Klitschko Fake: Warum nicht nur der Wiener Bürgermeister, sondern auch andere Politikgrößen auf die falschen Videocalls hereingefallen sind

Falsches Outfit, Sprachbarrieren und sonderbare Mail-Adresse: Der Polit-Krimi wird immer skurriler. Wer sind die Betrüger und was ist das Motiv?

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig fiel offenbar einem Deepfake, einer besonders sorgfältig manipulierten Videoschaltung, zum Opfer. Im Videotelefonat mit dem Kiewer Bürgermeister sei die Situation in der Ukraine besprochen worden, teilte Ludwig am Mittwoch via Twitter mit. Auch die Versorgung ukrainischer Flüchtlinge in Wien sei Thema gewesen. An sich nicht so spektakulär, aber es war nicht Vitali Klitschko, der das Gespräch geführt hat.

 

Aber nicht nur der Wiener Bürgermeister telefonierte mit Fake-Klitschko, auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey glaubte, ihren Kiewer Amtskollegen am anderen Ende der Leitung zu haben, und auch Madrids Stadtoberhaupt José Luis Martinez-Almeida fiel auf das "Deep Fake" herein.

Während die Amtskollegen angeblich aber sofort misstrauisch wurden und die Gespräche abbrachen, soll Ludwig laut dem stellvertretenden Bild-Chefredakteur Paul Ronzheimer die Täuschung nicht bemerkt haben.

 

Michael Ludwig verschickte nach seinem Gespräch am Mittwoch sogar eine Pressemitteilung. "Über lange Strecken des Gesprächs sind Themen behandelt worden, die voraussehbar waren. Am Ende ist er dann sehr fordernd geworden, und das war doch in einem etwas unüblichen Ton. Aber es hätte mich jetzt nicht dazu gebracht, jetzt irgendwie das zu hinterfragen, weil an und für sich auch von meiner Seite her keine Themen behandelt worden sind, die man nachträglich verändern hätte müssen", erklärte Ludwig später in einem Interview mit "Wien Heute".

Zu unvorsichtig

Angebahnt wurden die Gespräche via Mail. Die Kontaktaufnahme erfolgte mit einer gefälschten Email-Adresse und der Bitte nach einem Video-Termin. Absender war in allen drei Fällen die Email-Adresse "mayor.kyiv@ukr.net", die offiziellen Email-Adressen der ukrainischen Regierung lauten auf die Endung "gov.ua". Niemand war dies aufgefallen. Ein anderes Indiz war eine falsch gewählte Garderobe: Denn der unechte Klitschko trat bei der Videoschaltung in Pullover und Mantel in der Erscheinung, und das, obwohl in Kiew aktuell Sommertemperaturen mit mehr als 30 Grad herrschen.

Im "Fall Deutschland" hätte auch die Sprache für Misstrauen sorgen können: Normalerweise spricht Klitschko mit ausländischen Gesprächspartnern Deutsch oder Englisch, beim Gespräch mit Berlin bestand er auf Russisch. Der Gesprächspartner habe auch gefragt, ob Berlin Kiew bei der Ausrichtung eines Christopher Street Day helfen könnte. "Das war angesichts des Krieges schon mehr als seltsam", sagte Senatssprecherin Lisa Frerichs im Gespräch mit der Bild.

Das sagt der echte Klitschko

Der echte Klitschko meldete sich inzwischen auf Twitter zu Wort. 

Er gab bekannt, dass man nur die offiziellen Kanäle nutzen sollte, um mit ihm zu sprechen, und weist darauf hin, dass er in Sachen Deutsch und Englisch nie einen Übersetzer brauche.

Auch das Gespräch mit Michael Ludwig sei auf Englisch geführt worden, "was zugegebenermaßen etwas befremdlich war", so das Büro von Michael Ludwig. Dolmetscher seien nicht dabei gewesen. Das Gespräch habe etwa 20 Minuten gedauert, sicherheitsrelevante Themen habe man nicht besprochen.

Ludwig sagte, das Gespräch sei vor Längerem arrangiert worden und das auch "von durchaus sehr ernstzunehmenden Personen".

"Sah genau so aus"

Die deutsche Senatskanzlei geht von einer digitalen Manipulation aus, wie auf Twitter mitgeteilt wurde. "Es habe keinen Hinweis darauf gegeben, nicht mit einer realen Person zu sprechen. Es saß uns jemand gegenüber, der genau so aussah wie Vitali Klitschko, der sich so bewegt hat."

Bei Redaktionsschluss war noch völlig unklar, wer dahintersteckt. Krieg werde mit allen Mitteln geführt, es könne auch der russische Geheimdienst hinter den Telefonaten stecken, mutmaßt Giffey und spricht von Methoden, das Vertrauen zu untergraben und Partner und Verbündete der Ukraine zu diskreditieren.

"Direktion Staatschutz und Nachrichtendienst" steht zur Seite

Dieses Phänomen sei nicht neu und durch den Ende Mai präsentierten Nationalen Aktionsplan werden gemeinsam mit der Justiz umfangreiche Maßnahmen – vor allem auch zur Sensibilisierung – gesetzt, so die "Direktion Staatschutz und Nachrichtendienst". Die Behörde stehe im Vorfeld derartiger Gespräche gerne zur Verfügung. "Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sich vor der Videokonferenz an den Staatsschutz wendet und kooperiert. In diesem Fall gab es keine Kontaktaufnahme mit dem Staatsschutz im Vorfeld", so Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatschutz und Nachrichtendienst, in einer Aussendung des Innenministeriums. (jw)

www.dsn.gv.at

 

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