Wie die Ergebnisse des aktuellen "Start-up-Barometers Österreich" von EY zeigen, sank das Finanzierungsvolumen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um knapp ein Fünftel (18 Prozent) auf 298 Millionen Euro. Laut der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft sei dies das zweitniedrigste Volumen innerhalb eines Halbjahres seit 2020. Und das, obwohl zwei große Finanzierungsrunden im Juni 2024 die Statistik deutlich nach oben geschraubt haben. Bei der Analyse wurden ausschließlich Jungunternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt, berücksichtigt.
Auch die Anzahl der Finanzierungsrunden sei demnach nach einem Höchstwert mit 95 Finanzierungsrunden im ersten Halbjahr 2023 um mehr als ein Viertel (26 Prozent) gesunken – das bedeute den niedrigsten Wert für Vergleichszeiträume seit 2019. Zurückzuführen sei der Rückgang vor allem auf die deutlich geringere Anzahl kleinerer Deals im Umfang von bis zu einer Million Euro, von der im bisherigen Jahresverlauf 38 gezählt wurden, 2023 hingegen 57.
"Nach zwei absoluten Ausreißer-Jahren (Anm. d. R.: 2021 & 2022) mit neuen Bestmarken bei Finanzierungsvolumina und Bewertungen sieht man überall auf der Welt den Trend 'Back to the Old Normal'. Für die österreichische Start-up-Szene ist die Situation nach wie vor herausfordernd: Es gibt viel Zurückhaltung bei Wachstumsfinanzierungen und im ersten Halbjahr 2024 gab es auch im bisher konstant starken Frühphasen-Segment einen deutlichen Rückgang bei den Finanzierungsrunden", sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich. Dennoch gebe es Lichtblicke: Die Langzeitentwicklung des österreichischen Ökosystems sei nach wie vor klar positiv und gerade im letzten Jahr hätten viele Start-ups und Scale-ups ihre Geschäftsmodelle stärker in Richtung Profitabilität und Resilienz weiterentwickelt. Damit seien sie sehr gut für nachhaltiges Wachstum aufgestellt und "in der Pole Position, wenn der Markt hoffentlich 2025 wieder mehr Dynamik aufnimmt und wieder mehr Kapital fließt", so Haas.
Gute Langzeitentwicklung, Volumen pro Runde auf Vorjahresniveau
Trotz des deutlichen Rückgangs bei Finanzierungsrunden und -volumina sei die Langzeitentwicklung in Österreich dem Experten zufolge positiv: "In den letzten zehn Jahren hat das österreichische Start-up-Ökosystem wesentliche Professionalisierungsschritte erfahren und ist zunehmend mehr auf den Radar internationaler Investor:innen gekommen. Österreichs Start-up-Ökosystem punktet mit einer Förderlandschaft auf Top-Niveau und starken Strukturen im Frühphasenbereich. Daher ist es auch bedenklich, dass es gerade im Frühphasenbereich einen so starken Rückgang gegeben hat. Hier sollten die Alarmglocken schrillen".
Die Anzahl der Finanzierungsrunden bis zu einer Million Euro ist im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum laut EY um ein Drittel von 57 auf 38 zurückgegangen. Trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen gebe es auch positive Entwicklungen und erste Anzeichen für eine Erholung des Start-up-Finanzierungsmarktes. So sei im Juni 2024 mit einem Investitionsvolumen von 169 Millionen Euro der volumenstärkste Monat der letzten zwölf Monate verzeichnet worden. Die sechs größten Runden des Jahres wurden im Mai und Juni angekündigt.
Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, habe sich mit 4,7 Millionen Euro auf dem Vorjahresniveau eingependelt (4,6 Millionen Euro). In den beiden Boom-Jahren 2021 und 2022 lag das durchschnittliche Volumen deutlich höher bei neun Millionen Euro bzw. 13,5 Millionen Euro. Im Jahr 2020 lag der Durchschnittswert deutlich niedriger bei 2,5 Millionen Euro.
In diese Start-ups wurde am meisten Geld investiert
Dass Ausnahmen die Regeln bestätigen, zeigt sich auch beim aktuellen "Start-up-Barometer Österreich". Die größte Finanzierungsrunde im ersten Halbjahr 2024 schloss demnach das Linzer Scale-up Storyblok mit rund 74 Millionen Euro ab. Dahinter folgen das Lieferketten-Scale-up Prewave mit 63 Millionen Euro und das Energie-Unternehmen enspired mit 26 Millionen Euro. Von den Start-ups mit den zehn größten Finanzierungsrunden des Jahres haben sieben ihren Sitz in Wien, zwei in Oberösterreich und eines in Tirol.
Wien bleibt Start-up-Hotspot
Wie sieht es in Sachen Start-up-Finanzierung regional aus? Laut EY war Wien auch im ersten Halbjahr 2024 wieder der Hotspot der österreichischen Start-up-Szene: Mit 41 Finanzierungsrunden vereinigten die Hauptstadt-Start-ups mehr als jede zweite hierzulande gezählte Finanzierungsrunde (59 Prozent) auf sich und damit prozentual sogar geringfügig mehr als im Vorjahr, als sich der Marktanteil der Wiener Jungunternehmen auf 58 Prozent belief. Auf Rang zwei folgt die Steiermark, wo neun Finanzierungsrunden gezählt wurden, vor Nieder- und Oberösterreich, dessen Start-ups es auf jeweils fünf Abschlüsse brachten.
Auch beim Finanzierungsvolumen liegt Wien dem Barometer zufolge an der Spitze: Gut drei von fünf hierzulande in Start-ups investierte Euro (62 Prozent) wurden im ersten Halbjahr 2024 in Wiener Jungunternehmen investiert. Oberösterreich belegt mit einem Marktanteil von 32 Prozent Rang zwei vor Tirol, dessen Start-ups es auf einen Marktanteil von drei Prozent bringen. Am stärksten gesunken ist der Marktanteil von Salzburg, der in der Vorjahresperiode dank eines Abschlusses von 75 Millionen Euro (Myflexbox) mit 22 Prozent ungewöhnlich hoch gewesen war.
Techsektor dominiert
Bei der Anzahl der Finanzierungsrunden lagen wie schon in den Vorjahren der Tech- und Softwarebereich, der Start-ups mit neuen Technologien umfasst, ganz vorn. 24 Finanzierungsrunden für Tech-Start-ups würden zwar klar Rang eins bedeuten, aber auch einen Rückgang um knapp ein Viertel. Der Bereich Health auf Rang zwei brachte es auf neun Abschlüsse, einen weniger als im ersten Halbjahr 2023. Start-ups aus dem Bereich Energy auf Rang drei verzeichneten mit acht Abschlüssen hingegen sieben Deals mehr als im Vorjahreszeitraum. Am stärksten gesunken gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 ist die Zahl der Finanzierungsrunden in den Bereichen e-commerce (minus 10), FinTech / InsurTech (minus 8) und Mobility (minus 7).
Noch eindeutiger seien die Kräfteverhältnisse beim Finanzierungsvolumen: Mehr als jeder zweite Euro Risikokapital (55 Prozent) wurde im ersten Halbjahr in den Bereich Software & Analytics investiert, der mit Storyblok (74 Millionen Euro) und Prewave (63 Millionen Euro) auch die beiden Top-Deals beinhaltet.
Nachhaltigkeits-Start-ups am Vormarsch
Ferner zeigt die EY-Analyse, dass für Investorengruppen der Fokus bei Investments in Start-ups klar auf den Themen Digitalisierung und neue Technologien liegt. Als zweiter wesentlicher Bereich habe Nachhaltigkeit in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Von Jänner bis Juni 2024 hatten EY zufolge immerhin zwölf der insgesamt 70 registrierten Finanzierungsrunden (17 Prozent) einen Bezug zum Querschnittsthema Nachhaltigkeit – in der Vorjahresperiode waren es 13 Prozent. Im Volumen lasse sich der Trend zu Investments in Start-ups mit Nachhaltigkeits-Fokus aber weniger ablesen: Das Gesamtvolumen belief sich der Analyse zufolge auf nur 17 Millionen Euro bzw. sechs Prozent des insgesamt investierten Kapitals.
"Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die bestimmenden Themen der nächsten Jahre für alle Unternehmen. Start-ups können hier als Innovationstreiber eine essenzielle Funktion einnehmen. In Österreich will nach eigenen Angaben knapp ein Drittel der Start-ups Lösungen für die ökologische Transformation, den Kampf gegen den Klimawandel, die Dekarbonisierung oder Kreislaufwirtschaft bieten. Der Nährboden in Österreich für Green-Innovation-Start-ups ist sehr gut. Immer mehr Sustainability-Start-ups können Finanzierungsrunden abschließen, auch wenn die Volumina noch überschaubar sind. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Trend weiter verstärken wird und Investorengruppen in den nächsten Jahren deutlich öfter und mehr investieren", so Haas abschließend.
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