Umriss und Identität
Der Draht windet sich um sich selbst, verwandelt sich in gekräuselte Linien und filigrane Schrauben. Gelegentlich verästelt er sich und franst aus, die nackten Enden bleiben sichtbar – ein Hinweis auf die Täuschung. Fritz Panzer (*1945) denkt die Dinge von ihren Konturen her. Seine Skulpturen verdanken sich Zeichnungen, die durch Drahtgebilde räumlich werden. Panzer formt die äusseren Umrisse nach, lässt die Substanz, das Innere, den Kern und sogar die äussere Hülle der Dinge ausser Acht. Für diese Ausstellung beschränkt er sich auf schwarzen Draht. Die Objekte wirken wie Zeichnungen, die sich wie Frottagen ihrer Aussenkanten zu erkennen geben. Ma nches an diesen Konstruktionen erinnert an gebastelte Platzhalter, anderes an lebensgrosse Attrappen, die den Versuch unternehmen, die Einfachheit der Dinge wiederzugeben. Zuweilen wirken sie wie Dummies, die über den Umgang mit der Leere sinnieren lassen, einem Dasein in der Gegenwart des Nichts.
Dabei folgen Panzers Drahtgebilde keinen ontologischen Experimenten, sondern zeigen sich vielmehr als skulpturale Kommentare über den Gebrauch. Panzer wählt einfache Alltagsgegenstände, die auf ihre Verwendung warten. Er zeigt sie in bescheidener Präsenz, schweigend und geduldig. Hier finden sich ein Koffer, eine Uhr, ein leerer Bilderrahmen, zwei Arbeitsböcke und zwei miteinander verbundene Neonröhren. Die Welt der häuslichen Objekte erscheint als Spur und Nebensächlichkeit, in einer genauso kargen wie lakonischen Beobachtung. Alle diese Dinge sind vertraute Stellvertreter des Lebens, schlichte Zeugen im Stillleben des Ichs.
Constantin Luser (*1976) kommt ebenfalls über die Zeichnung zur Skulptur. Dabei zitiert Luser die Moderne. Manches an seinen feingliedrigen Gebilden erinnert an die Kunst des Bauhaus oder den Konstruktivismus von Antoine Pevsner, anderes an die Mobiles von Alexander Calder oder die Schattenrisse früher Fotografie. Während Panzer die Dinge vereinzelt und ihnen eine vertraute Identität zuschreibt, sind sie bei Luser eher Markierungen von Zuständen und aufgerissen in einem Stellungsspiel flüchtiger Gegenwart. Um zu zeigen, dass Zustände niemals statisch und arretierbar sind, befreit Luser seine Skulpturen von der Wand und erforscht mit hohem Aufwand den Einfallswinkel des Blicks.
Lusers Drahtskulpturen beruhen auf einer Idee der offenen Konstellation. Anders als bei Panzer sind sie weniger Belegstücke eines nüchternen Inventars, sondern Raumstudien über die Eleganz und den Variantenreichtum der Illusion. Vielfach sind sie Schmuckstücken und getriebenem Zierart ähnlich. Luser, der auch surreale Instrumente baut, wählt für seine Objekte edle Metalle, solche, die glänzen und sich kunstvoll drehen lassen. Er präsentiert die räumlichen Umrisse nicht nur als Konturen, sondern in Engführungen und Parallelen, wodurch die Drahtwerke an zeichnerische Schraffuren erinnern. Häufig lässt er seine Werke wie knäuelartige Gebilde frei hängen. Erst durch die Umrundung – sei es durch die eigene Bewegung oder durch die Blickumkreisung der Betrachter: innen – offenbaren sie ihr Konstruktionsprinzip. Nur einen Moment lang wird etwa ein Portraitkopf zu einer Büste, zu einem deutbaren Gesicht.
Text: Thomas D. Trummer
4 Uhr
Fritz Panzer / Constantin Luser
26. August bis 21. Oktober 2023
bechter kastowsky galerie
Poststrasse 48, 9494 Schaan, Liechtenstein
Mi.–Fr. 14–18 Uhr, Sa. 10–14 Uhr und n. V.: +423 798 03 35
www.bechterkastowsky.com
Hanna Roeckle ©bechter kastowsky galerie, Wien
Hanna Roeckle
Natur wird eingefangen und mittels Farbfrequenzen neu interpretiert. Die Formensprache bei Hanna Roeckle ist vielfältig, die Farbnuancen um so mehr.
Jedem Objekt liegt ein grundlegender Korpus zugrunde, welcher sich aus der Beschaffenheit der Natur ableitet – seien es kristalline Formen, oder auch Formen, welche aus Gesteinsformationen entnommen geworden scheinen. Ist die Gestalt dann grundlegend fixiert, wird diese mittels Papier und Karton in den Raum übertragen – es wird somit der Versuch unternommen, eine, der Natur entnommenen, in die zweidimensionale Vorlage übertragenen Grundidee, erneut in die Dreidimensionalität zurück zu führen. Stimmt das Resultat mit der Vorstellung der Künstlerin überein, wird statisch berechnet in welcher Grösse, der jeweilige Korpus gebaut werden kann – und ist dieser Rohling dann bereit, dann folgt jener Part, der jedes einzelne Objekt Roeckles zu einem Unikat macht: Das Farbkonzept.
Verlaufende Konturen lassen die Farben ineinanderfliessen, lösen jede erkennbare Farbgrenze auf und beginnen den Betrachter wahrhaft zu faszinieren. Jedes Objekt erstrahlt in x-fachen Farbfrequenzen. Je nach Blickrichtung, je nach Standort, je nach Lichteinfall wirkt das Kunstwerk von der Farbe her komplett unterschiedlich – Grün wird zu Gold, um dann bei einem weiteren Positionswechsel plötzlich ins Rosa abzudriften. Es ist eine eigene Technik, welche Hanna Roeckle hier anwendet, um eben dieses Changieren, dieses Wechselspiel der Farbe zu erreichen.
Die Rosetta – ein Pentagon – wurde in diesem Jahr von Hanna Roeckle neu interpretiert: es ist eine neue Formensprache entstanden, deren Farbverläufe noch tiefschichtiger und spannender sind, als jemals zuvor. Vier dieser neuen Arbeiten zeigen wir nun zum ersten Mal. Ebenfalls wir die Rosetta Mutation ein Teil der Ausstellung ausmachen. Ein Objekt, das die Statik fordert – ein grosses Pentagramm, welches sich zur Mitte hin öffnet und einen Blick auf die Wand darunter freilässt. Die Crystalline Needles – welche wie Stalagmiten im Raum stehen sind sowohl für den Innen als auch für den Aussenraum gemacht.
Hanna Roeckle hat eigens für die Präsentation in Wien ein Farbkonzept für den Raum erstellt. Jeder Raum dominiert durch eine farbige Wand vor jener sich ihre Werke präsentieren. Eine tolle Installation – eine perfekte Präsentation!
Hanna Roeckles (*1950, Schweizerische und Liechtensteinische Staatsangehörige, lebt und arbeitet in Zürich) Arbeiten sind in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlung vertreten. Im Innen- sowie auch im Aussenbereich. So unter anderem in ICC (International Criminal Court) in Den Haag, der Kunstsammlung Kantonalbank in Zürich, der Mobiliar in Bern, dem Kunstmuseum Liechtenstein, der Art Collection Credit Suisse in Zürich, der First Advisory Sammlung in Vaduz, der Stiftung Liner in Appenzell, der Hilti Art Foundation, Schaan, der Sal Oppenheim Sammlung Zürich, der Sammlung Kunstraum in Siegendorf um nur einige zu nennen.
Hanna Roeckle
9. September bis 4. November 2023
bechter kastowsky galerie
Gluckgasse 3. Mezzanin, 1010 Wien
Do.–Fr. 11–18 Uhr, Sa. 11–15 Uhr und n. V.: +43 1 5121609
www.bechterkastowsky.com
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