LEADERSNET: Mercateo Unite feiert heuer sein 20-jähriges Jubiläum. Können Sie uns die Unternehmensgeschichte kurz skizzieren?
Kollmann: Der Österreicher Dr. Sebastian Wieser beschloss 1999, mit einem digitalen Marktplatz den Einkauf für Unternehmen effizienter zu machen. Im Jahr 2000 ging die Plattform live: Mercateo.com. 20 Jahre später beschäftigt Mercateo europaweit knapp 600 Mitarbeiter:innen und ist in 14 Ländern aktiv.
LEADERSNET: Es war also sehr mutig, 1999 mit einer so visionären Idee anzutreten?
Kollmann: Damals war der Beschaffungsmarkt für Geschäftskunden unübersichtlich, ein digitaler Marktplatz war eine Revolution.
LEADERSNET: Wie würden Sie einem Laien das Geschäftsmodell beschreiben?
Kollmann: Wir sorgen dafür, dass sich Unternehmen digital miteinander vernetzen, damit aus wertschöpfender Zusammenarbeit ein Nutzen für alle entsteht. Manche glauben an die zukünftig vollständige Automatisierung des Einkaufs. Wir glauben daran, dass durch Interaktion Wert entsteht.
Wir haben mehrere Standbeine: Einerseits betreiben wir Europas größte B2B-Beschaffungsplattform, mit der Unternehmen ihre Einkaufsprozesse digitalisieren. Darin eingebettet ist der Mercateo Marktplatz mit vielen Millionen Artikeln. Und wir betreiben ein integriertes B2B-Netzwerk, über das Kund:innen, Anbieter:innen, Hersteller:innen und Dienstleister:innen ihre Geschäftsbeziehungen digitalisieren.
LEADERSNET: Welchen Nutzen hat man als Einkäufer, welchen als Lieferant?
Kollmann: Wir bringen Einkäufer:innen und Lieferant:innen in gleicher Weise folgenden Mehrwert: Gemeinsam schließen wir die "digitale Lücke" im Einkauf, die zwischen Haus- und Hof-Lieferanten auf der einen Seite und unendlich vielen Online-Shops auf der anderen Seite besteht. Kunden erhalten sofortigen Zugriff auf eine große Lieferantenvielfalt - mit nur einem Login, einer Oberfläche, einem System.
Umgekehrt erhalten Lieferant:innen auf einen Schlag Zugang zu einer großen Anzahl neuer Kunden. Wir treten nicht in den Wettbewerb mit Lieferant:innen, wir haben weder eigenes Sortiment, noch eigenes Lager und Logistik. Wir bieten kleinen, noch wenig digitalisierten Lieferant:innen, dieselben Chancen wie großen Lieferant:innen!
LEADERSNET: Es geht bei Ihnen aber nicht nur um Prozesseffizienz und Profitabilität. Welche Werte vertritt das Unternehmen?
Kollmann: B2C-Plattformen wurden außerhalb Europas besetzt und sind in fester Hand von amerikanischen und asiatischen Unternehmen. Wir besetzen gemeinsam mit unseren Kund:innen und Lieferant:innen den B2B-Markt mit einer europäischen Plattform. Mit 20 Jahren Erfahrung bei Einkaufsprozessen wollen wir eine globale Vernetzungsplattform aufbauen und vorantreiben.
Wir bieten auf unseren Plattformen faire Bedingungen und ein faires Umfeld für alle Teilnehmer:innen. Beispielsweise haben kleine Lieferant:innen dieselben Möglichkeiten wie große Marktführer. Und gerade die kleineren bringen oft Innovationen und spezielle Services.
LEADERSNET: Spielt Nachhaltigkeit auch eine Rolle in Ihrem Geschäftsmodell?
Kollmann: Die Kund:innen haben es selbst in der Hand: Bei jedem einzelnen Einkauf entscheiden sie, ob ihr Unternehmen ein nachhaltiges Produkt kauft, ob sie bei einem nachhaltig agierenden Lieferanten bestellen. Im Business-Alltag nachhaltig einzukaufen ist aber gar nicht so einfach.
Wir sind uns der Verantwortung bewusst, und wir sehen unsere Rolle als B2B-Plattform darin, unseren Kund:innen relevante und qualifizierte Informationen zu bieten und ihre Aufmerksamkeit auf nachhaltige Produkte zu lenken. Auch Anbieter halten wir bewusst dazu an, nachhaltige Sortimente zur Verfügung zu stellen.
LEADERSNET: Mit Unite bieten Sie eine neutrale Infrastruktur für digitale Geschäftsbeziehungen, in der sowohl Einkäufer als auch Lieferanten von standardisierten Prozessen profitieren können. Wie funktioniert das?
Kollmann: Wir agieren nicht als Händler, sondern stellen mit unserer Plattform die Infrastruktur bereit. Sie können sich das als digitale Shopping Mall vorstellen, durch die Sie virtuell schlendern, Ihren Einkaufswagen befüllen und beim Verlassen der Shopping Mall mit einer Rechnung bezahlen.
LEADERSNET: Richten Sie sich nur an große Unternehmen oder sind KMU ebenso Ihre Zielgruppe?
Kollmann: Egal ob Sie als EPU tätig sind oder bei einem KMU oder Großkonzern arbeiten: Mercateo Unite bietet eine kostenlose, vorbefüllte Einkaufslösung, um den Einkauf in Ihrem Unternehmen zu digitalisieren. Tausende Unternehmen in Österreich nutzen uns bereits.
Die Annahme, dass solche Unternehmenslösungen monate- oder sogar jahrelange Vorarbeit bedingen, stimmt so nicht – mit unseren modularen Lösungen können Kunden jederzeit starten und das System flexibel ausbauen.
LEADERSNET: "Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheißdigitalen Prozess" sagte einst Thorsten Dirks, damals Vorstandsvorsitzender der Telefónica Deutschland Holding. Ihre Meinung dazu? Ist Digitalisierung also kein Allheilmittel?
Kollmann: Nein, Digitalisierung alleine ist nicht das Allheilmittel. Natürlich muss in Unternehmen umgedacht werden, denn ein schlechter Prozess bleibt, auch wenn er digitalisiert wird, ein schlechter Prozess.
LEADERSNET: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Unternehmen ausgewirkt
Kollmann: Zu Beginn haben wir mitgelitten. Als B2B-Plattform spürten wir die temporären Sperrungen von Unternehmen auf Grund der Lockdowns unmittelbar. Die Auswirkungen waren für uns allerdings kurzfristig, wir und unsere Partner konnten vom coronabedingten Digitalisierungsschub profitieren.
LEADERSNET: Konnten Sie auch im vergangenen Jahr die Beschaffung erfolgreich sicherstellen?
Kollmann: Wir betreiben kein eigenes Lager, sondern arbeiten mit tausenden Vorlieferanten und Herstellern zusammen, deren Sortimente und Verfügbarkeiten über die Plattform transparent ersichtlich sind. Dieser Umstand hat sehr vielen Kund:innen die Beschaffung auch in herausfordernden Zeiten extrem erleichtert.
LEADERSNET: Wie wollen Sie den B2B-Handel in Österreich revolutionieren? Was sind die Ziele konkret?
Kollmann: Als Mercateo Austria GmbH liegt uns die regionale Wertschöpfung am Herzen, natürlich zahlen wir hier auch unsere Steuern. Wir sind mit unseren lokalen Mitarbeiter:innen kompetente Ansprechpartner für unsere österreichischen Kunden und Lieferanten.
Und ich möchte an dieser Stelle die Leser:innen zur Kooperation mit uns einladen, sei es als Kunde oder Lieferant der Plattform – oder auch beides. Wir wollen die führende europäische B2B-Vernetzungsplattform werden, von der alle Teilnehmer gleichermaßen profitieren - in der Wirtschaft müssen nicht viele verlieren, damit wenige gewinnen.
Silvia Kollmann © Mercateo
LEADERSNET: Seit August 2021 sind Sie Geschäftsführerin der Mercateo Austria GmbH. Wie kam es dazu?
Kollmann: Ich startete 2014 als erste Vertriebsmitarbeiterin außerhalb Deutschlands. In einem kleinen schlagkräftigen Team hat man automatisch ein sehr breites Aufgabengebiet. Mit meinem Vertriebs- und IT-Background fand ich mich bei Mercateo sehr gut zurecht, ich konnte beides, sowohl kundenseitig als auch intern, gleichermaßen einbringen. Als 2018 der damalige Country Manager Christoph von Lattorff zum Head of International bei Mercateo wurde, schlug er mich als seine Nachfolgerin vor. Das war für mich eine großartige Chance, mich in unserem stark wachsenden multikulturellen Unternehmen, mit dessen Werten ich mich so gut identifizieren kann, weiterzuentwickeln. Umso mehr freut es mich, nun als Geschäftsführerin die Entwicklung weiter voranzutreiben.
LEADERSNET: Wie ist Ihr Werdegang verlaufen?
Kollmann: Ich wollte nicht studieren und wurde stattdessen Großhandelskauffrau. Der frühe Einstieg ins Berufsleben und die Praxiserfahrungen, die ich sammeln konnte, haben mir viele Möglichkeiten eröffnet. Ich bin damals durch Zufall in der boomenden ITK-Branche gelandet.
LEADERSNET: Was waren die größten Herausforderungen und Meilensteine?
Kollmann: Heute sind oft mindestens ein Studienabschluss, zahlreiche Praktika und Auslandsaufenthalte Voraussetzung, um für interessante Positionen in Betracht gezogen zu werden. Ich hatte das Glück in viele Bereiche reinwachsen zu dürfen.
Nach über 15 erfolgreichen, aber auch sehr fordernden Jahren in der IT, nahm ich mir ein 1 ½ jähriges Sabbatical. Viele hielten mich für verrückt – einen aussichtsreichen, gut bezahlten, "sicheren" Job aufzugeben, um einfach mal rumzureisen. Und wer weiß, was danach ist?
Rückblickend kann ich sagen: Diese Zeit hat meinen Horizont erweitert, ich bin viel gereist, durfte einige Länder und Kulturen näher kennenlernen. Und dann konnte ich wirklich erholt und mit viel Motivation in einen neuen Abschnitt starten.
LEADERSNET: Welche Ratschläge würden Sie karriereorientierten Frauen mit auf den Weg geben?
Kollmann: Sei bereit Verantwortung zu übernehmen und kommuniziere das auch! Sei mutig, bilde Dir eine eigene Meinung, und stehe auch dazu. (jw)
www.mercateo.com
Kommentar schreiben