Rechte und linke Parteien – same, same but different?

| Redaktion 
| 23.04.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Betrachtet man die politischen Parteien bzw. Teile dieser Parteien des extrem linken und rechten Spektrums in Europa, so kann man mehr Gemeinsamkeiten erkennen, als man auf den ersten Blick meinen möchte. Kann nicht sein, sagen Sie? Ich denke doch. Vor allem in den Medien lassen sich vor allem die sozial-gesellschaftlichen Positionen der extremen Parteien – von Italien bis Schweden über Ungarn, Frankreich, Deutschland oder Österreich – ablesen. Geht es um Fragen der Integration und des allgemeinen "Sittenbildes" einer Gesellschaft, so könnten die Positionen nicht unterschiedlicher sein. Denken wir an die Kinderbuchlesung einer Drag Queen in Wien, die erst kürzlich zu Demonstrationen rechter Gruppen führte, die Linken hielten in großer Überzahl dagegen.

"Viele Übereinstimmungen"

Verlässt man aber diesen sozial-gesellschaftlichen Bereich, gibt es überraschend viele Übereinstimmungen zwischen extrem rechten und linken Gedanken. Sehr verwunderlich ist dabei, dass bei fast allen Extremen eine – mir nicht nachvollziehbare – Liebe zu Russland besteht, die Vertreter:innen sind teils bekennende Putin-Versteher:innen bzw. -Verteidiger:innen. Gleiches gilt auch gegenüber anderen Ländern, wie derzeit etwa China. Auf der anderen Seite herrscht – egal ob rechts oder links – eine regelrechte USA-Feindlichkeit, und Organisationen wie etwa der NATO wird höchstes Misstrauen entgegengebracht.

Etwas versteckter, aber dennoch vorhanden sind Übereinstimmungen in Fragen der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Beide Extreme befürworten grundsätzlich einen "starken" Staat und wollen den Bürger:innen "helfen", indem sie ihnen die Eigenverantwortung abnehmen. Das ist zum Beispiel der große Unterschied zu den extremen Rechten in den USA, die auch in diesem Bereich absolut keine Staatseinmischung wünschen. Dazu vielleicht ein andermal mehr. Nun zurück nach Europa. Dass sich beispielsweise unter den drei Kandidat:innen für den Vorsitz der SPÖ ein Landeshauptmann befindet, der sein Bundesland fast zur Gänze verstaatlichen will – Stichwort "Staats-GmbH"-Gründungen –, wundert in diesem Zusammenhang kaum. Ein anderer Kandidat verehrt Karl Marx und sein Buch Das Kapital und bringt sogleich eine Vermögens- und Millionärssteuer ins Spiel. Außerdem fordert er eine 32 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Im Grunde genommen fand und findet sich bei extrem rechten Parteien das gleiche Spiel. Mit einer Ausnahme vielleicht, die da lautet, dass Wohltaten nur den Bürger:innen des jeweiligen Landes zugute kommen sollten. Gleich ist auch, dass dies alles der Staat (also die Steuerzahler:innen) bezahlen soll und wenn die Steuern nicht ausreichen – was heutzutage meist der Fall ist – eben durch Schulden zu finanzieren ist. Übereinstimmung findet sich auch in der Tatsache, dass versucht wird, die Bürger:innen mit sogenannten "einfachen Antworten" und populistischen Ideen zu überzeugen. Und wer soll das bezahlen außer die Druckerpresse?

Allen gleich ist auch, dass all diese sozialpolitischen Ideen – sei es von links oder rechts – schon mal ausprobiert worden sind und immer zum Scheitern verurteilt waren. Dabei meine ich nicht nur, dass die Finanzierungsideen, wie beispielsweise die Erbschaftssteuer oder Gewinnabschöpfung, die in der jüngeren Vergangenheit schon ausprobiert worden sind, nicht den erwünschten Erfolg gebracht haben. Im Gegenteil, es wurde dadurch eher die Gefahr heraufbeschworen, dass Firmen und Kapital ganz abwandern und so den Untergang eines Landes noch beschleunigen. Ein Blick zurück in die weiter entfernt liegende Vergangenheit zeigt, dass rechtsnationale Regierungen bzw. Länder (auch wenn es zu keinen Kriegen gekommen wäre) wirtschaftspolitisch gescheitert sind bzw. wären. Dies trifft auf Italien, Deutschland aber auch Spanien zu. Aus der jüngeren Geschichte ist Ungarn ein weiteres Land, welches ohne die Hilfe der EU wirtschaftlich zumindest am Straucheln wäre. Alle sozialistischen Länder sind ebenfalls mit ihren wirtschaftspolitischen Systemen gescheitert. Wie ich selbst aus meiner Erfahrung nach der Wiedervereinigung bei der Treuhandanstalt berichten kann, ist, dass z. B. die DDR und alle Ostblockstaaten durch diese Wirtschaftspolitik in den Ruin getrieben wurden.

"Alles Extreme ist schlecht"

Nicht umsonst hat meine Großmutter schon gesagt „Alles Extreme ist schlecht". Dem kann ich nur beipflichten. Nicht nur, dass solch wirtschaftspolitische Ideen meist zum Scheitern verurteilt sind, sie bergen auch noch ein weiteres Risiko. Wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, neigen Regierungen, deren extreme wirtschaftspolitische Ideen zu scheitern drohen eben auch dazu, demokratiepolitische Grundsätze über Bord zu werfen und eher diktatorisch zu reagieren, um ihre Macht zu erhalten.

Lassen Sie uns deshalb genau hinsehen, was einzelne Parteien versprechen und wofür sie stehen. Lassen wir uns nicht von einfachen Antworten, die gar keine sind, blenden. Lassen Sie uns grundsätzlich vorsichtig sein, wenn es um Extreme geht.

www.jti.com


Kommentare auf LEADERSNET geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors bzw. der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion. Im Sinne der Pluralität versuchen wir unterschiedlichen Standpunkten Raum zu geben – nur so kann eine konstruktive Diskussion entstehen. Kommentare können einseitig, polemisch und bissig sein, sie erheben jedoch nicht den Anspruch auf Objektivität.

Entgeltliche Einschaltung

leadersnet.TV