eine Verbesserung oder keine Veränderung der DSO, was auf eine Stabilität bei der Zahlungseinziehung schließen lässt. "Die Umfrage verdeutlicht die Notwendigkeit für Unternehmen, effektive Kreditmanagementstrategien zu entwickeln, um den Herausforderungen der kommenden Monate gewachsen zu sein", sagt Atradius Österreich-Generaldirektor Maier.
www.atradius.at
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