Alljährlich lädt Helvetia ihre Vertriebspartner zum traditionellen "Helvetia Partner Cercle", um den fachlichen Austausch in lockerer Atmosphäre und abseits des Tagesgeschäfts zu fördern. Top-Thema der Vortragsreihe war die österreichische Politlandschaft, Gastredner und Politologe Peter Filzmaier analysierte pointiert innenpolitische Gegebenheiten und ging auch auf die Coronakrise und deren Einfluss auf Politik und Wirtschaft ein. Im Zuge der Veranstaltung gab es die Gelegenheit, ihm Fragen zum Thema Corona und zu den Folgen der Krise für Unternehmen stellen.
LEADERSNET: Welche Branchen sind Ihrer Meinung nach die Verlierer beziehungsweise die Gewinner der Krise?
Filzmaier: Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist zu beachten, dass unabhängig von Gewinnen und Verlusten in der Pandemiezeit sich das Image eines Unternehmens verbessern oder verschlechtern kann. Es war für mich spannend zu beobachten, dass viele Unternehmen in der Krise zweifellos eher mehr als weniger Geschäft machten, aber aufpassen mussten nicht als profitgierige "Krisengewinner" dazustehen. Ein Maskenhersteller war hier das Negativbeispiel. Umgekehrt haben etwa Lieferdienste aller Art nicht nur gut verdient, sondern werden auch gesellschaftlich mehr anerkannt als früher.
LEADERSNET: Was waren, aus Ihrer Sicht, die wichtigsten Erkenntnisse für Unternehmen aus der Corona-Krise?
Filzmaier: Das ist sicherlich die Wichtigkeit von Onlinekommunikation, auch wenn man kein reiner Onlinehändler ist. Wer neue und soziale Medien erst in der Krise im "trial and error"-Verfahren ausprobierte, der hat bei Kundenkontakt und Kundenbindung noch viel Aufholbedarf.
LEADERSNET: Welche Trends haben sich durch die Corona-Krise ergeben bzw. verstärkt?
Filzmaier: Digitalisierung ist wohl der stärkste Trend. Als Politologe sehe ich das aber nicht nur als technische Innovation, sondern auch als Wandel der österreichischen Unternehmenskultur. Die Zahl der Traditionalisten mit dem Glauben, dass eine Besprechung oder Verhandlungen immer an Tischen mit den unvermeidlichen Kaffeetassen darauf stattfinden muss, die dürfte ja nun deutlich geringer geworden sein. Das ist eine Zukunftschance für den internationalen Wettbewerb.
LEADERSNET: Ist das Bewusstsein in der Gesellschaft für Vorsorge gestiegen?
Filzmaier: Hier wäre ich sehr skeptisch, was die Dauerhaftigkeit betrifft. Ganz egal, ob es nun um unmittelbare Gesundheitsvorsorge oder eine Vorsorge beispielsweise für die langfristige Liquidität des eigenen Unternehmens geht: Natürlich sagen da alle im Moment der Betroffenheit durch die Krise, dass sie aus der früheren Leichtfertigkeit und mangelnden strategischen Planung gelernt hätten. Doch kaum hofft man auf ein Ende der Pandemie, werden die guten Planungsvorsätze sofort wieder über Bord geworfen. Zur Veranschaulichung ein durchaus häufiger Fall aus meinem Fachgebiet: Hat nun jedes Unternehmen, das vor dem Frühjahr 2020 noch kein Handbuch für Krisenkommunikation erstellt hatte, nun ein solches verfasst? Sicher nicht.
LEADERSNET: Welche Exitszenarien sehen Sie für die Pandemie – Wie könnte eine "neue Welt" aussehen?
Filzmaier: Da aus der Pandemie ein endemischer Dauerzustand im Sinn von immer wieder neuen – wenn auch begrenzten – Ausbrüchen werden kann und laufend andere Viren Pandemien auslösen können, sollten wir uns vielleicht von der Vorstellung eines finalen Exitszenario verabschieden. Wir werden lernen müssen, dass weder das Selbstregulativ des freien Marktes noch Eingriffe des Staates uns vor allem schützen. Genauso müssen wir lernfähig sein, dass mehr Eigenverantwortung nicht in puren Egoismus ausarten darf. Auch beim Gewinnstreben und bei Verlustängsten in der Wirtschaft brauchen wir alle mehr gesamtgesellschaftliche Verantwortung, um mit den Zuständen in einer potentiell pandemischen Welt umzugehen. (jw)
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