Der KSV1870 hat am Mittwoch seine aktuelle Insolvenz-Hochrechnung für die ersten neun Monate dieses Jahres veröffentlicht. Demnach sind in diesem Zeitraum hierzulande 3.906 Unternehmen von einer Pleite betroffen, was einem Plus von 9,9 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022 entspricht. Laut dem Kreditschutzverband gerät dabei die Bauwirtschaft immer mehr unter Druck: denn während sich der Handel bereits seit längerer Zeit in der Krise befinde, würden sich nun die Gewitterwolken über der Baubranche zunehmend verdichten. Doch der Reihe nach.
Pleiten bekannter Unternehmen sorgen für Aufmerksamkeit
Österreichs Wirtschaft scheint trotz anhaltender wirtschaftlicher Herausforderungen insgesamt recht krisenresistent zu sein. Zwar ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen (3.906 Fälle entsprechen 14 Firmenpleiten pro Tag) in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 um knapp zehn Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen, dennoch liegt das aktuelle (Hochrechnungs-)Ergebnis nur um 2,6 Prozent über jenem aus dem Vorkrisenjahr 2019. Parallel dazu sind die mangels Kostendeckung nicht eröffneten Insolvenzen um 6,4 Prozent auf 1.507 Pleiten gestiegen.
"Anhand der aktuellen Zahlen von einer Insolvenzwelle zu sprechen, wäre falsch. Bei dem Anstieg handelt es sich um die vom KSV1870 seit längerem prognostizierte Nivellierung, die uns wohl auch in nächster Zeit begleiten wird", erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Die mitunter subjektive Wahrnehmung vermehrter Insolvenzen liege vor allem darin begründet, dass es über den Sommer hinweg einige prominente Handelsunternehmen erwischt hat, die aus durchaus nachvollziehbaren Gründen von großem medialen Interesse begleitet wurden, so der Experte. Darüber hinaus sei die Zahl der betroffenen Mitarbeiter auf 18.400 Personen (+ 80 Prozent) und jene der betroffenen Gläubiger auf 31.400 Geschädigte (+ 44 Prozent) angewachsen.
Handelsunternehmen treiben Passiva in die Höhe
Neben den aktuellen Fallzahlen haben sich der KSV1870-Hochrechnung zufolge auch die vorläufigen Passiva* im Vergleich zum Vorjahr erhöht – und zwar um 24,6 Prozent auf 1,88 Milliarden Euro. Geschuldet sei diese Entwicklung vor allem den bis dato größten Insolvenzen des Jahres. Neben der kika/Leiner (132 Millionen Passiva) sind das mit der KSR Group GmbH (80 Millionen Euro) und der Zentrasport Österreich e.Gen. (68,9 Millionen Euro) zwei weitere Handelsunternehmen. Ein Blick in die Bundesländer zeige, dass die Passiva in Tirol mit einem Plus von knapp 146 Prozent am deutlichsten gestiegen sind. Im Burgenland hätten sich die Verbindlichkeiten hingegen um rund zwei Drittel reduziert.
Drei Insolvenztreiber, Gewitterwolken über Bauwirtschaft
Laut der aktuellen Analyse sind der Handel (737 Fälle, +12 Prozent gegenüber 2022), die Bauwirtschaft (650 Fälle, +13 Prozent) und der Bereich Gastronomie/Beherbergung (507 Fälle, +19 Prozent) weiterhin die Insolvenztreiber des Landes. Zwar würde unter diesen drei Branchen aktuell die Gastronomie den größten Zuwachs verzeichnen, doch sei es vor allem die Bauwirtschaft, die sich immer mehr zum Sorgenkind der heimischen Wirtschaft entwickle. "Im Vergleich zu 2019 sprechen wir aktuell von rund zehn Prozent mehr Pleiten im Baugewerbe, Tendenz steigend", so Götze.
Denn neben den bereits steigenden Firmenpleiten komme auch eine Auftragslage hinzu, die wenig Gutes für die Baubranche vermuten lasse, wie aus einer internen Auswertung der KSV1870 Wirtschaftsinformation hervorgeht: "Unsere Expert:innen haben den Zeitraum zwischen August und September 2023 unter die Lupe genommen, und dabei festgestellt, dass die Auftragslage in der gesamten Baubranche zuletzt stark rückläufig ist. Insgesamt ist die Auftragslage für 2023 schwach und auch 2024 wird aus heutiger Sicht nicht besser werden", Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG.
Das liege zum einen daran, dass die schwierige Situation der Bauwirtschaft in Deutschland Auswirkungen auf den heimischen Markt habe. Weiters seien die Baubewilligungen in Österreich gegenüber dem Jahr 2019 um rund ein Drittel rückläufig. Vor allem Projektentwickler im Wohnbau und dabei beauftragte Bauunternehmen würden unter den verschärften Kreditbedingungen, steigenden Zinsen und erhöhten Baukosten leiden, da die Nachfrage von Endverbraucher:innen aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten gesunken ist und Bauvorhaben damit nicht mehr rentabel sind. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch im Bereich der Hypothekarfinanzierungen (Immobilienfinanzierungen) wider, die im ersten Halbjahr 2023 um 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind, so der KSV1870.
5.300 Firmenpleiten am Jahresende realistisch
Götze gibt einen Ausblick auf das Gesamtjahr: "Auch aufgrund des großen Einflusses der Baubranche auf das gesamte heimische Insolvenzwesen gehen wir aus heutiger Sicht fest davon aus, dass Ende 2023 die 5.000er-Marke an Unternehmensinsolvenzen erstmals seit dem Jahr 2019 überschritten wird." Mit einer realistischen Prognose von rund 5.300 Firmenpleiten wären das in etwa 500 Insolvenzfälle mehr als im vergangenen Jahr.
Das klinge im ersten Moment viel, sei aber de facto nichts anderes als das Erreichen eines durchschnittlichen Insolvenzjahres, plus einen moderaten Zuwachs, der den jüngsten Krisenjahren geschuldet sei. "Trotz der Entwicklungen im Handel und im Baugewerbe sehen wir als KSV1870 aus heutiger Sicht weiterhin keine Insolvenzwelle auf Österreich zukommen", schätzt Götze die Lage abschließend ein.
www.ksv.at
* Die Passiva für die ersten drei Quartale 2023 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 14. September 2023. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.
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