Gläubiger fordern 2,3 Milliarden Euro
Familie Benko Privatstiftung fungierte laut Experten als eine Art "Steuerblockerin"

| Tobias Seifried 
| 22.05.2024

Während René Benko am Mittwoch in Wien vor dem U-Ausschuss aussagte, wurde in Innsbruck darüber verhandelt, welche Forderungsbeträge bei der insolventen Familienstiftung anerkannt werden. Angemeldet wurden rund 2,3 Milliarden (!) Euro. Zudem brachte die Verhandlung weitere brisante Details ans Licht, die insbesondere Kreditschützern sauer aufstoßen.

Nachdem im Insolvenzverfahren von René Benko als Unternehmer Gläubiger:innen Forderungen in Höhe von rund zwei Milliarden Euro angemeldet haben (LEADERSNET berichtete), kam es am Mittwoch am Landesgericht Innsbruck zur Verhandlung darüber, welche Forderungsbeträge bei der Familie Benko Privatstiftung anerkannt werden. Deren Vorstände erklärten im Insolvenzeröffnungsantrag, dass es Verbindlichkeiten in Höhe von rund 854 Millionen Euro geben würde. Etwas über zwanzig Gläubiger:innen haben in den vergangenen Wochen Ansprüche in Höhe von knapp 2,3 Milliarden Euro bei Gericht angemeldet, wobei der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Matzunski aktuell lediglich 49,5 Millionen Euro für berechtigt hält. René Benko selbst war zu diesem Zeitpunkt in Wien, wo er vor dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen musste.

Für Experten nicht überraschend

Für Klaus Schaller vom KSV1870 komme es aufgrund der Erfahrungen in den bisherigen Insolvenzen von Signa-Gesellschaften bzw. René Benko nicht überraschend, dass der Insolvenzverwalter auch in diesem Verfahren nur einen Bruchteil der bei Gericht angemeldeten Forderungen anerkennt. So wurden von Matzunski etwa sämtliche von Gesellschaften der Signa-Gruppe angemeldeten Forderungen (sogenannte intercompany-Ansprüche) bestritten. Daneben betreffen die ausgesprochenen Bestreitungen hauptsächlich ausländische Investitionsgesellschaften, welche ihre Mittel Gesellschaften der Signa zur Verfügung gestellt haben. Inwieweit hier die Familie Benko Privatstiftung Haftungen aufgrund von Vorteilen aus Darlehensgewährungen treffen bzw. allenfalls direkte Mitverpflichtungen eingegangen wurden, ist zum Teil bereits Gegenstand von mehreren in der Schweiz von ausländischen Investor:innen angestrengten Schiedsverfahren, so der Experte.

Die bei Insolvenzeröffnung bei der Familie Benko Privatstiftung vorgefundenen – schnell realisierbaren – Vermögenswerte seien überschaubar. Der Insolvenzverwalter berichtete, dass in diesem Verfahren Masseunzulänglichkeit eingetreten ist. Darunter versteht man, dass aktuell nicht einmal die seit Insolvenzeröffnung anfallenden Massekosten bezahlt werden können. In den nächsten Monaten versucht der Insolvenzverwalter, die im Vorfeld der Insolvenzeröffnung über die Privatstiftung laufenden Geldflüsse zu prüfen und nachzuvollziehen. Dabei werden Prüfungen zu den erfolgten Kreditgewährungen und hinsichtlich der Geldflüsse im Signa-Konzern angestellt. Ob daraus werthaltige Ansprüche für die Insolvenzmasse ableitbar sind, sei Schaller zufolge abzuwarten und zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostizierbar.

Grün­dung und Stif­tungs­zweck

Die Familie Benko Privatstiftung wurde im Jahr 2001 von den Stifter:innen René Benko und dessen Mutter Ingeborg Benko errichtet. In den Jahren 2007, 2010 und letztmalig 2013 gab es Änderungen in der Stiftungs- oder Stiftungszusatzurkunde. Demnach soll das Stiftungsvermögen dem Erhalt der Signa-Unternehmensgruppe dienen. Daneben soll die Versorgung der Begünstigten, das ist bis zu dessen Ableben René Benko und danach seine Nachkommen bzw. Verwandte, sichergestellt werden. Nach Angabe der Stiftungsvorstände habe die Stiftung ab dem Jahr 2013 keine Ausschüttungen mehr an den Begünstigten René Benko getätigt. Wie sich im Insolvenzverfahren des Unternehmers René Benko nun aber herausstellte, wurden in den vergangenen Jahren Darlehen in Millionenhöhe von der Familie Benko Privatstiftung an Benko persönlich gewährt.

Insol­venz­ur­sache

Zu den Ursachen für die Pleite berichtete der Insolvenzverwalter, dass die Familie Benko Privatstiftung als Mitgesellschafterin der nun insolventen Signa Holding GmbH – in Entsprechung des Stiftungszwecks, nämlich dem Erhalt der Signa-Unternehmensgruppe – mehrere Kapitalerhöhungen mitgemacht hat. Dies, um den an der Holding gehaltenen Gesellschaftsanteil von 10,1 Prozent nicht zu verwässern. Gelang die Finanzierung dieser Kapitalerhöhungen anfangs noch auf Basis von Ausschüttungen aus der Signa-Sphäre, wären in den vergangenen Jahren zunehmend Kredite bei Banken oder privaten Geldgeber:innen von der Familie Benko Privatstiftung aufgenommen worden.

Aus Sicht der gesamten Signa-Gruppe komme der Familie Benko Privatstiftung laut den Kreditschützern eine ganz zentrale Funktion zu. Im Fall eines Weiterverkaufs von Liegenschaften nach Ablauf der Behaltefrist von zehn Jahren durch – der Signa Holding nachgeschalteten – Gesellschaften werden bei der Beteiligung einer "Altgesellschafterin", wie sie die Familie Benko Privatstiftung an der Signa Holding darstellt, keine Grunderwerbsteuern vom Fiskus vorgeschrieben. Die Privatstiftung fungiere in diesem Konstrukt so hin als eine Art "Steuerblockerin".

Dabei sei von einer möglichen Steuerbelastung von insgesamt rund 1,25 Milliarden Euro in Österreich bzw. Deutschland auszugehen, so der KSV1870. Deshalb sei verständlich, dass der Erhalt der Beteiligung der Familie Benko Privatstiftung als "Altgesellschafterin" an der Signa Holding im Ausmaß von 10,1 Prozent für die wirtschaftliche Lage der gesamten Signa-Gruppe wesentlich war und immer noch wesentlich ist.

Wirt­schaft­liche Entwick­lung und vorhandenes Vermögen

Im Jahr 2019 hat die Familie Benko Privatstiftung wesentliches Immobilienvermögen verkauft. Ab dem Wirtschaftsjahr 2020 konnte sie folglich keine Mieterlöse mehr lukrieren. Dadurch brach das Jahresergebnis 2020 gegenüber dem Vorjahr massiv ein, wobei immer noch ein Überschuss erzielt werden konnte. 2021 verbesserte sich die wirtschaftliche Situation wieder, da rund 95 Millionen Euro aus der Beteiligung an Gesellschaften der Signa-Gruppe der Privatstiftung zuflossen. Das Wirtschaftsjahr 2022 war für die Familie Benko Privatstiftung desaströs, da es zu keinen Einnahmen aus den Beteiligungen kam und das Ergebnis aus Kapitalvermögen mit rund 867 Millionen Euro negativ ausfiel, so der KSV1870.

Dem Insolvenzverwalter liegt laut eigenen Angaben ein detailliertes Vermögensverzeichnis der Familie Benko Privatstiftung vor. Demnach verfügt diese über kein Liegenschaftsvermögen; aus einem Wertpapierdepot konnte der Insolvenzverwalter rund 26.000 Euro für die Insolvenzmasse realisieren. Weitere kurzfristig verwertbare körperliche Vermögensgegenstände seien nicht vorhanden.

Darlehen

Die Stiftung hat auch ein Darlehen über rund 22 Millionen Euro an René Benko gewährt. Besicherungen bestehen für dieses Darlehen keine. Rechtsanwalt Matzunski hat diesen Kreditbetrag bereits im Insolvenzverfahren von René Benko geltend gemacht. Dieser Anspruch ist dort anerkannt worden.

Daneben hat die Familie Benko Privatstiftung einen Anspruch aus einem Darlehen gegen die Signa Holding in Höhe von etwa 75 Millionen Euro in deren Insolvenzverfahren angesprochen. Diese Forderung ist aktuell jedoch bestritten, wobei erhebliche Gegenforderungen von der Holding gegenüber der Familie Benko Privatstiftung geltend gemacht werden.

Der Insolvenzverwalter erklärte am Mittwoch weiter, dass zusätzliche Kredite an mehrere Gesellschaften der Signa-Gruppe in Höhe von etwa 200 Millionen Euro von der Familie Benko Privatstiftung gewährt wurden. Diese Ansprüche dürften – nach einer ersten Einschätzung – zum überwiegenden Teil nicht werthaltig sein.

Beteiligungen

Die insolvente Privatstiftung hält neben jener Beteiligung an der Signa-Holding noch weitere Gesellschaftsanteile – zum Teil treuhändig – an diversen Rechtsträgern des Signa-Konzerns. Der Insolvenzverwalter erklärte, dass ein Großteil dieser Beteiligungen vermutlich ohne Wert für die Insolvenzmasse sein werde. Die diesbezüglichen Prüfungen dürften aber noch Monate in Anspruch nehmen.

"Nachdem sich der KSV1870 als Gläubigervertreter einen ersten Überblick über die wirtschaftliche Gebarung der Insolvenzschuldnerin vor der Insolvenzeröffnung machen konnte, verstärkt sich der Eindruck, dass die Insolvenzschuldnerin über Jahre als eine Art Finanzierungsvehikel innerhalb der Signa-Gruppe genutzt wurde. Der Insolvenzverwalter hat bereits angekündigt, dass er sich auch im Hinblick auf den Stiftungszweck ansehen werde, ob etwa Darlehensgewährungen an Herrn Benko oder Gesellschaften der Signa-Gruppe ohne entsprechende Besicherungen in der Stiftungs- oder Stiftungszusatzurkunde Deckung finden", so Klaus Schaller abschließend.

www.ksv.at

www.signa.at

 

Die Tatsache, das trotz laufender Strafverfahren, Steuerhinterziehung und Milliarden-Schulden bisher noch kein Geschäftsführer in U-Haft sitzt, zeigt deutlich die Sonderbehandlung der Kausa-Signa durch die beteiligten Länder. Die Haftgründe "Verdunkelungsgefahr", "Fluchtgefahr" und "Einflussnahme auf Zeugen" wären bei jedem anderen GF sofort bei Gericht durchgewinkt worden.
Eine fremdunübliche Ausgestaltung derartiger Darlehensgestaltungen (Zinssatz, Laufzeit) ist rechtswidrig, nur um das klarzustellen. Bei fremdunüblich langer Laufzeit kann das Ganze als verdeckte Gewinnausschüttung umqualifiziert werden.
Dieser Satz sollte etwas genauer erläutert werden: "Die Stiftung hat auch ein Darlehen über rund 22 Millionen Euro an René Benko gewährt."

Wenn der Begünstigte einer Stiftung nur "Darlehen" erhält und keine normal Bezüge, hat das in der Regel nur einen Grund: er vermeidet es dadurch, in die Steuerpflicht zu kommen. Ein "Kredit" muss nicht versteuert werden, Bezüge hingegen schon. Solche Kredite haben meist einen lächerlich geringen Zinssatz, der für den Begünstigten nicht weiter ins Gewicht fällt. Und eine mögliche Rückzahlung kann bis in alle Ewigkeit aufgeschoben werden, oder aus Erlösen durch andere steuerbegünstigte Investitionen erfolgen. Strenggenommen ist das 'Steuervermeidung", die allerdings nicht illegal ist. Sogenannten "High-Networth" Personen verschaffen solche Schiebereien einen ziemlich unfairen Steuervorteil.

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