Nach der Einigung in der Vorwoche haben die Metaller ihre Streikphase bereits hinter sich, im Handel dauert sie nach wie vor an. Hier findet die nächste Verhandlungsrunde am Donnerstag (7. Dezember) statt. Sollte es da keine Einigung geben, wird es auch am verlängerten Einkaufswochenende zu Arbeitsniederlegungen in Geschäften der Branche kommen.
Diese beiden Beispiele zeigen sehr gut, dass in Zeiten von hitzigen Kollektivvertragsverhandlungen das Thema in aller Munde ist. Allzu oft wird der Streik bloß als politisches Werkzeug gesehen, was aber sagt der österreichische Gesetzgeber dazu? Die Expert:innen Rainer Kraft und Birgit Kronberger vom Vorlagenportal bringen Licht ins Dunkel.
"Wir streiken!" Aber auch mit Recht?
"Interessanterweise findet sich in den österreichischen Arbeitsrechtsgesetzen kein dezidiertes Recht auf Streik", so Rainer Kraft, Geschäftsführer vom Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung. Wie so oft in der Rechtspraxis, geben allerdings übergeordnete Normen auf europäischer Ebene Auskunft. "Artikel 11 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor und umfasst nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ebenso ein Grundrecht auf Streik zwecks Erreichung gewerkschaftlicher Ziele", sagt Kraft. Überdies hat der EuGH in europarechtlichen Streitfällen ein Grundrecht auf Streik ausdrücklich bestätigt. "Abgeleitet von der europäischen Rechtsprechung ist damit auch im österreichischen Arbeitsrecht ein Recht auf Streik anerkannt", ergänzt Birgit Kronberger, Geschäftsführerin Vorlagenportal.
Vier zentrale Fragen
1. Welche Gesetzesregelungen zum Thema Streik gibt es?
Das Thema Streik ist den Expert:innen zufolge lediglich punktuell in wenigen österreichischen Gesetzesbestimmungen angesprochen. Aus diesen geht hervor, dass sich der Staat gegenüber Streiks neutral verhält.
Streiks sind - anders als noch vor einigen Jahrzehnten - gesetzlich ausdrücklich straffrei gestellt. Dies gelte natürlich dann nicht, wenn ein Streik unter Anwendung von Gewalt oder Einschüchterung geführt wird. An von Streiks betroffene Betriebe dürfen auch keine Arbeitnehmer:innen vermittelt oder überlassen werden; das AMS darf an streikbetroffene Betriebe auch keine Beschäftigungsbewilligungen für ausländische Arbeitskräfte erteilen. Umgekehrt haben streikende Arbeitnehmer:innen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, so Kraft und Kronberger.
2. Sind Streiks nur dann zulässig, wenn sie von der Gewerkschaft organisiert werden?
In Österreich wird – anders als z.B. in Deutschland - rechtlich nicht zwischen gewerkschaftlichen Streiks und ohne Gewerkschaft stattfindenden Streiks (sog. "Wilder Streik") unterschieden. Somit seien auch Streiks ohne Unterstützung der Gewerkschaft prinzipiell zulässig, wenn auch in der Praxis eher selten.
3. Können streikende Arbeitnehmer:innen verwarnt, gekündigt oder entlassen werden?
Weiters erklären die Expert:innen, dass die durch Artikel 11 EMRK geschützte Koalitionsfreiheit auch ein Streikrecht, welches insbesondere im Wege der Gute-Sitten-Klausel (§ 879 ABGB) auf das Dienstverhältnis einwirkt, umfasse. Daher werde bei Teilnahme von Arbeitnehmer:innen an einem rechtmäßigen die Arbeitspflicht ruhend gestellt, und der:die Arbeitgeber:in dürfe die Niederlegung der Arbeit mit keinen nachteiligen Konsequenzen (Verwarnung, Kündigung, Entlassung) sanktionieren. Spricht der:die Arbeitgeber:in trotzdem derlei aus, so sei dies rechtsunwirksam.
4. Haben streikende Arbeitnehmer:innen einen Entgeltanspruch? Wie sieht es mit nicht streikenden Kolleg:innen aus?
Streikende Arbeitnehmer:innen haben mangels Leistungsbereitschaft keinen Entgeltanspruch und sind demnach von der Sozialversicherung abzumelden.
Arbeitswillige Arbeitnehmer:innen, die aufgrund des Streiks an ihrer Arbeitsverrichtung gehindert sind, müssen gegenüber dem:der Arbeitgeber:in ihre Leistungsbereitschaft erklären, um ihren Entgeltanspruch zu wahren. Der:die Arbeitnehmer:in müsse seine Diensterbringung dem:der Arbeitgeber:in ausdrücklich anbieten, seine Leistungsbereitschaft also klar zu erkennen geben, stellen die Expert:innen des Vorlageportals abschließend klar.
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