Mit dem Austrian Investing Report 2022 wurde erstmals das vorbörsliche Investitionsgeschehen in Österreich umfassend untersucht. Die nun gewonnenen Erkenntnisse geben Aufschluss über die Investitionsmotive und das Verhalten sowohl von Angel- als auch von institutionellen Investor:innen. Der Bericht soll zur Ausgestaltung förderlicher Rahmenbedingungen für innovative Jungunternehmen beitragen.
Der Auftrag erfolgte gemeinschaftlich von der Austrian Angel Investors Association (aaia), der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) und der Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws). Die Studie wurde vom WU Entrepreneurship Center und dem Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria durchgeführt.
Herausforderung Kapital einzufordern
Trotz der wichtigen volkswirtschaftlichen Bedeutung wird es im Moment für innovative Jungunternehmen herausfordernder, in frühen Phasen Kapital einzusammeln.
"Am vorbörslichen Kapitalmarkt ist es fünf vor zwölf – Österreich muss hier die Weichen für ein entsprechendes Finanzierungsumfeld schaffen. Mit unserer Studie wird die aktuelle Situation für Innovationsträger:innen, Start-ups und Scale-ups verdeutlicht: Die aktuelle Marktlage führt zu erheblichen Herausforderungen im Finanzierungsprozess, welche weitreichende Folgen für den nationalen Wirtschaftsstandort nach sich ziehen werden. Dahingehend gilt es, bereichsübergreifende Partner:innenschaften zu stärken und gemeinsam strukturelle Änderungen auf politischer Ebene mit Nachdruck voranzutreiben", so Christiane Holzinger, aaia Boardmember und Business Angel.
"Start-ups sind für den österreichischen Wirtschaftsstandort wichtige Innovationstreiber. Trotz dieser Bedeutung wird es aktuell für innovative Jungunternehmen herausfordernder, in frühen Phasen Kapital einzusammeln. Dies sehen wir nicht nur in unserer täglichen Arbeit als Förderbank des Bundes, sondern bestätigt auch der Austrian Investing Report. Die Untersuchung zeigt aber auch, für mehr als 70 Prozent der Investor:innen geht von öffentlichen Förderungen und Garantien für Start-ups eine positive Signalwirkung aus. Insbesondere im aktuell herausfordernden Marktumfeld schaffen aws Förderungen und Garantien positive Anreize, gleichzeitig bauen die Matching-Services im Rahmen von aws Connect wichtige Brücken zwischen Start-ups, Investor:innen und Corporates", sagt aws Geschäftsführer Bernhard Sagmeister.
Schwieriges Investitionsumfeld
Für 2023 zeigt sich aus Sicht der Beteiligungsunternehmen ein schwieriges Investitionsumfeld, wie Nikolaus Graf, Leiter des Forschungsbereichs Wettbewerbsfähigkeit bei EcoAustria ausführt: "Institutionelle Investor:innen und Angel Investor:innen planen 2023 eine Verringerung der Zahl der Beteiligungen sowie eine Erhöhung der Veräußerungen. Dabei sehen zumindest die Vertreter:innen der institutionellen Investor:innen eine Ausweitung des investierten Kapitals vor. Angel Investor:innen planen hingegen eine Verringerung des investierten Kapitals."
Thematisch liegt der Investitionsfokus bei beiden Gruppen auf den Bereichen Gesundheit und Medizintechnik, Energie und künstliche Intelligenz.
Geschäftsmodell und Technologie
Über 82 Prozent der befragten Investor:innen nannten das Geschäftsmodell als Entscheidungskriterium für Investitionen, fast 73 Prozent die Technologie. Mit 21 Prozent steht als oberstes Motiv für Investor:innen die Rendite im Vordergrund. Nicht viel seltener werden aber auch die Unterstützung der Gründer:innen (18 Prozent), der Spaß an der Zusammenarbeit (17 Prozent) und die Weitergabe von Know-how (12 Prozent) als Motive genannt.
"Durchaus überraschend ist der hohe Fokus auf Investments in österreichische Wachstumsunternehmen. Mehr als 56 Prozent der Beteiligungen werden an österreichischen Unternehmen gehalten. Das ist positiv und wichtig für den Standort", so Rudolf Dömötör, Direktor WU Gründungszentrum.
Interessant ist auch, dass Angel Investor:innen im Vergleich zu institutionellen Investor:innen laut Report stärker zwischen einzelnen Anlageformen diversifizieren. So entfallen etwa 21 Prozent des investierten Vermögens auf Start-ups, Scale-ups und Spin-offs, 31 Prozent auf Immobilien, 21 Prozent auf Aktien bzw. Anleihen und 14 Prozent auf KMU und bestehende Unternehmen.
Institutionelle Investor:innen agieren hingegen mit stärkerem Fokus auf Start-ups, Scale-ups und Spin-offs. Rund 77 Prozent ihres investierten Vermögens entfällt auf diese Gruppen von Unternehmen.
Partner:innen schaften und Kooperationen gefragt
Die Studie unterstreicht, dass Investor:innen bei Finanzierungen meist kooperativ in Partner:innenschaften mit anderen Anleger:innen vorgehen. Nur etwa ein Fünftel der Studienteilnehmer:innen gab an, im Zuge von Finanzierungsrunden alleine zu investieren. Unterschiede zwischen Angel Investor:innen und institutionellen Investor:innen ergeben sich allerdings in der Auswahl ihrer Kooperationspartner:innen. Angel Investor:innen kooperieren stärker mit anderen Angels (58 Prozent) und institutionelle Investor:innen häufiger mit anderen institutionellen Investor:innen (33 Prozent).
Für die Auswahl der Partner:innen sind insbesondere persönliche (47 Prozent), berufliche (34 Prozent) aber auch kuratierte Netzwerke (17 Prozent) ausschlaggebend.
Maßnahmenpaket gefordert
"In Zeiten wie diesen sind Maßnahmen zur Aktivierung von mehr Investitionen in Start-ups und Jungunternehmen bedeutender als je zuvor. Aktuelle, globale Entwicklungen werden ihren Stempel hinterlassen, umso mehr gilt es, die Rahmenbedingungen für unsere innovativsten Köpfe an diese Entwicklungen anzupassen", so Amelie Groß, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Darunter fallen etwa der Abbau bürokratischer Hürden bei der Gründung, Anreizsysteme für eine zeitgemäße Mitarbeiter:innenbeteiligung oder rechtliche Rahmenbedingungen, die Wachstum fördern.
www.aaia.at
www.aws.at
www.avco.at
www.wko.at
www.wu.ac.at
www.ecoaustria.ac.at
Kommentar schreiben