LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Heindl, Sie leiten die 32 Eigenfilialen des im Jahr 1953 gegründeten Familienunternehmens Confiserie Heindl. War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie in den Betrieb einsteigen wollen, oder hatten Sie eigentlich andere Pläne?
Heindl: Meine Großeltern haben die Confiserie Heindl im Jahr 1953 gegründet. Da wir durch und durch ein Familienbetrieb sind, haben meine Schwester Caroline und ich über meine Eltern und Großeltern schon als Kinder viel mitbekommen. Als wir beispielsweise im Filialaufbau waren und meine Mutter in einem unserer Shops gearbeitet hat, habe ich dort quasi im hinteren Raum meine Hausaufgaben gemacht. Oft haben wir auch meine Schulfreundinnen in die Produktion mitgenommen, wo wir nach Herzenslust genascht haben – natürlich war ich in der Schule sehr beliebt.
In Hochsaisonen, wie Ostern und Weihnachten, haben wir immer alle mitgeholfen und zusammengehalten, egal ob beim Ausliefern der Ware oder in einem unserer Shops. Trotzdem wollte ich auch in anderen Unternehmen und in Bereichen, die mit der Süßwarenbranche nichts zu tun haben, Erfahrungen sammeln. Daher habe ich etwa bei Lauda Air gearbeitet und war viel international unterwegs. Aus meiner Zeit dort habe ich viel Knowhow rund um Kundenbetreuung, Service-Orientierung und perfektionistische Umsetzung von Corporate Identity mitgenommen. Wenn man in einem Konzern arbeitet, in dem es Richtlinien für alles gibt und Prozesse von A bis Z durchstrukturiert sind, ist es zunächst eine Umstellung, in einen Familienbetrieb zu wechseln. Seit 2009 bin ich nun Vollzeit im Unternehmen tätig und verantworte im Prinzip den gesamten Außenauftritt der Confiserie Heindl – vor allem die Eigenfilialen, aber auch die Bereiche Marketing und Sales. Am meisten freut es mich, wenn ich sehe, wie sich die Mitarbeiter:innen in den Filialen weiterentwickeln. Dabei ist es mir ein Anliegen, bewusst jene zu fördern, die Engagement zeigen und sich mit dem Unternehmen identifizieren.
LEADERSNET: Die Corona-Pandemie war für den Handel allgemein eine immense Belastung. Ist es Ihnen gelungen, alle Mitarbeiter:innen zu halten, oder mussten Sie sich von einigen trennen?
Heindl: Dank unseres Kundenbindungsprogramms "SchokoClub" (mittlerweile über 120.000 Mitglieder) konnten wir auch während der Pandemie unsere Stammkund:innen erreichen und so rund die Hälfte unseres Filialumsatzes erhalten und zusätzlich die Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Lebensmittelhandel intensivieren. Der – damals neu installierte - Online-Shop hat ebenfalls mitgeholfen, die Umsatzverluste in Grenzen zu halten. Dennoch haben wir 2020 einen Teil der bereits fertig produzierten Osterware im Wert von rund 200.000 Euro an das Rote Kreuz sowie den Arbeiter Samariterbund gespendet. Wir waren sehr froh, trotz aller Herausforderungen während der gesamten Pandemiezeit, tatsächlich alle rund 250 Mitarbeiter:innen im Unternehmen halten zu können. Das Kurzarbeitsmodell war hier hilfreich. Und wir haben die Krise als Chance genutzt: neue Filialen eröffnet und einige bestehende renoviert. Dies war jedoch nur möglich, weil wir in all den Jahren davor, stets sehr verantwortungsvoll gewirtschaftet haben und so auf einen "Polster" zurückgreifen konnten.
Aktuell kommen auch Tourist:innen wieder verstärkt nach Wien bzw. Österreich. Dies wirkt sich ganz besonders und unmittelbar auf unsere Filialen in der Wiener Innenstadt (z.B. Kohlmarkt, Stephansplatz, Kärntner Straße) und auf der Mariahilfer-Straße aus sowie mittelbar auf die Umsätze z.B. am Wiener Flughafen. Dank dieser guten Entwicklung suchen wir in vielen Bereichen und Abteilungen – u.a. im Verkauf, Produktion und Back-Office - Verstärkung für unser Team.
LEADERSNET: 2020 hat die Confiserie Heindl einen Online-Shop an den Start gebracht. Wie hat sich dieser entwickelt und stellt er eigentlich eine Konkurrenz zu den Filialen dar?
Heindl: Richtig. Der Online-Shop hat sich vor dem Hintergrund regelmäßiger Lockdowns rasch etabliert und ist damals sehr gut gelaufen. Nun ist er auf dem Niveau einer guten Filiale. Dadurch, dass es viele beliebte Artikel, beispielsweise unsere handgemachten Geschenk-Kreationen oder, jetzt für Ostern, unsere einzigartigen Präsent-Eier und Schoko-Hasen nur in den Shops gibt (Bruchgefahr bei Versand), bevorzugen die meisten unserer Kund:innen den Einkauf vor Ort.
LEADERSNET: Aktuell kämpft die gesamte Wirtschaft mit Krisen wie stark gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten, einer hohen Inflation oder Verunsicherung durch den Krieg in der Ukraine. Wie geht Ihr Unternehmen mit diesen Herausforderungen um?
Heindl: Die aktuelle Situation ist für uns wie ein Tauziehen gegen die Preisspirale. Die Energiekosten haben sich versiebenfacht und bei Rohstoffen, die für die Pralinenherstellung essenziell sind, gibt es Verknappungen und Preissteigerungen. Durchschnittlich sind die Preise für Rohstoffe um rund 25 Prozent gestiegen – z.B. Schokolade +26 Prozent, Zucker +60 Prozent, +40 Prozent Verpackungen. Gleichzeitig ist die Transportkostensteigerung eklatant. Obwohl wir schon seit vielen Jahren größtes Augenmerk auf energiesparende sowie nachhaltige Investitionen legen (wir haben 2012 unseren Firmensitz inkl. Produktion komplett thermisch saniert und u.a. die damals größte private Photovoltaikanlage Wiens installiert), können wir trotz intensiven Bemühungen die Kostenexplosion nicht mehr abfedern. Daher mussten wir, auch aus Verantwortung unseren Mitarbeiter:innen gegenüber, eine moderate Preisanpassung vornehmen. Obwohl wir mit diesen immensen Preissteigerungen konfrontiert sind, bleiben wir unserer Unternehmensleitlinie treu. Wir sparen nicht bei der Qualität unserer Spezialitäten, weil uns hochwertige, regionale Rohstoffe (von Lieferanten wie Agrana, Darbo und Stroh) und 100 Prozent Fairtrade-Kakao wichtig sind. Wenn die Teuerungen sich weiterhin in diesem Ausmaß fortsetzen, werden wir in anderen Bereichen weiteres Einsparungspotential suchen und finden müssen – eventuell zusammen mit weiteren Preisanpassungen. Auf diese hat unsere Kundschaft bisher mit vollstem Verständnis reagiert. In Summe haben wir vom Umsatz her bisher eines der besten Jahre in der Unternehmensgeschichte, der Ertrag wird aufgrund der enormen Teuerungen mit Sicherheit mäßiger ausfallen.
LEADERSNET: Ein weiteres Thema, das aktuell alle Branchen beschäftigt, ist der eklatante Fachkräftemangel. Was machen Sie, um gute Mitarbeiter:innen zu halten und neue zu gewinnen?
Heindl: Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt bei uns bei etwa acht bis zehn Jahren. Der Frauenanteil liegt bei 85 Prozent und elf von 15 Abteilungen stehen unter weiblicher Leitung. Das ist gelebte Chancengleichheit. Betriebsklima zählt heute mehr als zugekaufte Benefits. Gute Arbeitsatmosphäre wird sehr geschätzt und die kann man sich im Gegensatz zu anderen Dingen nicht selbst kaufen. Wir berücksichtigen persönliche und familiäre Umstände gerne und wenn immer möglich – so etwa Wünsche hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsplatz. Wir haben viele karenzierte oder pensionierte Mitarbeiter:innen, die weiterhin geringfügig bei uns beschäftigt sein möchten. Unser Ziel ist es, erfahrene, langjährige Mitarbeiter:innen und deren Expertise im Unternehmen zu behalten. Ebenso setzen wir als Familienunternehmen auf flache Hierarchien und kurze, persönliche Entscheidungswege. Meine Tür steht allen Mitarbeiter:innen immer offen. Zu Weihnachten haben wir heuer pro Person einen Bonus von 500 Euro ausgezahlt, als Anerkennung für das tägliche Engagement.
Zudem haben wir außerhalb der Saisonen – nach dem Vorbild der Baubranche – in der Produktion die 4/5-Tage-Woche eingeführt. Sprich, wir arbeiten abwechselnd vier Tage (Montag bis Donnerstag) und fünf Tage (Montag bis Freitag) bei gleichbleibender Stundenanzahl, sofern es die Auftragssituation zulässt. Das ist eine Win-Win-Situation. Einerseits freuen sich unsere Mitarbeiter:innen über einen Tag weniger Fahrt und somit auch geringere Benzinkosten (einige kommen z.B. aus dem Burgenland). Andererseits ist es aus Energieeffizienz-Gründen vorteilhaft, wenn wir die Maschinen an einem Tag länger laufen lassen, statt an aufeinanderfolgenden Tagen ein- und auszuschalten.
LEADERSNET: Dürfen sich Ihre Kund:innen in diesem Jahr auf Neuheiten freuen und wenn ja, welche?
Heindl: Wir feiern heuer unser 70-jähriges Bestehen (Heindl wurde 1953 gegründet) und haben uns dafür einige Neuheiten überlegt. Ganz aktuell für die Ostersaison haben wir, aufgrund der hohen Nachfrage unserer Kundschaft nach veganen Spezialitäten, erstmals einen veganen Osterhasen aus Edelbitter-Schokolade kreiert. Was ihn so besonders macht, ist die spezielle Rezeptur der Schokolade mit Edel-Kakao und reiner Kakaobutter – beides, wie übrigens alle unsere Spezialitäten, zu 100 Prozent aus fairem Handel. Der Hase hat einen sehr zarten Schmelz, was sie Schokolade sehr mild, beinahe cremig schmecken lässt.
Zudem wird es nach der Ostersaison eine weitere große Überraschung geben...wir stellen eine absolute Neuheit vor, die es in der Unternehmensgeschichte von Heindl noch nie gab. Innerhalb dieser Sparte sind unterschiedliche Variationen geplant...mehr möchte ich dazu aber noch nicht verraten.
Ein Jubiläumsevent für Kund:innen, Mitarbeiter:innen und Freunde haben wir für Herbst vorgesehen.
LEADERSNET: Welche Ziele hat sich die Confiserie Heindl für das Jahr 2023 allgemein gesteckt?
Heindl: In den letzten Jahren haben wir die Zusammenarbeit mit dem Großhandel stark intensiviert – nicht nur in Österreich, sondern speziell auch in Deutschland. Gerade dort konnten wir kürzlich einige große Kooperationen abschließen, die wir im heurigen Jahr noch weiter ausbauen möchten; weiters bemühen wir uns auch international verstärkt präsent zu sein. Gleichzeitig liegt der zweite Fokus auch auf der Erweiterung unseres Filialnetzes im Inland. Wir sind hier laufend auf der Suche nach neuen Standorten in Bestlagen. Aktuell sind wir im Osten Österreichs sehr stark vertreten, aber unser Blick richtet sich auch in Richtung Westen, etwa Salzburg.
Was neue Vertriebskanäle anbelangt sind wir erfolgreich ins deutsche Teleshopping eingestiegen – ich darf unsere Spezialitäten regelmäßig beim bayrischen Sender 1-2-3.tv präsentieren. Das läuft sehr gut, daher möchten wir hier weiter aufbauen.
LEADERSNET: Abschließend noch eine Frage anlässlich des Weltfrauentages. Was raten Sie als erfolgreiche Managerin, jungen Frauen, die Karriere machen wollen?
Heindl: Ich rate zu mehr Selbstbewusstsein, Durchsetzungskraft, Ehrgeiz und Mut. Frauen sind oft zu verhalten und trauen sich zu wenig zu. Vielversprechende Chancen werden oft aufgrund von (zu) hohem Sicherheitsbedürfnis abgelehnt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die besten Erfolge aber jene sind, die wir uns anfangs vielleicht nicht zutrauen und die wir nicht als "realistisch" einstufen. Auf der einen Seite ist ein gutes Empathie-Empfinden wichtig, aber genauso wesentlich ist es, dass man sich auch traut, ehrgeizig zu sein, Selbstbewusstsein zu zeigen, Ziele zu definieren und diese auch klar zu kommunizieren. Eine Hands-on-Mentalität (ohne dabei den Fokus zu verlieren oder gar zum Micro Manager zu werden) kann zudem nicht schaden – insbesondere in kleineren Betrieben und Familienunternehmen. Vor allem in Stoßzeiten sowie bei Neueröffnungen findet man mich meistens irgendwo zwischen bzw. in unseren 32 Shops...selbstverständlich in "Heindl-Uniform".
www.heindl.co.at
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