138,3 Mio. Euro Passiva: Bertsch Energy legt zweitgrößte Firmenpleite des Jahres hin

| Tobias Seifried 
| 14.12.2022

Insgesamt sind die Unternehmensinsolvenzen laut KSV1870 in diesem Jahr um fast 60 Prozent gestiegen. Zum Jahresende hat es noch einen großen Kraftwerksbauer erwischt.

Am Mittwoch hat der KSV1870 seine aktuelle Insolvenz-Hochrechnung für das heurige Jahr präsentiert. Demnach sind 2022 in Österreich um 57,2 Prozent mehr Unternehmen gegenüber 2021 von einer Insolvenz betroffen. Damit sei erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019 mit rund 5.000 Fällen nahezu erreicht worden. Alle neun Bundesländer verzeichnen Zuwächse. Die meisten Insolvenzen verzeichnen der Handel, die Bauwirtschaft sowie die Gastronomie. Die Zahl der betroffenen Mitarbeiter:innen ist auf 14.400 Personen und jene der betroffenen Gläubiger:innen auf 30.700 Geschädigte angewachsen.

Die größten Pleiten

Die größte Firmenpleite des Jahres betrifft jene der CPI Gruppe aus Wien mit geschätzten Passiva von rund 220 Millionen Euro (LEADERSNET berichtete). Insgesamt haben sich die Verbindlichkeiten gegenüber dem Vorjahr laut der offiziellen Hochrechnung um etwas mehr als 19 Prozent auf knapp 2,1 Milliarden Euro erhöht. Doch da die Bertsch Energy GmbH & Co KG nach der Erstellung der Hochrechnung noch einen Insolvenzantrag mit Passiva in der Höhe von 138,3 Millionen Euro gestellt hat, ist die Gesamtsumme noch einmal deutlich gestiegen. Da laut KSV1870 das Konkursverfahren soeben eröffnet wurde, erhöhen sich auch die berechneten Passiva 2022 auf insgesamt 2.235 Millionen Euro (+ 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr) statt 2.097 Millionen Euro.

Die Bertsch Energy GmbH & Co KG mit Sitz in Bludenz (Vorarlberg) ist in den Bereichen Errichtung von Kraftwerksanlagen und Herstellung von Abhitzesystemen und Prozessapparaten für die chemische und petrochemische Industrie tätig. Das Unternehmen hat 165 Mitarbeiter:innen (156 Angestellte, 5 Arbeiter:innen, 4 Lehrlinge); die Anzahl betroffener Gläubiger:innen liegt bei circa 465.

Gründe für den Anstieg

Der starke Zuwachs an Insolvenzen ist keine allzu große Überraschung. Denn die Liste an Herausforderungen, mit denen sich die Betriebe aktuell beschäftigen müssen, ist im Jahresverlauf nicht kleiner geworden. Explodierende Kosten, steigende Energie- und Rohstoffpreise, die hohe Inflation, erhöhte Zinsbelastungen und der akute Personalmangel belasten die Budgets der Unternehmen weiterhin massiv. "Angesichts der Vielzahl an Baustellen, mit denen sich die heimische Wirtschaft herumschlagen muss, ist es keine Überraschung, dass die Zahl der Firmenpleiten gegenüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte gestiegen ist", erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.

Demnach wurden in Österreich seit Jahresbeginn 4.770 Unternehmensinsolvenzen gezählt – ein Plus von 57,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei falle auf, dass insbesondere die Zahl der mangels Kostendeckung nicht eröffneten Fälle massiv gestiegen seien und auch hier wieder Sphären des Vorkrisenniveaus erreicht würden: Mussten im Vorjahr 974 Fälle abgewiesen werden, waren es heuer mit 1.874 Fälle beinahe doppelt so viele. "Wird eine Pleite mangels Kostendeckung nicht eröffnet, sind in dem insolventen Unternehmen nicht einmal mehr 4.000 Euro verfügbar, um Gerichtskosten zu finanzieren", so Götze und ergänzt: "Das ist sehr häufig ein Zeichen dafür, dass mit dem Insolvenzantrag solange zugewartet wurde, bis gar nichts mehr geht. In so einem Fall verliert das Unternehmen die Gewerbeberechtigung und müsste liquidiert werden. Der 'worst case' für alle. Denn sämtliche Mitarbeiter verlieren ihre Jobs und die Gläubiger:innen sehen keinen Cent."

50.000 zusätzliche Geschäftsschließungen

Abseits der Insolvenzen gab es in Österreich im Jahresverlauf fast 50.000 zusätzliche Geschäftsschließungen, wo sich die Eigentümer entschlossen haben, den Betrieb mehr oder weniger freiwillig einzustellen. Die Gründe dafür seien ebenfalls vielfältig. So sei es zum Beispiel nicht gelungen, einen Nachfolger zu finden oder eine Fortführung erschien aus wirtschaftlichen Blickwinkeln wenig sinnvoll. Dabei komme es nicht von ungefähr, dass es ausgerechnet heuer eine derart hohe Zahl an Schließungen gab: "Häufig lief das Geschäft schon vor der Corona-Krise wenig erfolgreich. Während der Pandemie wurde dann versucht, sich mit finanzieller Unterstützung über Wasser zu halten. Und jetzt, wo die staatlichen Hilfsgelder ausbleiben, geht es sich für viele Betriebe einfach nicht mehr aus", erklärt Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG.

Sämtliche Bundesländer betroffen

Ein Blick auf die Österreich-Karte zeigt der Hochrechnung zufolge, dass alle neun Bundesländer in diesem Jahr mehr Firmenpleiten zu verzeichnen haben als im vergangenen Jahr. Das deutlichste Plus: In Oberösterreich (+ 105,9 Prozent) und Tirol (+ 105,2 Prozent) haben sich die Unternehmensinsolvenzen zuletzt mehr als verdoppelt. Ganz im Osten des Landes, im Burgenland, fällt das Plus mit 33,9 Prozent verhältnismäßig am niedrigsten aus. In der Bundeshauptstadt Wien hat der KSV1870 in diesem Jahr 1.681 Pleiten gezählt, das entspricht einem Plus von 41,4 Prozent.

Passiva um ein Fünftel gestiegen

Parallel zu den Unternehmensinsolvenzen selbst haben sich in diesem Jahr auch die geschätzten Passiva erhöht. Seit Jänner 2022 – inklusive der neu hinzugekommenen Bertsch Energy GmbH & Co KG - auf gut 2,23 Milliarden Euro. Unabhängig davon sei im Jahresverlauf die Zahl der Firmenpleiten deutlich mehr angestiegen als jene der Passiva. Dadurch würde sich der jüngste Trend bestätigen: Unternehmensinsolvenzen werden zunehmend kleinteiliger. Insgesamt gab es bislang 31 Großinsolvenzen mit einem Volumen von jeweils über 10 Millionen Euro. Die größte Firmenpleite des Jahres verzeichnet die CPI Gruppe (rund 220 Mio. Euro Passiva) in Wien.

Am massivsten seien die Verbindlichkeiten in Vorarlberg und Tirol mit jeweils einem Plus von mehr als 200 Prozent gestiegen. In Kärnten würden die Pleiten hingegen deutlich kleinteiliger ausfallen. Im Süden Österreichs seien die Passiva um rund 80 Prozent gesunken, obwohl auch hier deutlich mehr Insolvenzen als im Vorjahr gezählt wurden.

Branchen und Betroffene

Was sich während des Jahres bereits abgezeichnet hat, wird nun von der Hochrechnung bestätigt. Die Branchen "Handel und Instandhaltung/Reparatur von Kfz" (871 Fälle), die Bauwirtschaft (778) und Tourismus/Gastronomie (585) sind auch am Ende des Jahres jene Bereiche mit den deutlich meisten Firmenpleiten, so der Kreditschutzverband. Alleine diese drei Branchen würden knapp die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen des Jahres ausmachen. Dabei falle auf, dass insbesondere der Handel mit massiven wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen habe. Bereits am Ende des dritten Quartals habe es in dieser Branche mehr Pleiten als am Ende des Vorjahres gegeben. "Unsere damalige Prognose, dass der Handel am Jahresende rund 900 Firmenpleiten zu Buche stehen haben wird, hat sich bewahrheitet. Hohe Energiepreise und fehlendes Personal haben die Unternehmen häufig in die Knie gezwungen", erläutert Götze.

Im Vergleich zum Vorjahr habe sich in den vergangenen zwölf Monaten die Zahl der von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffenen Mitarbeiter:innen ebenfalls deutlich erhöht – laut Hochrechnung um rund 46 Prozent auf insgesamt 14.400 Personen. "Diese Entwicklung ist auch jenen Unternehmen geschuldet, die nicht rechtzeitig eine Sanierung angestrebt und dadurch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen unnötigerweise aufs Spiel gesetzt haben", so Götze. Parallel dazu gibt es bei den Gläubiger:innen um knapp sechs Prozent mehr Geschädigte (30.700).

Ausblick auf 2023

Der KSV1870 geht davon aus, dass die aktuellen Entwicklungen weiter an Tempo zulegen werden und die Zahl der Firmenpleiten im kommenden Jahr steigen wird. "Wir befinden uns nach wie vor in einer Phase der Normalisierung des Insolvenzgeschehens, doch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen setzen den österreichischen Unternehmen mehr als sonst zu. Auch darauf ist die aktuelle Beschleunigung zurückzuführen", erklärt Götze. Und weiter: "Aus heutiger Sicht ist nicht davon auszugehen, dass der Staat ein weiteres Mal in einem dermaßen großen Ausmaß in den Wirtschaftskreislauf eingreifen wird, wie zu Beginn der Corona-Krise. Eine Fortsetzung der diesjährigen Insolvenzentwicklung ist wahrscheinlich."

Für das Jahr 2023 prognostiziert der Kreditschutzverband einen Anstieg der Firmenpleiten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich zwischen 5.500 und 6.000 Fällen. Das wären maximal rund 1.000 Pleiten mehr als vor der Corona-Krise.

www.ksv.at

Die Pleite bei Bertsch ist und war ein reines Führungsproblem. Dafür die wirtschaftliche Situation oder sogar Covid verantworlich zu machen, sind Ausreden und lenken von den wirlichen Problemen ab. Die Firma wäre früher oder später eh an die Wand gefahren worden.

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