Gekrümmte Klauen begrüßten die Journalisten am Dienstagmorgen in den altehrwürdigen Hallen des Naturhistorischen Museums (NHM). Kein ungewöhnlicher Anblick, und doch handelt es sich um eine kleine Sensation für Wien: was sich bei näherer Betrachtung als saurischer Hinterfuß entpuppt, ist erst der Anfang vieler, noch freizulegender Knochenfragmente, die sich im Frühjahr 2020 zu einem sechs bis acht Meter langen Plateosaurierskelett zusammenfügen sollen. Die Dauerleihgabe ist seit über dreißig Jahren der erste Dino für Wien, erklärt Christian Köberl, der Generaldirektor des NHM Wien stolz.
Dauerleihgabe aus der Schweiz zum Auspacken
Und wer hat's verliehen? Die Schweizer,genauer gesagt das Sauriermuseum Frick, zu dem das Naturhistorische Museum sehr gute Beziehungen pflegt. Die kleine Gemeinde Frick im Kanton Aargau ist berühmt als die bedeutendste europäische Fundstelle von frühen Dinosauriern aus der Trias-Zeit. Aufgrund der damals in unseren Breitengraden vorherrschenden, geologischen Bedingungen zu Lebenszeiten der Urechsen, sind echte "Österreicher" unter ihnen eine Seltenheit. Unsere Schweizer Nachbarn wurden 2015 mit rund 50 Fundstücken auf einmal beglückt, und einer dieser vergleichsweise zart gebauten, langhälsigen Pflanzenfresser hat sein neues Heim auf Dauer nun im Naturhistorischen Museum Wien gefunden.
Prähistorisches Puzzle
Ein wunderbares (Leih-)Geschenk für Wien, allerdings mit einem Twist: denn die besten Geschenke muss man bekanntlich erstmal auspacken. Darum haben die Präparatoren Anton Fürst und Anton Englert auch erst einmal ein gutes Jahr alle Hände voll zu tun, die teilweise noch tief im Sedimentgestein vergrabenen Knochenfragmente zu befreien und in liebevoller Kleinarbeit zusammenzufügen. Für den Oberschenkelknochen, an dem Paläontologe Anton Fürst arbeitet, kann das schon eine gute Woche Arbeit bedeuten, wie er LEADERSNET erklärt, als wir ihm über die Schulter schauen. Der Oberschenkelknochen ist gemeinsam mit dem Hinterfuß das präsentabelste und für Laien am ehesten erkennbare Stück Dinosaurier, das man uns zeigen kann. Die Einzelteile des Skeletts sind teilweise sehr fragil und klein und nur teilweise erhalten. Sie zusammenzubauen, erfordert viel Fachwissen, Geduld und – ja, tatsächlich – Superkleber.
"Das Ganze ähnelt einem Überraschungs-Ei – wir wissen zwar, welche Teile der Skeletts in welcher Verpackung sind, nicht aber, in welchem Zustand die Knochen sich befinden. Leider haben wir keinen Schädel", sagt Mathias Harzhauser, der Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM Wien. Das ist nichts ungewöhnliches, wie der Experte erklärt, denn Saurierschädel bestehen nicht wie unsere Schädel aus Knochenplatten und zerfallen schnell. Erhaltene Schädel sind eine Seltenheit und selbst dann oft stark deformiert.
Dino aus "Überraschungs-Ei" soll 2020 präsentiert werden
Darum, dass unser neuer "Wiener" Plateosaurier schon bald in voller Pracht den Sauriersaal des NHM schmücken wird, müsse man sich keine Sorgen machen, so Harzhauser. "Die Schweizer haben uns ein zweites Skelett geschickt, das uns als 'Ersatzteillager' für unseren Sauropoden dient. Den Schädel erhalten wir als Abguss aus München", erklärt er. Das einzige, worum Harzhauser sich sorgt, ist, dass der Saurier auch in den Saal passt: "Plateosaurier wurden zwischen sechs und acht Meter lang – bei unserem Exemplar hoffe ich eher auf sechs Meter", schmunzelt der Experte. Auf ein endgültiges Enthüllungsdatum wollen die Experten sich indes nicht festlegen lassen, und verweisen augenzwinkernd erneut auf den "Überraschungs-Ei"-Charakter des Fundes. Mit einer vorsichtigen Schätzung stellen Sie allen österreichischen Saurierfans aber das Frühjahr 2020 in Aussicht.
Einen ersten Blick auf den Dino erhaschen Sie mit einem Blick in unsere Foto-Galerie. (rb)
www.nhm.ac.at
www.sauriermuseum-frick.ch