"Wir wollen weg vom reinen Fahrzeugherstellen, hin zu kompletten Mobilitätslösungen"

E-Mobility bekommt weiter Rückenwind, die Branche rüstet auf. LEADERSNET traf Markus Berben-Gasteiger, Managing Director von Mercedes Benz Vans, zum Interview.

Die Themen Nachhaltigkeit, Naturverbundenheit und sauberes Fahren beschäftigen nicht nur Politik und Wirtschaft. Die großen Autohersteller reagieren auf den exponentiell steigenden Bedarf an alltagstauglichen Lösungen in Sachen E-Mobility und gesteigerter Sicherheit. Die intensiven Bemühungen tragen mit steten Neuerungen am Markt Früchte – mit großem Erfolg werden elektrobetriebene Kraftfahrzeuge angenommen, viele Betriebe rüsten bereits auf oder stellen ganz um. Österreich zählt hier zu den Vorreitern in Europa.

LEADERSNET wollte mehr zum Thema wissen und traf Markus Berben-Gasteiger, den Managing Director von Mercedes-Benz Vans Österreich zum Interview über die Lage am Markt, Innovationen und die Zukunftspläne der Marke.

LEADERSNET: Herr Berben-Gasteiger, wie ist das Jahr 2018 bisher gelaufen?

Berben-Gasteiger: Nun, wenn die letzten zwei Monate jetzt noch so laufen, wie wir planen, dann ist das tatsächlich ein beträchtlicher Erfolg – dann schreiben wir das vierte – oder nein, sogar das fünfte Jahr in Folge schon Rekordzahlen. Das ist besonders beachtlich, weil wir jüngst einen Modellwechsel hinter uns haben: Die komplette Sprinter-Range wurde generalüberholt und der neue Sprinter ist erst seit Mai auf dem Markt. Das ist in der Tat sensationell für uns.

LEADERSNET: Woran liegt dieser Erfolg, ihrer Meinung nach?

Berben-Gasteiger: Wir haben uns gerade beim neuen Sprinter auf die Zielgruppe der KMUs, also der Klein- und Mittelständischen Unternehmen, fokussiert, um ganz gezielt das Thema Digitalisierung voranzutreiben. Wir haben hier auch den sogenannten Digitalisierungs-Bonus zu 1.000 Euro entwickelt und bieten diesen sozusagen als "Vorschuss" zu diesem Auto an.

LEADERSNET: Was ist denn dieser Digitalisierungs-Bonus genau?

Berben-Gasteiger: Wir bieten dem Kunden ein Paket von 18 verschiedenen Diensten für sein Auto an, die er online nutzen kann. Das Angebot hier geht von Live-Traffic über Flottenmanagement bis hin zur Verbrauchsanalyse, wo man sogar einen Wettbewerb unter den Fahrern starten kann. Auch Geofencing ist dabei, wo automatisiert sofort wichtige Meldungen via Display möglich sind, wenn der Fahrer einen bestimmten Punkt passiert. Ein praktisches Beispiel hierfür wäre es, wenn während einer gewerblichen Fahrt spontan noch eine Abholung im Umkreis dazu kommt – da kann man das direkt digital kommunizieren. Der Fahrer bekommt die neue Adresse direkt ins Navigationssystem eingespeist und die Meldung à la "Pass auf, hol da noch was ab!" wird direkt am Display angezeigt.

LEADERSNET: Könnte man das als digitales Fahrtenbuch bezeichnen?

Berben-Gasteiger: Genau. All das dient dem Ziel, dass der Kunde effizienter sein Business von morgen erledigen kann. Ideal ist das eben beispielsweise für das Thema Auslieferung, das ich eben angeschnitten habe, oder auch für das Thema Reparatur. Wie wir aus einer Studie von der KSV wissen, besteht beim Thema Digitalisierung und Effizienzsteigerung bei den KMUs ein großer Handlungsbedarf.

LEADERSNET: Bei vielen KMUs scheint es immer noch eine enorme Hemmschwelle zu geben, das Thema Digitalisierung anzugehen.

Berben-Gasteiger: Absolut, und eben diese Mauer wollen wir natürlich mit dem neuen Sprinter ein wenig einreißen und aufzeigen, welche Möglichkeiten sich hier morgen für das tägliche Geschäft eröffnen. Unsere 18 Dienste bauen wir sukzessiv aus – wir denken bewusst schon an Übermorgen. Um ein Beispiel zu nennen: Im Rahmen des Caravan Salons in Wels haben wir auch neue Dienste vorgestellt, die man als Reisemobilnutzer auch mit der Mercedes Pro-App nutzen kann.  Dadurch hat man eine Verbindung zum Fahrzeug und kann dort beispielsweise verschiedene Füllstande von Gasflaschen ablesen, die Jalousie ausfahren etc. Da arbeiten wir sehr intensiv mit den Aufbauherstellern im Wohnmobilsektor zusammen, um ihnen auch die Nutzung dieser Plattform zu ermöglichen. Also auch hier sieht man, dass das Thema Digitalisierung flächendeckend Einzug hält.

LEADERSNET: Da scheint es gerade einen Boom zu geben. Das Reisen via Caravan ist in und auf Campingplätzen bekommt man kaum noch einen Platz. Können Sie bestätigen, dass es in diese Richtung einen Trend gibt?

Berben-Gasteiger: So ist es. Der prognostizierte Markt für Wohnmobile für 2019 beträgt in Europa 110.000 Einheiten – für ein Jahr, wohlgemerkt. Es handelt sich hier schon seit einigen Jahren um eine starke Wachstumsbranche, und auch eine sehr interessante Kundschaft, die sich sehr stark mit ihrem Fahrzeug identifiziert. Jetzt haben wir eine Fülle an Möglichkeiten, spezielle Varianten für die Wohnmobilhersteller anzubieten. Mit dem neuen Sprinter im Angebot haben wir ein Modell, auf das der Aufsatz für Wohnmobile noch besser aufgebaut werden kann. Wir haben hier auch eine sehr enge Kooperation mit der Firma Hymer. Die haben eine große Order platziert um Wohnmobile aufzustellen. Da gibt es sogar eine eigene Leistungsstufe des getriebenen Motors nur für das Thema Caravan, nur für diese Klientel. Das ist zahlentechnisch sehr spannend und auch lohnend.

LEADERSNET: Wenn wir nun zum nächsten Thema kommen, nämlich den Zukunftsplänen und einem Ausblick auf 2019: Was tut sich denn im nächsten Jahr?

Berben-Gasteiger: 2019 wird wieder ein Jahr für Neuheiten im Elektrobetrieb, da bringen wir den E-Vito und den E-Sprinter auf den Markt. Also komplette E-Versionen unserer bewährten Modelle – eine Reaktion darauf, wie sehr sich hier der Markt verändert hat. Wir waren da 2012 schon Vorreiter mit unserem Vito E-Cell, zum damaligen Zeitpunkt allerdings etwas zu früh. Jetzt ist das Thema Elektromobilität mit einer ganz anderen Nachhaltigkeit zu sehen. Es gibt neue Mitbewerber am Markt und deswegen bieten wir nächstes Jahr sowohl den Vito als Kastenwagen als auch den Tourer ab Mai 2019 mit Elektroantrieb an, der neue Sprinter kommt dann im Herbst 2019 in der E-Version.

LEADERSNET: Welche Reichweiten haben diese Fahrzeuge?

Berben-Gasteiger: Wir haben die Reichweiten nach der neuen Methode WLTP bemessen, die ja mittlerweile tonangebend ist, und da kommen wir auf bis zu 150 Kilometer. Das deckt sich auch mit dem Feedback unserer Kunden, die meist im Schnitt 80 bis 110 Kilometer fahren – es ist vornehmlich ein urbanes Thema. Darüber hinaus können wir auch die komplette Tourismusbranche miteinbeziehen, beispielsweise mit Shuttleservice-Diensten von und für Hotels. Für die Zukunft ergibt sich in diesem Bereich also eine Zielgruppe, die wir natürlich gemeinsam mit unseren Händlern bearbeiten werden.

LEADERSNET: Wie hoch schätzen Sie das Marktpotential ein, sodass das Thema E-Mobilität wirklich großflächig angenommen wird?

Berben-Gasteiger: Wir haben eine gewisse vorsichtige Schätzung zum voraussichtlichen Marktwachstum abgegeben, die noch ausbaufähig ist. Ich werde mich hier jetzt nicht auf genaue Stückzahlen versteifen, aber da sehen wir, was passieren kann, wenn eine gewisse Infrastruktur vorhanden ist, und dass Österreich hier im europäischen Vergleich wirklich schon ziemlich weit ist.

LEADERSNET: Als Geschäftsführer von Mercedes Benz Vans, denken Sie dass das Thema Elektromobilität für den Professional-Bereich womöglich ein größeres Thema darstellt als für Privatkunden – oder zumindest schneller Verbreitung findet?

Berben-Gasteiger: Ich glaube beides. Wenn wir uns heute die Normverbrauchsabgabe im privaten Bereich ansehen – die bei Elektrofahrzeugen natürlich nicht vorhanden ist – dann sieht man, wie wichtig das Thema E-Mobilität ist. Wir arbeiten an einer vollständigen Elektrifizierung unseres gewerblichen Produktportfolios und starten Mitte 2019 mit dem eVito. Ende nächste Jahres legen wir den Fokus auf unseren neuen eSprinter. Auch den Citan planen wir zu elektrifizieren. Daneben befassen wir uns auch mit Lösungen für unsere privaten Modelle. Bitte haben Sie jedoch Verständnis, dass wir hier derzeit noch keine näheren Termine nennen können.

LEADERSNET: Zum Thema autonomes Fahren und teilautonomes Fahren: Wie sehen Sie da die Entwicklung, vor allem auch was das Thema Lastkraftwägen betrifft? Gerade im Autobahnbereich heißt es oft, dass es nicht mehr lange dauern werde, bis die LKWs komplett ohne Fahrer auskommen und autonom fahren. Wie realistisch sehen Sie dieses Szenario?

Berben-Gasteiger: Technisch ist es bereits möglich autonom zu fahren. Auf der diesjährigen IAA (Internationale Automobil-Ausstellung) haben wir den Vision Urbanetic vorgestellt. Ein Fahrzeug der Zukunft für das Thema Personentransport, aber auch für den Gütertransport könnte man in diese Richtung gehen: vollautonom, ohne Lenkrad. Wobei man sich natürlich erst daran gewöhnen muss. Natürlich brauchen wir hierfür Gesetzgebungen. Schon allein dafür, dass es eine Regelung von Verkehrsseite gibt. Aber ich glaube, dass die Entwicklung sehr wohl in diese Richtung gehen wird. Schon jetzt werden LKWs beispielsweise mit Spurhalteassistenten und ähnlichen, teilautonomen Sicherheitsfeatures ausgestattet. Bei dem neuen Sprinter setzen wir hier mit unseren Sicherheitsfeatures, wie beispielsweise dem Notbremsassistenten, wieder neue Standards.

LEADERSNET: Welche neuen Standards haben Sie in Planung?

Berben-Gasteiger: Wir haben auf der IAA ein innovatives System vorgestellt, das kurz vor Serieneinführung steht. Das ist besonders für die CEP-Branche, also für Paketdienste, interessant. Dazu haben wir den kompletten Laderaum des Lieferwagens mit Kameras ausgestattet. Das neue System macht das mühselige Scannen der Pakete überflüssig, die Ladung wird Paket für Paket automatisch erkannt. Das läuft über Sensor und App und spart unheimlich viel Zeit. Ein unschlagbares Asset für die CEP-Branche, denn dadurch werden pro Auslieferung im Schnitt zwei bis drei Minuten Zeitersparnis erreicht. Dadurch können zukünftig viel mehr Pakete ausgeliefert werden, der Zuspruch aus der Branche ist enorm. Wir sind generell innovativ an sehr vielen neuen Themen dran.

 

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Schon vor zwei Jahren haben wir mit dem Vision Van ein wenig gezeigt, worüber wir so alles nachdenken und jetzt kommen die ersten dieser Innovationen auch in Serie. Wir wollen auch die Themen Effizienz und Transportlösungen nicht außen vor lassen und weg vom reinen Fahrzeugherstellen und hin zu kompletten Mobilitätslösungen. Und nichtsdestotrotz, oder gerade deswegen, haben wir dann starke Firmen wie Amazon, mit denen wir eben einen großen Deal in den USA über 20.000 Sprinter abgeschlossen haben und wir sind auch schon in Gesprächen darüber, wie das dann in Europa aussehen kann. In Deutschland gibt es da schon eine Testflotte. Systemtechnisch gibt es dann noch Innovationen zu Schadenscans, wo es früher schwer bis unmöglich war, plötzlich auftretende Kratzer nach einer Parksituation einem Verursacher zuzuordnen, kann man gewisse Schäden dann sogar personenbezogen zuordnen und die Schadensquote dadurch erheblich senken.

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