"Die Immobilienbranche neigt dazu, die Verantwortung abzuschieben"

Wie steht es um die ökologische Transformation im Bau- und Wohnsektor? Philipp Smula, Geschäftsführer der Aurez Immobilien GmbH, spricht im LEADERSNET-Interview über Green Building, lebbare Nachhaltigkeitsstrategien, soziale Verantwortung im Großen sowie Kleinen und wo dringender Nachholbedarf herrscht. 

LEADERSNET: Herr Smula, warum sollte sich die Immobilienbranche eingehender mit Nachhaltigkeit beschäftigen?

Philipp Smula: In der Immobilien- und Baubranche liegt sowohl viel Potenzial als auch das Geld für tiefgreifende Nachhaltigkeitsinitiativen. Der Sektor ist bekanntlich für rund 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Es ist also schlichtweg ein Muss, hier anzusetzen und Bestands- wie auch Neubauten in Richtung Green bzw. Blue Building mit geringem ökologischen Fußabdruck zu entwickeln. Gleichzeitig ist die Wirtschaftsleistung im Immobiliensektor – trotz der aktuellen Herausforderungen – gewaltig. Man kann es sich gegenüber manch anderer Branche also durchaus "leisten", die Dinge besser und nachhaltiger anzugehen.

LEADERSNET: Sehen Sie hier Nachholbedarf?

Smula: Im Bereich ressourcenschonendes und energieeffizientes Bauen gibt es bereits vielversprechende Initiativen, Produkte und Konzepte, die nach und nach auch hierzulande Anwendung finden. Gefühlt hapert es vor allem auf Unternehmensseite. Viele Nachhaltigkeitsmaßnahmen werden derzeit nur aus Zwang, gesellschaftlichem Druck oder finanziellen Anreizen umgesetzt, weniger aus tiefer Überzeugung. Was vielen Unternehmen fehlt, ist also ein starkes und gelebtes Bewusstsein für Nachhaltigkeit, das alle Hierarchien und Geschäftsbereiche durchdringt. Nur Unternehmen, deren Belegschaft gesamtheitlich hinter Klimaschutz und Nachhaltigkeit steht und auch Verantwortung übernehmen will, entwickelt den nötigen Drive, um relevante Veränderungen durchzusetzen.

LEADERSNET: Beobachten Sie als Insider, dass sich ein grünes Bewusstsein in der Branche immer mehr durchsetzt?

Smula: Es hat sich gerade in den letzten Jahren einiges getan. Doch die Immobilienbranche neigt immer noch schwer dazu, die Verantwortung alleinig bei Architekt:innen, Bauingenieur:innen und Projektentwickler:innen zu suchen. Sie sollen die Lösungen finden, die wir jetzt und in Zukunft brauchen. Doch auch andere Akteur:innen wie Makler:innen, Immobilienmanager:innen und Investor:innen müssen mit am Strang ziehen. Sie sind wichtige Multiplikatoren innerhalb der Branche sowie hin zum:zur Endkonsument:in – den Wohnungssuchenden. Wir bei Aurez Immobilien möchten uns als solche Multiplikatoren verstehen. Wir sprechen mit Immobilien-Abgeber:innen über Nachholbedarf bei ihren Projekten und regen aktiv Maßnahmen an. Ebenso klären wir Wohnungssuchende auf, warum es sich lohnen wird, in eine energieeffiziente, nachhaltig entwickelte Immobilie zu investieren.

LEADERSNET: Wie schlägt sich Österreich im internationalen Vergleich? Wird hierzulande mehr oder weniger soziale Verantwortung übernommen?

Smula: Wir sind mit unseren Unternehmensmarken Aure Immobilien und Aurelie Immobilien überwiegend in Wien und Umgebung tätig. Eine konkrete Einstufung Österreichs im internationalen Vergleich zu treffen, fällt daher schwer. Herauszustreichen ist hierzulande aber sicherlich die Arbeit der ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft), die mit ihren Zertifizierungen eine fundierte Einordnung von Gebäuden hinsichtlich ihres ökologischen und soziokulturellen Mehrwert geschaffen hat und damit Standards setzt. Wir bei Aurez Immobilien begrüßen diese Initiative sehr und sind selbst ÖGNI-Mitglied. Was die Zertifizierung von Gebäuden betrifft, sind manche europäische Staaten sicherlich noch weniger weit.

LEADERSNET: Wo fängt Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche an und wo hört sie auf?

Smula: Wie auch in anderen Sektoren gilt es die gesamte ESG-Palette, also Environmental, Social und Governance, zu berücksichtigen – da gibt es keine Ausnahmen für die Immobilienwirtschaft. Im Environmental- bzw. Umweltbereich ist der Handlungsbedarf überwiegend bekannt – viele Unternehmen vergessen aber auf die soziale Verantwortung, die sie als Arbeitgeber tragen. Es ist Teil des nachhaltigen Grundgedankens, die Zufriedenheit sowie die mentale und körperliche Gesundheit von Mitarbeiter:innen zu schützen und mit Weiterbildungsinitiativen deren langfristigen Erfolg im Berufsleben sicherzustellen.

LEADERSNET: Was sind die wichtigsten Trends in Bezug auf Green Building?

Smula: Alles um das Thema Ressourcen- und Energieeffizienz. Energieeffiziente Konzepte wie Luftwärmepumpen, Betonkernaktivierung und Photovoltaikanlagen werden hierzulande bereits eifrig verbaut. Beim Thema nachhaltige Materialien herrscht noch eine gewisse Zögerlichkeit aufgrund der derzeit hohen Materialkosten. Hier gäbe es großartige Innovationen wie beispielsweise Dämmstoffe aus Schafswolle und verschiedenste Holzbauweisen, die hoffentlich bald stärker genutzt werden. Ein nicht zu veranlassender Ansatzpunkt des Green Buildings ist auch das Wohlbefinden der Bewohner:innen. Künftig wird man sich mehr mit Raumluftqualität, Integration von Tageslicht, Harmonie von Grundrissen und der Schaffung sozialer Treffpunkte beschäftigen.

LEADERSNET: Inwiefern können nachhaltige Initiativen auch die eigene wirtschaftliche Resilienz der Unternehmen steigern?

Smula: Nachhaltige Lösungen zahlen sich – wie das Wort selbst andeutet – langfristig aus. Gewiss wird sich die Marktnachfrage rasch in Richtung nachhaltiger Gebäude, Konzepte und Leistungen entwickeln. Wer den Anschluss verpasst, riskiert, irrelevant zu werden. Die nachhaltige Ressourcenoptimierung wiederum birgt gerade im Baubereich Potential zur Kostenoptimierung. Doch auch die soziale Nachhaltigkeit eines Unternehmens trägt der wirtschaftlichen Resilienz bei: Investiert man in die Gesundheit und Weiterbildung der Belegschaft, minimiert man das Risiko von Fluktuation.

LEADERSNET: In welcher Form übernimmt AURE Immobilien soziale Verantwortung?

Smula: Konkret haben wir bei Aurez Immobilien schon im vergangenen Jahr das Modell der 4-Tage-Woche eingeführt, um neben der oft anspruchsvollen Arbeit genug Raum für Privatleben, Ausbildung und Erholung zu schaffen. Auch mit dem Thema Urlaub gehen wir flexibel um und ermöglichen bei Bedarf weitaus mehr als der Gesetzgeber vorschreibt. Wir sind überzeugt, dass dieses flexible Arbeitsmodell die Zufriedenheit im Teams steigert und gleichzeitig dafür sorgt, dass Aufgaben motivierter angegangen und tolle Leistungen für unsere Kund:innen erzielt werden. Darüber hinaus unterstützen wir unsere Mitarbeiter:innen mit einem täglichen Essenszuschuss, der einer gesunden Ernährung beitragen soll. Schlussendlich wollen wir soziale Verantwortung übernehmen, indem wir ein gesundes und modernes Unternehmen vorleben, das vielleicht auch andere inspiriert.

LEADERSNET: Ist Nachhaltigkeit auch Ihnen persönlich ein Anliegen?

Smula: Ich habe ein hohes Nachhaltigkeitsbewusstsein und nehme das Thema im Privaten wie beruflich sehr ernst. Durch verschiedene akademische Weiterbildungen und Seminare habe ich mir ein breites Verständnis angeeignet und versuche dieses als Geschäftsführer ins Unternehmen zu tragen. Oft passiert das natürlich durch zunächst kleine Maßnahmen. Wir haben beispielsweise auf Recycling-Papier und umweltbewusste Drucksorten umgestellt, trinken fairen Kaffee, Hafermilch und regionale Bio-Getränke und nutzen wann immer es geht das Fahrrad oder die Öffis. Klar, wird über meinen "Weltverbesserungsdrang" ab und an geschmunzelt. Doch ich spüre, dass die Veränderungen, die ich laufend setze, letztlich immer positiv aufgenommen werden und das Bewusstsein im Team schärfen.

LEADERSNET: Sie gehören zu den Jungunternehmern in der Branche. Rührt Ihr Engagement aus der Tatsache, dass Sie einer neuen Generation angehören?

Smula: Ich bin nicht nur ein junger Geschäftsführer, auch der Altersschnitt unseres 20-köpfigen Teams liegt deutlich unter 30 Jahren. Viele unserer Mitarbeiter:innen haben bei uns ihre erste richtige Anstellung gefunden oder arbeiten neben dem Studium. Wir denken entsprechend modern und sind sicherlich auch aus dem akademischen Kontext heraus hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz besser aufgeklärt als ältere Generationen. Ich erkenne dadurch auch immer wieder Marktvorteile und Chancen.

LEADERSNET: Was bedarf es, damit ein Umdenken stattfindet?

Smula: Wir können im Kleinen so viel optimieren, wie wir wollen, letztlich braucht es aber schleunigst klare Entscheidungen, Richtwerte und Reglementierungen von Seiten nationaler und EU-Politik. ESG-Kriterien, EU-Taxonomie sowie europäische Klimaziele und -Abkommen sorgen seit Jahren für mehr Verwirrung als Klarheit – niemand in der Branche weiß so richtig, was es in den nächsten Jahren wirklich umzusetzen gilt. Hier muss Aufklärung geschaffen werden und zudem ein harter Kurs gefahren werden. Dann wird sich zwangsläufig auch das gesellschaftliche und ökonomische Bewusstsein weiterentwickeln.

www.aure-immobilien.at

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