Am Mittwoch waren die Augen von europäischen Wirtschaftsvertreter:innen nach Wien gerichtet. Grund dafür war die Präsentation des "Ökonomischen Ausblicks" vom Bankenverband. Dieser fällt laut den drei vortragenden Finanzexperten zwar nicht allzu rosig aus, macht aber durchaus Hoffnung auf eine langsame Erholung der europäischen Wirtschaft, wobei es jedoch länderspezifische Unterschiede gibt.
"Die Rezession endet. Ein starker Aufschwung bleibt aber vorerst aus", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der deutschen Commerzbank, zur aktuellen Entwicklung. "Deutschland und der Euroraum befinden sich in einer Stagnation", betont Krämer und verweist auf das reale Bruttoinlandsprodukt für Deutschland, das heute auf dem Niveau von 2019 stehe. Die Commerzbank sieht für den Euroraum ein Wachstum von 0,1 Prozent für 2024 und eines von 0,9 Prozent für 2025.
Inflation als Sorgenkind
Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria, zeichnete für Österreich ein ähnliches Bild: "Die schwache Konjunktur hat sich zu Jahresbeginn in Österreich nur wenig verbessert." Gründe dafür seien laut Bruckbauer "der Realeinkommensschock, der Preisanstieg bei Investitionsgütern, die restriktive Geldpolitik und die allgemeine Unsicherheit". Der Finanzexperte prognostiziert für 2024 ein BIP-Wachstum von 0,3 Prozent in Österreich. Und für 2025 eines von 1,5 Prozent. Bruckbauer sieht dennoch "keinen Grund für extremen Pessimismus in Österreich, da die Österreicher:innen das neunthöchste BIP pro Kopf und Arbeitsstunde erzielen".
"Die Inflationsrate bleibt das Sorgenkind im Euroraum und besonders in Österreich", betonte Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes und ergänzte: "Die Lohn-Preis-Spirale dreht sich weiter. Das fordert die Unternehmen wie die Volkswirtschaft." Der Commerzbank-Chefökonom sagt zur Inflation: "Das Biest ist noch nicht erlegt." Krämer weist darauf hin, dass die unterliegende Inflationsdynamik "zuletzt wieder höher" war und "die Löhne zu schnell steigen".
Österreich liegt mit der Inflation weiterhin über dem Wert des Euroraums (LEADERSNET berichtete). "Wir haben eine überdurchschnittlich hohe Inflation. Nach 7,8 Prozent Inflationsrate im Jahr 2023 erwarten wir, dass sie heuer auf 3,6 Prozent zurückgeht", erläutert Bruckbauer, der die hohen Lohnsteigerungen als "Herausforderung für die Industrie" bezeichnet. "Die Betriebe konnten mit Produktivitätsgewinnen bislang erfolgreich gegensteuern", so der Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria.
Zinssenkungen
Da sich die Inflationsrate im Euroraum zuletzt stark eingebremst hat und bereits nahe am Zwei-Prozent-Ziel der EZB liegt, gehen die Finanzexperten von baldigen Zinssenkungen aus. Aufgrund der nach wie vor hohen Inflation in Österreich könnte sich eine Zinssenkung im Juni für unser Land als zu früh erweisen. Bruckbauer rechnet ebenfalls mit einer Zinssenkung ab Juni 2024. Insgesamt geht der Bank-Austria-Analyst von sieben Zinsschritten der EZB aus. Der Einlagezinssatz würde somit von aktuell vier Prozent in Summe auf 2,25 Prozent sinken. Gleichzeitig verwies Bruckbauer, dass diese Prognose (wie jede andere auch) mit Risiken behaftet sei.
Wachstumsbremse Konsum und China entzaubert
Bruckbauer zufolge war der Konsum hauptverantwortlich für das schwächere Wachstum. "Während sich die Konsumgüternachfrage in den USA erholt hat, liegt Österreich deutlich unter dem Trend. Das gilt auch für persönliche Dienstleistungen und den Tourismus", erläutert der UniCredit-Bank Austria-Ökonom und gibt einen Ausblick: "Der Rückgang der Inflation sollte Reallohnzuwächse erlauben, die eine Erholung vor allem über den Konsum unterstützen."
"China ist dauerhaft entzaubert. Das Land kämpft mit einem Vertrauensverlust des privaten Sektors. Wir kalkulieren für China ein Wirtschaftswachstum von 4,4 Prozent für 2024, für 2025 eines von gerade einmal vier Prozent", erläutert Krämer. "Die USA dagegen sind", so der Commerzbank-Volkswirt, "wieder auf dem Vorkrisen-Wachstumspfad angekommen. Die US-Wirtschaft kann mit einem Wachstum von 2,5 Prozent rechnen. Es gab und gibt nicht mal eine milde Rezession, wie sie bis vor Kurzem noch prognostiziert wurde."
Erholung im Zeitlupentempo
Gerald Resch fasste die Erkenntnisse des aktuellen Ökonomischen Ausblicks abschließend so zusammen: "Wir müssen geduldig sein und wir dürfen optimistisch sein. Für 2024 und 2025 ist ein verhaltener Optimismus angesagt. Es ist eine Erholung im Zeitlupentempo."
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