Das Ladenetz in Österreich wächst zwar, Expert:innen zufolge wird sich der Bedarf an Ladeinfrastruktur bis 2030 aber mindestens verdreifachen. Hinzu kommt, dass das Schnellladen dabei wohl eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Kein Wunder, dass Tankstellen und Handelspartner ihre Konzepte im Bereich Destination- und En Route-Charging – also Laden am Zielort und Laden während der Fahrt – laufend weiterentwickeln. Was da künftig auf uns zukommen wird, wurde beim vierten Smatrics E-Mobility Talk zum Thema "Anforderungen an Mobilitätszentren von morgen" näher beleuchtet.
Vertreten waren Smatrics-CEO und Gastgeber Hauke Hinrichs, Matthias Damberger, Head of E-Mobility Orlen Austria GmbH, Stefan Pany, Direktor Technische Abteilung Rewe International AG und Reiner Reinbrech, Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Abteilung Mobilitätswende. Sie diskutierten den Status beim Ausbau der E-Ladeinfrastruktur im Bereich Destination- und En Route-Charging in Österreich.
Ladeinfrastrukturbedarf steigt
Mit Stand April 2024 gibt es in Österreich fast 170.000 rein elektrisch betriebene Pkw. Bis 2030 sieht Smatrics einen Anstieg auf knapp 1,2 Millionen E-Fahrzeuge, das würde rund 30 Prozent entsprechen. Das österreichische Ladenetz gehört demnach zu den bestausgebautesten in Europa. Aktuell gibt es offiziellen Statistiken zufolge mehr als 21.000 Ladepunkte in Österreich.
Dennoch ortet Hinrichs Entwicklungsbedarf: "Wir werden mindestens eine Verdreifachung oder Vervierfachung der Ladeinfrastruktur sehen. Dafür müssen wir aber auch das Ausbautempo erhöhen." Allerdings könne Laden nicht mit Tanken gleichgesetzt werden, es sei anders in unseren Alltag eingebettet und zudem dezentraler und digitaler, so der Smatrics-CEO.
Die Verteilung der Ladeinfrastruktur, also wo – und damit einhergehend – wie lange geladen wird, werde in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Den größten Anteil nehme dabei immer noch das Laden zu Hause und am Arbeitsplatz ein. Aber gerade beim Laden an Tankstellen oder Laden bei Supermärkten zeige sich eine große Dynamik, die sich auch im starken Ausbau von Schnellladepunkten widerspiegle. Aktuell liege der Anteil an HPC – sogenannten High Power Chargern – von Smatrics EnBW bei 15 Prozent. Ziel sei auch hier eine Verdreifachung bis 2030 herbeizuführen.
Zielgerichtete Förderungen
Österreich habe ein cleveres Förderregime aufgebaut, ohne welches die Errichtung von Ladeinfrastruktur gerade in unterversorgten Regionen wesentlich schwieriger wäre, so Hinrichs. Mit der seit April geltenden "AFIR", der Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, werden sowohl qualitative als auch quantitative Mindestanforderungen an die Infrastruktur, zu Zahlungsmodalitäten und Preisinformation vorgegeben. Dadurch soll die unterschiedlich ausgebaute öffentliche Ladeinfrastruktur in den Mitgliedstaaten EU-weit angeglichen werden.
Für das hochrangige Straßennetz bedeute dies, dass zukünftig mindestens alle 60 Kilometer Ladepunkte zur Verfügung stehen müssen. "Die Fördermittel im Bereich E-Mobilität wurden seit 2016 konsequent ausgebaut. Heuer liegen diese bei mehr als 300 Millionen Euro", erklärt Reiner Reinbrech.
Natürlich fokussiere man auf jene Bereiche, die besonders Unterstützung benötigen. Dazu würden im Bereich der betrieblichen Pkw soziale Einrichtungen, Fahrschulen, E-Carsharing-Fahrzeuge oder auch E-Taxis zählen. Ebenso gebe es aktuell bei betrieblicher als auch öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur Fördermöglichkeiten mit maximal drei Millionen Euro pro Unternehmen. Ergänzt wurde hier auch eine neue Förderkategorie für HPC-Ladepunkte mit einer Leistung von mehr als 300 kW.
Um den Hochlauf zu unterstützen, würden zudem Maßnahmen gesetzt, die die verschiedenen involvierten Stakeholder stärker vernetzen. Mit "Ladegrund" wurde eine Matchmaking-Plattform für Grundstücksbesitzer:innen und Ladeinfrastruktur-Betreibern oder Investor:innen geschaffen. Ende 2024 soll eine weitere Vernetzungsplattform "STromnetze für ELEktromobilität" (STELE) aufgebaut werden, die einen engeren Austausch zwischen Netzbetreibern, Playern der E-Mobilitätsbranche und der öffentlichen Hand ermöglichen soll.
E-Mobilität ist gekommen, um zu bleiben
Für Handelsbetreiber wie die Rewe nehme Ladeinfrastruktur ebenfalls einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Stefan Pany sagt dazu: "Allein 2023 wurden vier GWh an Ladeleistung bei der Rewe Group bezogen – das entspricht einer Verdoppelung zu 2022." Pro Tag werden laut dem Rewe Manager in Österreich durchschnittlich 10.000 kWh an aktuell 85 Billa und Billa Plus-Standorten geladen.
Bis 2027 plant die Rewe Group die Anzahl der Ladestationen auf mehr als 600 zu erhöhen. Ziel von Billa sei es, sich vom reinen Supermarkt zum Nachhaltigkeitsmarkt zu entwickeln. Dazu gibt es auch 2024 ein Projekt in der Pilotengasse im 22. Wiener Gemeindebezirk, das ein Bauwerk in Holzbauweise und Öko-Beton ebenso inkludieren soll, wie viele Begrünungsmaßnahmen, Photovoltaikanlagen in Kombination mit einem Speicher und PV-Carports mit leistungsfähiger Ladeinfrastruktur.
Dennoch stoße man auch noch auf diverse Herausforderungen. So sind beispielsweise die regulatorischen Anforderungen bezüglich der erforderlichen Ladepunkte in jedem Bundesland sehr unterschiedlich ausgeprägt: teilweise wird eine Anzahl definiert, teilweise ist die Ladeleistung vorgegeben. "Wir setzen an unseren Standorten klar auf HPC, also ultraschnelles Laden, um den Kund:innen bei einer durchschnittlichen Einkaufszeit von 15 bis 20 Minuten einen weiteren Mehrwert bieten zu können", so Pany.
Tankstelle 2.0 als Mobilitätszentrum für den täglichen Bedarf
Die fortschreitende E-Mobilität wirkt sich natürlich auch auf klassische Tankstellen aus. Deren Betreiber:innen setzen verstärkt auf alternative Kraftstoffe und bauen ihre E-Ladeinfrastruktur aus. "Wir investieren in eine nachhaltige Energiewende. Dazu will unser Mutterkonzern bis 2030 10.000 aktive Ladepunkte in Zentraleuropa bereitstellen", so Matthias Damberger.
Für Tankstellen sei die E-Mobilität eine weitere Chance, die eigenen Services auszubauen und die Anforderungen an den täglichen Bedarf noch stärker an einem bereits etablierten Standort abdecken zu können. Doch würde sich nicht jeder Standort aufgrund eines oftmals begrenzten Platzangebots für den Ausbau eignen. Dass die Anzahl der Tankstellen in den nächsten Jahren zurückgehen wird, glaubt Damberger nicht: "Die klassische Tankstelle wird sich verändern, wir haben hierzu schon verschiedene Standortkonzepte entwickelt."
Orlen (vormals Doppler Energie GmbH - LEADERSNET berichtete) setzt laut eigenen Angaben auf zwei neue Modelle: sogenannte Partnerstandorte könnten mit Ladeinfrastruktur weiter aufgewertet werden und damit die Besucher:innen-/Nutzer:innen-Frequenz erhöhen. Zudem sollen E-Mobility-Hubs, bei denen rein auf E-Mobilität – oft in Kombination mit Photovoltaik und Windkraft – fokussiert werde, stärker an Bedeutung gewinnen. Hier könnten zudem Lademöglichkeiten für den Schwerverkehr geschaffen werden, die an bereits gebauten Standorten nicht immer umsetzbar sind.
LEADERSNET war beim Smatrics E-Mobility Talk. Fotos sehen Sie in der Galerie.
www.smatrics.com
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