Expert:innentalk
So viel Einfluss hat die "Sonntagsfrage" auf das Wahlverhalten

| Redaktion 
| 02.06.2024

Robert Sobotka, Vorsitzender Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs, und Alice Flamant, Vorsitzende Verband der Marktforschung Österreichs, organisierten einen Expert:innentalk über die meistdiskutierte, aber auch umstrittenste Frage der Wahlforschung.

Robert Sobotka (Vorsitzender VdMI; Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs) und Alice Flamant (Vorsitzende VMÖ; Verband der Marktforschung Österreichs) organisierten einen Expert:innen-Talk über die meistdiskutierte, aber auch umstrittenste Frage der Wahlforschung: die Sonntagsfrage. Diese Frage feiert mittlerweile ihr 75. Jubiläum im deutschsprachigen Raum und steht auch im Superwahljahr 2024 im Zentrum des Interesses. Ihre Sinnhaftigkeit, aber auch Grenzen standen im Fokus der Diskussion.

Nur die Spitze des Eisbergs

Das Resümee: die Sonntagsfrage ist als Informationsquelle zum Stand der öffentlichen Meinung vor allem deshalb von Nutzen, da sie reflektiertere Entscheidungen von Wähler:innen ermöglicht. Aus Sicht von Wahlforscher:innen und Politolog:innen ist sie nur die Spitze des Eisbergs. Für seriöse Prognosen von Wahlergebnissen wären vielmehr eine Vielzahl von Faktoren wie der politische Kontext, die Dynamik von Wahlkämpfen als auch unvorhersehbare Ereignisse und Krisen entscheidend, die bei der Interpretation der Sonntagsfrage zu berücksichtigen sind. Für die nächsten Umfragen anlässlich der bevorstehenden Wahlen plädieren die Branchenexpert:innen für höhere Transparenz hinsichtlich der Befragungsmethodik und der Datenanalyse sowie für eine ausgewogene Interpretation der Ergebnisse, die statistisch gegebene Schwankungsbreiten und andere methodisch bedingte Einschränkungen der Aussagekraft einbezieht. Auch die Medien wären in ihrer Rolle als Kommunikator:innen gefordert, die Sonntagsfrage in den richtigen Zusammenhang zu stellen.

Kaum messbar

Für Kathrin Stainer-Hämmerle, Professorin für Politikwissenschaft an der FH Kärnten, sind die Effekte der Sonntagsfrage für das Wahlverhalten kaum messbar. "In der medialen Berichterstattung wird sie weder in ihrer Rolle als reine Momentaufnahme dargestellt, noch den Wähler:innen ausreichend im politischen Kontext erklärt", so die Politologin. "Ohne die größeren Zusammenhänge herzustellen, wäre die Sonntagsfrage genauso wenig für eine valide Vorhersage geeignet wie das Zeitungshoroskop", so Stainer-Hämmerle.

Für den Politikberater Robert Luschnik ist die Sonntagsfrage ein einzelner Puzzlestein einer ganzheitlichen Strategie im Kampagnenmanagement, die in der heutigen Kommunikationslandschaft immer kurzfristigere Anpassungen verlangt. "Als Orientierungshilfe für die Politik ist die Sonntagsfrage besonders in den nächsten Wochen und Monaten wertvoll, weil sie auch zeigt, ob die Segel richtig gesetzt sind." Die Formulierung politischer Botschaften, Slogans und Kampagnen-Sujets abzutesten würde durchaus Sinn machen, aber die eigenen Kernthemen und politische Grundinhalte nach Umfragen auszurichten, hielte Luschnik für fragwürdig.

"Meinungsforscher:innen ist ihre Verantwortung im Zusammenhang mit politischen Umfragedaten durchaus bewusst – dennoch gibt es gerade bei der Interpretation der Sonntagsfrage und ihrer Rolle im demokratiepolitischen Prozess noch Luft nach oben", so Markt- und Meinungsforscherin Christina Matzka von Triple M abschließend.

www.vdmi.at

www.vmoe.at

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