Andreas Babler, ein hemdsärmeliger Typ Anfang 50, packt laut langjährigen Wegbegleiter:innen an, wo er kann. Sei es beim Flüchtlingsthema, mit der Öffnung seines privaten Hauses oder wenn sich eine fünfköpfige Familie nicht leisten kann, alle Kinder auf die Schullandwoche zu schicken. "Andi" greift da schon mal selbst ins Körberl und hilft. Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, schlug er sich als Lagerarbeiter durch und absolvierte auf dem zweiten Bildungsweg seine Ausbildungen. Sein Weg führte ihn vom Schichtarbeiter zum Bürgermeister und nun zu einer der wichtigsten Führungskräfte in der Politik. Wie tickt er, der nun auf einem der schwierigsten Chef-Sessel des Landes sitzt? Der Politikmanager spricht mit LEADERSNET über große Aufgaben, kritische Stimmen innerhalb der Partei und seine Einstellung in Bezug auf Asyl. Er schildert auch, was sein neuer Job für seine Familie bedeutet.
LEADERSNET: Die mediale Berichterstattung über Sie stellte sich überwiegend als falsch bzw. Fake-News heraus. Wie beispielsweise, dass Sie Marxist seien oder keinerlei Ausbildung abgeschlossen hätten. Wie soll da ein wahres Bild von einem Menschen gezeichnet werden, wenn schon die Fakten im Vorfeld falsch dargestellt werden?
Andreas Babler: Ich bin in diesem Geschäft nicht neu und weiß, dass die Sensationslust dazu verleitet, nicht immer ein getreues Bild der Wahrheit zu vermitteln. Solche Fake-Geschichten sind gesteuert und wollen jemanden auf feige Art anpatzen – in der Hoffnung, dass etwas picken bleibt. Ich setze auf die sachliche Diskussion.
LEADERSNET: Sie gelten für viele nun als Hoffnungsschimmer, für die Sozialdemokratie, als jemand der die Partei aus dem Loch holt, in welches sie gefallen ist. In Umfragewerten kommt die SPÖ immer noch nicht aus dem Loch heraus, in das Sie gefallen ist und steht bei rund 20 Prozent und damit weit hinter der führenden FPÖ. Der Tiroler SPÖ Chef spricht sich gegen Ihre Asylpolitik aus und den Umgang mit der ÖVP als potenziellen Koalitionspartner. Hohe Funktionäre legten Ihre Mitgliedschaft nach Ihrer Wahl ruhend. Klaus Luger, der Linzer Bürgermeister kritisierte Sie öffentlich und auch der Wiener Bürgermeister übt Kritik an Ihren Vorhaben. Es scheint noch nicht Einigkeit in der Partei eingekehrt zu sein? Trauen Sie sich zu die Partei zu einen und neu aufzustellen?
Andreas Babler: Ich pflege einen intensiven Austausch mit den Landesvorsitzenden. Ich habe immer wieder bewiesen, dass ich gegen den Trend Wahlen gewinnen kann. Wir sind, als ich Vorsitzender wurde, bei 18 Prozent gestartet und liegen nun, je nach Umfrage, bei an die 25 Prozent. Immer wieder schafften wir es in Traiskirchen gegen den Landestrend gewaltige Siege zu erringen. Wir hatten in Traiskirchen schon in früheren Jahren große wirtschaftliche Umbrüche zu managen. Der Wegfall der Großindustrie, die Umwandlung in eine kleinteilige Wirtschaft, Dienstleistungen, Tourismus – all das . Das sind die Themen, die für ganz Österreich wichtig sind und die die Menschen bewegen. Mein Ziel ist ein Comeback der SPÖ und dafür fahre ich zurzeit auch österreichweit in alle Bezirke.
LEADERSNET: Einige vertreten die Auffassung, dass Sie durchaus ein hohes Risiko für die Partei darstellen aufgrund mancher Ihre Positionen wie zum Beispiel Arbeitszeit, Tempo 100. Es könnte gut ausgehen, aber es könnte ebenso total danebengehen.
Andreas Babler: Das Risiko sehe ich nicht, im Gegenteil. Es gab in den letzten Jahren eine gewisse Orientierungslosigkeit innerhalb der Partei, meine Linie steht jedoch, weil ich genau die Positionen vertrete, die die Sozialdemokratie schon immer ausgemacht haben. Ich habe deshalb auch eine Mehrheit der Delegierten erhalten und fahre einen konstanten sozialdemokratischen Kurs. Die Arbeitszeitreduktion fordern wir beispielsweise als Sozialdemokratie seit vielen Jahrzehnten – seit 137 Jahren. Wir steigen in den Umfragen und auch bei den Mitgliedszahlen – erstmals wieder seit Jahrzehnten.
LEADERSNET: Schon 2015 war in Traiskirchen der Wahnsinn im Hinblick auf die Asylpolitik los. Wiesen-Geburten, keine vorhandene Baby-Nahrung, Ärzte ohne Grenzen in Österreich. Sie öffneten ihr Privat-Haus für die Flüchtlinge und es waren hunderte Leute in dieser Zeit privat bei Ihnen untergebracht. Was waren die Grundpfeiler Ihrer Werte in dieser Zeit? Sie sagen, das Problem der Migration kann man am Beispiel von Traiskirchen lösen. Eine Republik und eine Großstadt wie Wien sind jedoch etwas anderes. Hier gibt es Problemzonen, und jeder Zweite hat in Wien einen Migrationshintergrund. Nur weil es in Traiskirchen funktioniert, heißt das nicht, dass es in Österreich funktionieren wird.
Andreas Babler: Ich habe immer darauf gedrängt, Dinge pragmatisch abzuarbeiten. Traiskirchen, die Stadt wo ich Bürgermeister bin, hat auch bundespolitische Auswirkungen. Die Stadt war Ausdruck einer gescheiterten bundesweiten Flüchtlingspolitik – Massenlager und unmenschliche Bedingungen. Ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Migrationsthema und konnte dies in meiner Stadt erfolgreich managen. Man kann das Thema der Migration nicht am Beispiel von Traiskirchen lösen – hier gibt es auch andere Dimensionen, das ist korrekt. Mein Zugang ist jener der Gewerkschaft – also bei Arbeitsmigration kein Sozial- und Lohndumping und Erhalt der Standards. Flucht ist unverhandelbar, das ist ein Menschenrecht so wie Kinderrechte. Wir haben gezeigt, dass dies machbar ist.
LEADERSNET: Können Österreich und Europa die Flüchtlinge aus allen möglichen Problemzonen integrieren und beherbergen? Alleine in Ghana und Nigeria, Länder die in Afrika gut entwickelt und organisiert sind, können sich 75 Prozent der Bevölkerung vorstellen wegzugehen. Viele andere Staaten sind auf diesem Kontinent desaströser aufgestellt. Wenn man den menschlichen Impetus hat, ja ich will helfen, muss man sich doch auch fragen, wie weit das geht?
Andreas Babler: Leider zwingt man die Menschen aus diesen Ländern zur Flucht, da andere Parteien die Entwicklungs-zusammenarbeit heruntergefahren haben. Die Gelder wurden auch in Syrien und anderen Länder gekürzt und durch das kamen noch mehr Leute zu uns, da es kein Wasser mehr für den Ackerbau gibt und Ähnliches in diesen Ländern passiert. Fluchtursachen müssen vor Ort bekämpft werden. Wir sind die einzigen, die ein Konzept haben, dass sich die Menschen in diesen Ländern nicht auf den Weg zu uns machen müssen.
LEADERSNET: Das Migrationsthema ist in Österreich ein ganz heikles Thema. Die Zahlen für Asylwerber gehen zurück, aber das Thema bleibt. Auf dem Thema wird Kickl spielen und das ist eines seiner Erfolgsrezepte. Die SPÖ hatte hier lange einen Schlingerkurs. Es gab einmal dieses Doskozil-Kaiser-Migrationspapier, welches durchaus pragmatisch war. Sie sagten in einem ersten Anflug, dass wir etwas Neues benötigen, was für Unmut in der eigenen Partei sorgte. Brauchen Sie bei diesem heiklen Thema, wo viele die Angst vor fremden Kulturen schüren, nicht eine klare Linie?
Andreas Babler: Ich habe mich an diesem Papier beteiligt. Das Papier ist nach wie vor aktuell und eine generelle Leitlinie. Man muss natürlich tagesaktuelle Entwicklungen in Betracht ziehen und mitunter nachschärfen. Das Migrationsthema ist für uns eines von vielen Themen, aber man darf nicht so tun, als könnte man mit Migrationsfragen soziale Probleme lösen. Keine Pensionistin hat einen Cent mehr, wenn wir Flüchtlinge schlecht behandeln. Kein Kind wird aus der Armut geholt, wenn wir die Grenzen dichtmachen.
LEADERSNET: Man gewinnt den Eindruck, dass für viele nationalpopulistische Parteien die Zuwanderung ein Geschenk ist. Aber haben diese Parteien nicht zu wenig anzubieten? Ein Programm für die Unzufriedenen, die Heimatlosen, die die mit der Moderne fremdeln? Ein Beispiel: Die polnische Regierungspartei PiS scheut sich vor keinen Ressentiment, wenn es um Zuwanderer und Ausländer geht. Alleine letztes Jahr hat diese Partei knapp 140.000 Ausländer zuwandern lassen. Und warum? Weil sie die Arbeitsplätze nicht besetzen konnten... In anderen Teilen Europas dasselbe Bild... Man will die Verlustängste eines Teils der Gesellschaft politisch nutzen…
Andreas Babler: Wir haben es geschafft, aus der schlimmsten Lage in Traiskirchen gut rauszukommen und haben gezeigt, dass es geht – wir haben eine dreiviertel Mehrheit in meiner Stadt geholt. Auf Flüchtlinge hinzuschlagen, führt zu nichts – es schafft nicht mehr Wohlstand, mehr Arbeits- oder Pflegeplätze. Wie konzentrieren uns darauf, Win-Win-Situationen zu schaffen und nicht Hass zu schüren.
LEADERSNET: Sie wollen die Sozialdemokratie als Erster gestalten, was bedeutet, dass Sie auch Bundeskanzler werden wollen. Was haben Sie vor bei der Nationalratswahl? Wollen Sie Kanzler werden? Wohin wollen Sie das Land steuern?
Andreas Babler: Ja, ich will Kanzler werden. Ich will das Land zurück zur Gerechtigkeit führen und eingreifen, wenn die Reichen immer reicher werden, während für die Mehrheit der Menschen immer weniger vom erwirtschafteten Wohlstand übrig bleibt. Jeder soll seinen Beitrag leisten und das bedeutet auch Transparenz. Die Covid-Förderungen zeigten, einige wenige mit Milliarden-Förderungen profitierten davon. Es braucht endlich Fortschritte in diesem Land. Kinder-Armut ist eine riesige Schande in diesem Land – jedes fünfte Kind ist davon direkt oder indirekt betroffen. Ebenso Benachteiligung der Frauen und viele andere Themen, das würde hier den Rahmen sprengen.
LEADERSNET: Einer der Gründe warum das Bild das die SPÖ in den letzten Monaten abgegeben hat, desaströs war, war das Pamala Rendi-Wagner nicht freiwillig zurückgetreten ist. Man sollte in diesem Geschäft auch ein guter Verlierer sein, ansonsten schädigt man auch andere – in diesem Fall die gesamte SPÖ. Was passiert wenn Sie ein schlechtes Ergebnis bei der nächsten Nationalratswahl abliefern? Ziehen Sie dann die Konsequenzen und gehen?
Andreas Babler: Ich beabsichtige ein fulminantes Ergebnis für die Sozialdemokratie zu erzielen. Es ging die letzten 20 Jahre in nur eine Richtung – es ging stetig bergab mit uns… Gleichzeitig vertreten wir aber mit unserem Programm mehr als 96 Prozent der Haushalte – nicht nur Arbeitnehmer auch Wirtschaftstreibende. Mein Ziel ist es, die Partei zu stärken und das mit aller notwenigen Kraft.
LEADERSNET: Was wollen Sie den arbeitenden Menschen zurückgeben und was beschäftigungslosen Menschen? Ein großer Teil der arbeitsuchenden Menschen sind ältere Arbeitnehmer und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Was wollen Sie für diese Menschen in unserem Land tun?
Andreas Babler: Ich will den Menschen eine politische Vertretung geben. Wir vertreten Arbeitnehmerrechte als einzige Partei – nicht nur historisch, sondern auch in der Gegenwart. Wir sprechen mit Respekt und Würde mit Menschen und haben immer auch die Leistungsträger im Blick – jene, die jeden Tag aufstehen und sich an die Arbeit machen. Wir wollen auch einen fairen Umgang mit Pensionisten und dies vor allem auch vor dem Hintergrund horrender Preissteigerungen in unserem Land.
LEADERSNET: Was fahren Sie für einen wirtschaftspolitischen Kurs? Was für ein Angebot machen Sie den Unternehmen? Dazu kommt, dass es in Österreich mehr als 350.000 Ein-Personen-Unternehmen gibt, welche um Ihr tägliches wirtschaftliches Überleben kämpfen.
Andreas Babler: Wir sind die modernste Wirtschaftspartei, weil wir nämlich die gesamte Wirtschaft vertreten. Die Großspender sind nicht von Interesse, die dann auf den Förderlisten ganz oben aufscheinen. Als Partei stehen wir auf Seiten der Einzelunternehmen und Ein-Personen-Unternehmen, welche aufgrund vergangener Krisen besonders zu leiden hatten. Wir schauen, dass auch diese gerechte Förderungen bekommen. Wir haben die besten Konzepte, was Standortsicherung betrifft. Unsere Konzepte betreffen ebenso die Großindustrie, welcher durch Klimaänderungs- und der Wandlung von Umweltprozessen, ebenso zur Modernisierung und Schaffung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile verholfen werden kann. So sichern wir zig tausende Arbeitsplätze. Es braucht eine pragmatische Wirtschaftspolitik mit der festen Verankerung von Arbeitnehmerrechten.
© Von Team Basis - Babler.Portrait, CC BY 2.0
LEADERSNET: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gab erst kürzlich ein 2-seitiges Interview, wovon mehr als eine Seite davon handelte, was den "Normaldenker" für Menschen seien. Führen solche Diskussionen nicht komplett an den Menschen unserer Gesellschaft vorbei?
Andreas Babler: Die "Normaldebatte" ist eine Scheindebatte und beleidigt die Menschen in unserem Land. In denke es gibt viele andere und wichtigere Probleme in unserem Land, welche die Menschen bewegen und die zuerst gelöst werden müssten, als sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen.
LEADERSNET: Der WWF erhob erst kürzlich, dass Bundeländer wie die Steiermark pro Tag etwa 2,5 Hektar Land verbrauchen. Dies war das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung für ganz Österreich. Als Mittel gegen Hitze in Städten und Überschwemmungen, wäre unbebautes Land jedoch wichtig.
Andreas Babler: Es gibt leider hier überhaupt kein stichhaltiges Konzept für alle Gemeinden und Städte in unserem Land. Es gibt keine Strategie, die hier eine Hilfestellung bietet. Als Bürgermeister bemühte ich mich "Nachhaltigkeits-Abteilungen", Grün-Raum-Zonen u.Ä zu schaffen. Ich musste das alles selbst finanzieren und Konzepte ausarbeiten. Gleichzeitig gibt es dank der Bundesregierung seit mehr als 950 Tage kein Klimaschutzgesetz und keine Klimastrategie in unserem Land.
LEADERSNET: Was wissen Sie heute über die Wirtschaft, die Politik oder das Leben, was Sie gerne bereits vor 30 Jahre darüber gewusst hätten, wie Sie damit angefangen haben?
Andreas Babler: Man lernt nie aus. Ich bin ökonomisch sehr interessiert, aber auch in vielen anderen Fragen des Lebens umfassend informiert. Natürlich habe ich Berater, und sie stehen mir auch zur Seite, wenn ich sie brauche – es gibt viele intelligente Menschen, und auf diese greife ich gerne zurück.
LEADERSNET: Worin sehen Sie den Sinn im Leben? Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Andreas Babler: Der Sinn des Lebens ist, nie Menschen als Probleme zu sehen, sondern die Bedingungen unter denen Menschen leben und dementsprechend Politik zu machen, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.
LEADERSNET: Sie sind Vater einer 8-jährigen Tochter. Entgegen dem gesellschaftlichen Klischee, hat Ihnen Ihre Frau den Eheantrag gemacht. Wie gehen Sie mit dem Spagat zwischen Politikmanager und Familie um? Wie finden Sie genug Zeit?
Andreas Babler: Ich bin ein anderer Politikertypus. Ich habe auch eine politische Frau, die mir hilft und die, wie ich, ebenso einen pragmatischen Zugang dazu hat.
LEADERSNET: Sie gelten als großer Falco-Fan. Wie kam es dazu? Weil er sich aus einfachen Verhältnissen an die Spitze schaffte?
Andreas Babler: Sicherlich ein sehr bemerkenswerter Mensch und die Karriere, die er hingelegt hat. Seinen Start hatte er in kleinen "Probe-Kellern" in Meidling und Guntramsdorf – also auch sehr nahe bei mir. Er war und ist ein wahnsinnig großes Aushängeschild für Österreich. Sehr beeindruckend.
Kommentar schreiben