LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Werksnies, Sie waren bis zum Sommer Österreich-Geschäftsführer eines großen IT-Konzerns und haben sich nun selbstständig gemacht. Wie viel Bauchweh ist bei einer derart einschneidenden Entscheidung – überhaupt in unsicheren Zeiten wie diesen – dabei?
Werksnies: Na ja Bauchweh würde ich es nicht nennen, es waren schon ein paar aufreibende Monate und Wochen mit viel Kopfkino. Doch zum Glück habe ich viele Freund:innen und Kollegen:innen mit denen ich mich austauschen konnte und mir so viele Unsicherheiten genommen wurden. Doch so ganz geht ein Unsicherheitsgefühl nicht weg und irgendwann bleibt nur die Entscheidung jetzt oder nie. Die erste Woche nach der Gründung konnte ich wirklich nicht schlafen, doch ich würde nicht sagen, dass es mir schlecht ging, ich war einfach so aufgeregt und alles in einem echten Flow.
Bezüglich der unsicheren Zeiten ist es immer eine Frage des Blickwinkels. Kennen Sie diese Schwungscheiben auf einem Kinderspielplatz? Diese die sich ohne weiteres Zutun immer schneller drehen? Ich glaube die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren sogar noch mehr Fahrt aufnehmen wie so eine Schwungscheibe. Flugreiseportale sind für die jungen Generationen nicht wegdenkbar. Ich glaube es ist sogar der Kipppunkt erreicht, wo wir vor gerade einmal zehn Jahren diskutiert haben, wie wir Online-Banking für ältere attraktiv machen müssen und keine zehn Jahre später haben wir die Situation, dass die meisten Menschen, die in fünf Jahren Reisen buchen, nie in einem Reisebüro gewesen sind.
LEADERSNET: Wie sind sie mit dem Start Ihrer neuen Firma, der 3 Hills IT, zufrieden und haben sie den Schritt schon einmal bereut?
Werksnies: Bereut - auf keinen Fall! Wir wollten ursprünglich mit Jänner 2023 starten, doch viele Kund:innen signalisierten uns, dass sie sofort loslegen wollen und die Zeit des Wartens vorbei ist. Also haben wir innerhalb eines Monats den kompletten Gründungsschritt inkl. Firmenbucheintrag und Gewerbeanmeldung auf die Beine gestellt. Das funktioniert in Österreich wirklich gut und wenn die Prozesse ein wenig durchschaut sind, ist das Unternehmensservice Portal eine echte Sensation. Wir kannten ja vorher nur das "Kaufhaus Österreich" – nein Spaß. Da wir mittlerweile ein Büro haben, können wir seit ein paar Wochen produktiv arbeiten. Im wunderschönen Altbau fühlen sich die Mitarbeiter:innen sehr wohl und die kleine, aber doch feine Dachterrasse ist selbst bei kalten Temperaturen immer ein Feierabendbier wert. Also nein, ich habe es noch nie bereut und bin mit unserem Start sehr zufrieden.
Wenn ich darf, würde ich mich an dieser Stelle auch gerne bei meinen Mitstreiter:innen in aller Förmlichkeit bedanken, ohne sie wäre es nicht möglich gewesen.
LEADERSNET: Der IT-Bereich bietet viele Möglichkeiten und Chancen, die Nachfrage nach Dienstleistungen und Services in der Branche ist hoch. War das der ausschlaggebende Grund für den Schritt in die Selbstständigkeit?
Werksnies: Unser Motto ist "Individuelle Lösungen für Software & People" und es war unser ganz großes Ziel, in die doch von 1 und 0 geprägten Softwareprojekte mehr Menschlichkeit zu bringen. Die meisten Softwareprojekte, die ich in meiner Vergangenheit begleitet habe, sind gescheitert, da einfach nicht alle Beteiligten in der Organisation mitgemacht haben.
Wir haben also ganz klar gesagt, unsere Softwareprojekte sind erst dann erfolgreich, wenn sie mindestens drei Jahre in Betrieb waren. Nach drei Jahren ist es okay, wenn Veränderungen eintreten. Die Erfahrung zeigt mir nur, dass wir eher zu lange an bestehenden Prozessen und Strukturen festhalten und so die Wettbewerbsfähigkeit zu kurz kommt.
Bei den Chancen kommt es immer auf die Möglichkeiten an. Wir sind unglaublich schnell und flexibel, wir können uns innerhalb von Tagen auf den Kundenbedarf ausrichten. Derzeit herrscht in der IT ein absoluter Anbietermarkt, da es genug Aufträge für alle gibt und die Frage ist nur, wer kann überhaupt liefern und nicht nur leere Versprechungen machen.
LEADERSNET: Derzeit werden händeringend Fachkräfte gesucht. Was ist die Lösung der 3 Hills IT?
Werksnies: Ein wirkliches Lösungskonzept haben wir nicht. Es ist jedoch etwas enorm Spannendes passiert, als wir angekündigt haben, dass wir was eigenes machen, sind auf einmal aus allen Ecken alte Bekannte und Weggefährten gekommen und haben gesagt, das finden sie cool, da machen sie mit. Somit ist sehr schnell die Situation entstanden, dass wir bremsen mussten, da uns sonst der Cashflow in die Knie gezwungen hätte. Wir haben dann bei mir im Wohnzimmer am Tisch gesessen und gerätselt, woran es liegt. Ehrlich gesagt, wir wissen es nicht, doch ich glaube gute Leute wollen an interessanten Projekten mit anderen guten Leuten arbeiten. Diese Kombination ergibt sich gerade bei uns.
LEADERSNET: Ihr neues Unternehmen bietet individuelle IT-Großprojekte und Changemanagement an. Welchen Vorteil für Kund:innen kann diese Kombination bringen?
Werksnies: Sie meinen, das wir eine Softwareentwicklung und digitale Transformationsmanagement-Abteilung, die sich mit Change Management beschäftigen, haben? Diese beiden Personen sitzen normalerweise nie an einem Tisch und benötigen auch einen Übersetzer, um miteinander zu sprechen. Österreichische Firmen haben mittlerweile alle verstanden, dass sie ihre Prozesse digitalisieren müssen. Also haben die meisten einfach einmal angefangen. Das ist auch gut so, doch meistens fehlt der langfristige Plan und irgendwann stellt jeder fest, dass da und dort auch noch Mitarbeiter:innen sind, die die Systeme bedienen müssen. Diese im Nachgang mit an Bord zu holen ist um ein Vielfaches aufwändiger und schwieriger als von Beginn an. Daher haben wir die beiden Themen kombiniert, setzten unsere Projekt Agil um und begleiten die Fachbereiche von Beginn an. So werden Bedürfnisse erfüllt und alle sind ein Teil des großen Ganzen. Wenn jetzt noch die Kommunikation ins Unternehmen bzgl. der Veränderung gelingt, dann ist es schon die halbe Miete auf dem Weg zum Gipfel der digitalen Transformation. Übrigens unser zweiter Slogan.
LEADERSNET: Abschließend noch eine allgemeinere Frage: Worin sehen Sie die größten Vorteile der Selbstständigkeit im Vergleich zu ihrem vorherigen Job als Top-Manager?
Werksnies: Puh, hätten Sie mich nach den Nachteilen gefragt, wäre es nur so aus mir herausgesprudelt, denn jede:r, die:der einmal schlaflose Nächte möchte - und glauben Sie mir, da hilft kein Schlafmittel der Welt -, der muss ein Unternehmen gründen. Besonders der Faktor Mitarbeiter:innen und die damit verbundenen laufenden Kosten, sowie Verantwortlichkeiten sind enorm.
Doch die Abschlussfrage soll wohl in die Think positive Richtung gehen. Also die Vorteile: jede E-Mail, die ich derzeit schreibe, jeden Termin, den ich abhalte, macht mich unglaublich stolz und erfüllt mich mit Freude. Gemeinsam mit dem Team arbeiten wir daran, Strukturen zu etablieren und eine Marktpräsenz zu gewinnen. Jeder kleine Schritt ist für mich sichtbar und gibt mir Schwung. Es ist ein wenig wie bei Eltern mit einem kleinen Kind, obwohl fast alle das Gehen erlernen, gibt es mit ihnen kaum ein anderes Thema, als das ihr Kind großartig ist, da es krabbeln kann. In der Firma geht es mir jetzt so ähnlich, vorher hatte das alles einen formelleren Charakter.
www.3hillsit.com
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