LEADERSNET: War die Corona-Krise für A1 ein Turbo?
Arnoldner: Die Corona-Krise war natürlich auch für uns eine sehr große Herausforderung. Wir sind sicherlich nicht so betroffen wie andere Unternehmen, aber wir mussten vor über einem Jahr auch übers Wochenende in den Corona-Modus umschwenken. Wir hatten ein bisschen Vorlaufzeit, weil wir uns schon gut vorbereitet hatten. Wir waren vor allem mit italienischen Betreibern, wo die Krise schon früh angefangen hat, in intensivem Austausch. Wir hatten das Thema Home-Office schon sehr lange und sehr gut etabliert. Aber wir hatten zum Beispiel durchaus Respekt vor dem erwarteten starken Anstieg des Verkehrs in den Netzen. Das haben wir sehr gut bewältigt. Da haben sich auch die Investitionen aus der Vergangenheit bewährt.
Wir haben viele Kunden – ob das im privaten Bereich, im öffentlichen Bereich oder Firmenkunden waren – teilweise über Nacht mit zusätzlicher Infrastruktur versorgt. Wir hatten Kunden, die haben festgestellt, dass sie zu wenig Laptops haben und das braucht man natürlich fürs Home-Office. Wir haben im öffentlichen Bereich Hotlines aufgestockt und vieles andere mehr. Wir sind insgesamt sehr gut in diese Krise hineingegangen und auch durch diese gekommen. Die ökonomischen Herausforderungen für uns sind auch nicht zu vernachlässigen. Man denke zum Beispiel nur an den nahezu kompletten Wegfall des Roaminggeschäfts durch den Wegfall der Reisetätigkeit. Es gibt natürlich auch Kunden, die speziell im Geschäftskundenbereich – durch ihre eigenen ökonomischen Herausforderungen – den Sparstift angesetzt haben. Es gibt gegenläufige Effekte, etwa dass viele Kunden mehr Bandbreite brauchen und wir diese upgegradet haben. Insgesamt muss man sagen, dass wir sicherlich nicht zu den Krisengewinnern gehören, aber wir sind natürlich nicht so stark betroffen wie andere Branchen und sind bis jetzt sehr stabil und solide durch die Krise manövriert haben.
LEADERSNET: Accenture-Chef Michael Zettel hat Sie für sein Buch Das digitale Wirtschaftswunder interviewt. Da sprechen Sie vom "Trainingslager Corona". Was meinen Sie damit konkret?
Arnoldner: Ich glaube, es ist total unbestritten, dass diese Krise zu einer enormen Beschleunigung von vielen Dingen geführt hat, die wir in der Digitalisierung vielleicht schon gekannt aber in dieser Form noch nicht eingesetzt haben. Das prägnanteste und bekannteste Beispiel ist natürlich das Arbeiten von Zuhause. Für mich – als jemand, der immer sehr viel in internationalen Konzerne gearbeitet hat – war das mobile Arbeiten nichts Neues. Aber dieser extreme Wechsel, dann alles von Zuhause aus zu machen, war selbst für mich neu und das haben, glaube ich, ganz viele Menschen ähnlich erlebt. Das Bildungswesen und das Schulsystem sind ein ähnliches Beispiel.
Wir haben jetzt gemerkt, dass wir in unserem großen Werkzeugkoffer mit den digitalisierten Tools ein zusätzliches Werkzeug haben, das in manchen Fällen sträflich vernachlässigt wurde. Jetzt waren wir gezwungen, dieses Werkzeug sehr stark einzusetzen. Mit einem Werkzeug lernt man nur dann gut umzugehen, wenn man es viel benutzt und man muss auch die Prozesse entsprechend aufsetzen. Durch diese Phase sind wir jetzt gegangen. Für mich heißt das, dass wir nach wie vor viele unterschiedliche Werkzeuge haben werden. Dazu gehört natürlich auch der physische Kontakt. Wir sehen in den Unternehmen, wie wichtig das ist. Jetzt gibt es eben mehr Vielfalt. Mehr Vielfalt benötigt aber auch mehr Eigenverantwortung und es ist notwendig, damit umgehen zu lernen. Das betrifft uns Führungskräfte, das betrifft die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Lehrkräfte in den Schulen aber auch die öffentliche Hand, die sich mit neuen Themen, wie zum Beispiel einer Home-Office-Regelung, auseinandersetzen muss.
LEADERSNET: Ein weiteres Zitat von Ihnen, aus Michael Zettels Buch, ist "Mehr Output als Präsenz". Ist das ein Plädoyer fürs Home-Office?
Arnoldner: Das Zitat bezog sich konkret vor allem auf Führungskultur. Wir haben in Situationen, wo sehr viel virtuell geführt wird, wo ganze Teams und ganze Unternehmen aus dem Home-Office arbeiten, festgestellt, dass alte Führungskulturen, die sehr stark auf Präsenzkultur beruhen, nicht mehr so gut funktionieren und dass die tatsächliche Leistung, der Output, in den Vordergrund treten muss. Das ist ein weiteres Beispiel, wo die Corona-bedingte Digitalisierung als Katalysator wirkt, wenn es etwa darum geht, von alten Führungsstilen und alten Führungskulturen in neue Führungskulturen zu kommen. Wir beschäftigen uns als Unternehmen sehr viel damit, weil es eine spannende Frage sein wird, wie man das Beste aus beiden Welten zukünftig kombinieren kann. Es steht für mich außer Zweifel, dass Home-Office nicht das Allheilmittel ist. Es ist jetzt eine pandemische Notwendigkeit. Aber sind wir froh, dass wir diese Möglichkeit haben. Stellen wir uns vor, wie wir mit dieser Krise vor 20 Jahren umgegangen wären, als wir nicht von Zuhause aus und sozial oder physisch distanziert hätten arbeiten können.
LEADERSNET: Im Hinblick auf 5G haben Sie den Vergleich gebracht, dass ein iPhone Skills wie ein Schweizermesser hat, nämlich viel mehr als man landläufig glaubt. Was meinen Sie konkret damit?
Arnoldner: Als Steve Jobs 2007 das iPhone vorgestellt hat, wussten Jobs und sehr viele Leute zwar, dass das iPhone etwas ganz Besonderes ist. Wir wussten aber nicht im Detail, welche Applikationen, welche neuen Dienste und was für eine eigentlich verrückte Welt sich durch das iPhone eröffnen wird. Wir wussten nur, dass es eine technologische Plattform und ein Interface ist, die sehr viele neue Möglichkeiten bietet. Auf dieser Plattform wurde innoviert. Ähnlich erwarte ich es mir, im übertragenen Sinne, auch mit 5G. 5G wird eine neue technologische Plattform sein. Ein Netz, das viele Restriktionen, die wir heute aus den Netzen kennen, wegnimmt. Wir werden natürlich noch mehr Bandbreite haben. Wir werden ganz kurze Latenzzeiten, sprich ein hoch reaktives Netz haben. Wir werden viel mehr Endgeräte anbinden können und es gibt noch viele andere tolle Merkmale von 5G. Manche der Anwendungen können wir uns jetzt schon sehr gut ausmalen. Wir wissen, dass wir damit zum Beispiel viel mehr Bandbreite, insbesondere in den ruralen Bereich, haben werden. Es wird ganz tolle Anwendungen im Bereich des Internets der Dinge (IoT), speziell auch für die Industrie, geben. Aber vieles von dem, was an Innovation mit diesen Eigenschaften und diesen neuen Möglichkeiten des Netzes passiert, können wir uns noch nicht ausmalen. Deswegen habe ich den den Schweizermesser-Vergleich bemüht. Auch als 4G in das Feld gekommen ist, gab es viele Dinge, die wir uns damals noch nicht ausmalen konnten. Heute ist 4G das Selbstverständlichste der Welt und 5G wird es genauso ergehen.
LEADERSNET: Welche Entwicklungspotenziale sehen Sie noch in der Digitalisierung?
Arnoldner: In der Digitalisierung gibts noch ganz, ganz viele Entwicklungspotenziale. Wir stehen einerseits bei der Nutzung von Technologien am Anfang. Im Moment steht, denke ich, im Vordergrund, dass wir die Technologien, die vorhanden sind, richtig einsetzen, sodass sie in der Wirtschaft und natürlich auch für den Menschen zu Nutzen und zu Wohlstand führen. Das ist kurzfristig unsere wichtigste Aufgabe. Mittelfristig müssen wir natürlich auch überall versuchen, einen richtigen Rahmen für den Einsatz der Technologien zu setzen. Da ist beispielsweise im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sicher noch eine Menge Arbeit zu leisten. Das Thema Ethik im Zusammenhang mit KI beschäftigt mich schon sehr. Welche Entscheidungen autonom getroffen werden können, beispielsweise beim autonomen Fahren, ist ein ganz spannendes Thema.
Auf der anderen Seite, ist es so, dass wir langfristig gesehen, noch ganz viele technologische Innovationen vor uns haben. 5G ist so ein Beispiel, wo wir gerade erst in den Startlöchern stehen. Auch IoT ist im industriellen Bereich gerade ganz am Anfang und die nächsten großen Technologiesprünge sind auch schon ersichtlich. Das Thema Virtual Reality und Augmented Reality wird auf uns zukommen und noch einmal unsere Art des Arbeitens verändern. Auch Quantencomputing ist sicher für die nächsten zehn bis 20 Jahre eines der großen Themen.
LEADERSNET: Wir sehnen uns alle nach einer gewissen Normalität. Glauben Sie, dass es nach dieser Pandemie ein Leben wie zuvor geben wird? Nämlich so, wie man damals "normal" definiert hat?
Arnoldner: Das denke ich nicht und ich glaube, es ist auch nicht wünschenswert. Es wird ein neues "Normal" geben. Wir werden Dinge, die wir früher für gut befunden haben, einsetzen. Wir werden aber Elemente, wie wir sie jetzt in der Krise eingesetzt haben, beibehalten. Wir haben auch die Grenzen der Digitalisierung erfahren. Ein schönes Beispiel für mich ist das Mitarbeitergespräch. Wenn ich ein Entwicklungsgespräch führe, dann ist das ganz anders, das über Videotelefonie zu führen, als es persönlich zu machen. Diese Grenzen auszuloten und zu finden, ist sicher eine spannende Aufgabe. Wir denken, dass die Zukunft der Arbeit ein hybrides Modell sein wird, zwischen Präsenz und vor Ort gemeinsam etwas zu entwickeln sowie digitaler Arbeit in manchen Bereichen.
Ich persönlich habe die Hoffnung, dass wir so eine Art Sputnik-Moment erleben werden durch Corona. In den 1950er-Jahren gab es diesen Wettlauf ins All und die westliche Welt hat dabei so dahin gewurschtelt und war dann ziemlich erschrocken, wie die Russen, ich glaube 1957, den ersten Satelliten ins All geschickt haben. Die Reaktion war eine enorme Beschleunigung, die darin kulminiert hat, dass Kennedy gesagt hat: "Wir sind die ersten, die am Mond landen werden." Das wurde 1969 dann tatsächlich geschafft. Das hat zu einem enormen Innovationsschub geführt. Was viele vielleicht nicht wissen, es hat auch zu einem enormen Umdenken im Bildungswesen geführt. Meine Hoffnung ist schon, dass wir – sofern wir diese Krise pandemisch überstanden haben – nicht in die alte Normalität zurückkehren und sagen: "Jetzt haben wir es geschafft und Gott sei Dank ist alles so wie früher". Sondern dass wir das Positive von den Dingen, die wir jetzt gelernt haben, und von den neuen Technologien, die entwickelt wurden, mitnehmen und dass wir auch zu schätzen wissen, was wir in dieser Krise gelernt haben und uns so auf diese "neue Normalität" richtig einstellen.
LEADERSNET: Das Thema Datenschutz betrifft die Telekommunikationswirtschaft ganz besonders. Ist das Thema ein Wachstumsbremser oder -entwickler?
Arnoldner: Datenschutz ist für uns als Unternehmen enorm wichtig. Wir genießen sehr hohes Vertrauen durch unsere Kundinnen und Kunden. Wir nehmen den Datenschutz deswegen enorm ernst. Nichtsdestoweniger muss man sagen, dass wir danach trachten müssen, dass die sehr strengen europäischen Datenschutznormen auch idealerweise international exportiert werden. Damit wir in der Innovation, im Entwickeln neuer Geschäftsmodelle und neuer Technologien auf dem berühmten Level Playing Field agieren können und uns der in Europa zurecht sehr wichtige Datenschutz, nicht zu einem Wettbewerbsnachteil wird.
LEADERSNET: Die Österreicher lieben ihre Smartphones. Wo geht da die Reise hin? Was werden wir in Zukunft alles über unser Smartphone tun können?
Arnoldner: Naja, es gilt das, was ich vorhin schon gesagt habe. Vieles davon werden wir uns wahrscheinlich noch gar nicht ausmalen können. Was wir sehen, ist, dass nach wie vor viele neue Dinge aufs Smartphone wandern. Früher war das das Ablösen des Fotoapparats durch das Smartphone. Jetzt sind es die Zahlungsdienste, die Ausweise bzw. die Identitätsnachweise und vieles andere mehr. Gleichzeitig werden neue Interfaces entwickelt – angefangen bei Sprachsteuerung, bis hin zu intelligenter Kleidung. Ich glaube, das Smartphone wird trotzdem aufgrund des guten Interfaces sehr lange im Mittelpunkt bleiben. Aber was man sieht, ist, dass viel Intelligenz in die Cloud wandert und dieses Wandern der Intelligenz in die Cloud bedingt auf der anderen Seite wiederum sehr starke und sehr leistungsfähige Netze. Da sind wir natürlich zuhause und da werden wir beispielsweise mit 5G wieder einen großen Schritt nach vorne machen.
LEADERSNET: Sollen wir die Zukunft also mit uneingeschränkter Freude oder mit Respekt erwarten?
Arnoldner: Ich glaube, es kommt auf das richtige Augenmaß an. Jeder weiß, dass ich ein sehr lebensbejahender und sehr technologieaffiner Mensch bin. Ich glaube, wir sollten uns schon auch immer vergegenwärtigen, was für einen großen gesellschaftlichen Fortschritt wir durch unterschiedlichen Technologien geschafft haben. Fast jeder große gesellschaftliche Fortschritt in den letzten Jahrzehnten hat mit Technologie zu tun. Natürlich muss man trotzdem auch wissen und lernen, dass Technologie ihre Schattenseiten hat und dass man damit umgehen muss. Der Schlüssel dazu ist Bildung und hier wird vor allem Bildung im Bereich der digitalen Kompetenzen immer wichtiger. Wenn wir das hinkriegen, dann steht uns eine sehr positive Zukunft bevor.
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