LEADERSNET: In der Medienbranche ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Noch nie wurde so viel kommuniziert und dennoch so wenig gesprochen. Wohin wird sich die Kommunikation aus deiner Sicht entwickeln?
Prantner: Kommunikation ist und bleibt ein ganz entscheidender Faktor in allen Lebensbereichen – in der Politik, genauso wie in den Medien und in der Wirtschaft, für den Erfolg eines Unternehmens, seines Managements und seiner Produkte. Gerade in Krisenzeiten ist professionelles Kommunizieren an Medien, Mitarbeitende und Kund/innen unverzichtbar. Kommunikation wird an Bedeutung gewinnen – und zwar unabhängig auf welchem Weg Messages und News transportiert werden. Aktualität, Transparenz und die zielgruppenaffine Aufbereitung von Informationen sind die drei wichtigsten handwerklichen Musts für effiziente Medienarbeit. Die klassischen Werte Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Verlässlichkeit überdauern alle Social-Media-Trends und disruptive Entwicklungen und sind besonders in Zeiten von Fake News und Populismus stabile Garanten für erfolgreiche Kommunikation.
LEADERSNET: Du hast in deiner 34-jährigen ORF Karriere viele Generaldirektoren erlebt. Wie ist es dir mit den einzelnen gegangen?
Prantner: Alle sieben ORF-Generalintendant:innen bzw. -direktor:innen waren bzw. sind unterschiedliche Persönlichkeiten, die in unterschiedlichen Zeiten und Phasen das Unternehmen entscheidend geprägt haben. Ich hatte das große Glück mit den meisten meiner Chefs sehr eng zusammenarbeiten zu dürfen. Als Büroleiter von Gerhard Zeiler, als Pressesprecher und Kommunikationschef unter Gerhard Weis und als Marketingchef unter Monika Lindner. Alexander Wrabetz gab mir die Chance als Direktor für Online und neue Medien in seinem Geschäftsführungsteam entscheidende Weichenstellungen bei der Entwicklung des ORF zum modernen Multimedia-Unternehmen mitzugestalten. Mit dem neuen Generaldirektor Roland Weißmann verbindet mich eine jahrelange wertschätzende und kollegiale Zusammenarbeit.
LEADERSNET: Der ORF hat sich unter deiner Ägide digitalisiert. Welche Meilensteine sind hier aus deiner Sicht zu verzeichnen?
Prantner: Ganz sicher die Gründung der ORF TVthek 2009, die heute die größte Videoplattform Österreichs ist. Darüber hinaus haben wir mit dem Launch zahlreicher Apps, der ORF-Radiothek und eines Smart-TV-Angebots die Digitalisierungsoffensive des ORF offensiv vorangetrieben.
LEADERSNET: Die ORF TV-Thek ist ebenfalls in deiner Zeit entstanden. Wie war hier die Entstehungsgeschichte?
Prantner: 2007 beschlossen wir in der Geschäftsführung unter dem neuen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz eine neue Onlinestrategie, nämlich die Vernetzung und Verschränkung von Fernsehen, Radio und Online. Die bisher strikt getrennt produzierten Medien sollten zusammenwachsen, einander promoten und unterstützen.
Kernstück dieser neuen Digitalstrategie war die Gründung einer eigenen Streaming- und Video-on-Demand-Plattform, um dem geänderten Mediennutzungsverhalten in Richtung zeit- und ortsunabhängigem Konsum von TV-Programmen Rechnung zu tragen. Als dann alles fertig entwickelt war - von der Produktentwicklung, dem Redaktionsmanagement bis zur technischen Infrastruktur in Top-Qualität – fehlte nur noch ein Name. Denn meiner Überzeugung nach ist es für den Erfolg jedes Produkts ganz entscheidend dieses als Marke zu denken. Wir erfanden einen Namen und einen Claim: "ORF TVthek Fernsehen wann und wo Sie wollen". Heute – 13 Jahre später – gehört die ORF TVthek mit einer gestützten Markenbekanntheit von rund 80 Prozent zu den bekanntesten und beliebtesten Digital-Marken Österreichs.
LEADERSNET: Wie wird das Fernsehen der Zukunft aus deiner Sicht funktionieren – ist Fernsehen neu zu denken?
Prantner: Die seit Jahren immer wieder aufgestellte und nie bewiesene Behauptung, dass lineares Fernsehen tot sei und Content nur mehr digital genutzt werde, hat sich als Fehlprognose erwiesen. Alle Studien belegen, dass die Nutzungszeiten für lineares TV nach wie vor auf sehr hohem Niveau sind. Dazu kommt noch , dass lineare TV-Programme, Sendungen und Kurz-Videos in der Digitalwelt (von Mediatheken, mobilen Devices, im Smart-TV und in sozialen Medien) in jeweils unterschiedlicher Form live und on demand genutzt werden. Entscheidend für den Erfolg von Bewegtbild ist immer die Qualität des Contents, die technische Performance und die Transformation in neue Digitalformate, um die jüngeren Zielgruppen zu gewinnen. Vor allem Information, Regionalität, Live-Übertragungen von Sport- und Kultur-Events und Top-Filme- und Serien sind die wichtigsten Contents, die einem Medienunternehmen Quoten und damit Relevanz auf allen Plattformen bringen.
LEADERSNET: Das Klassikportal "myfidelio" hat sich gut entwickelt. Kann man mit solchen Formaten auch die Jugend begeistern?
Prantner: Ja, absolut. "Fidelio" wurde als digitales Klassikportal vom ORF und der deutschen UNITEL gegründet und hat sich dank eines vielfältigen Musik-Angebots gut etabliert. Ich habe rund zwei Jahre lang seitens des ORF-Managements die Aufbauarbeit der Fidelio-Geschäftsführung unterstützt und ganz wichtig waren in dieser Zeit Kooperationen mit Musikschulen, Kulturinstitutionen, einigen Bundesländern und Sponsoring-Partnern aus der Wirtschaft, wie Raiffeisen NÖ-Wien oder der Kärntnermilch.
LEADERSNET: Du bringst deine 34-jährige ORF Erfahrung nun in eine selbständige Tätigkeit ein. Was wirst du tun und wer werden deine ersten Kund:innen sein?
Prantner: Es ist - glaube ich - eine gute Mischung aus Managementerfahrung, Expertise in den Bereichen Kommunikation, Marketing und Digitalisierung und einem sehr breit aufgestellten Netzwerk in Medien, Wirtschaft und Politik, die es mir nach 34 Jahren ORF möglich macht, diesen Weg in die Privatwirtschaft höchst motiviert und optimistisch anzutreten. Für mich beginnt eine persönliche Zeitenwende und der Aufbruch in einen neuen beruflichen Abschnitt als selbständiger Unternehmer. Ich starte mit 1. Oktober 2022 die Consultingfirma C³ - Communications-Connecting-Consulting, mit der ich Unternehmen und Betrieben aus ganz Österreich Beratungsleistungen im Bereich strategische Unternehmenskommunikation, Marketing und Digitalisierung anbieten werde.
LEADERSNET: Darf man sich auf die Zukunft freuen oder muss man diese mit Respekt erwarten?
Prantner: Eine sehr philosophische Frage, die relativ pragmatisch zu beantworten ist: Das Eine schließt das Andere nicht aus. Es ist alternativlos, sich mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft auseinanderzusetzen und an Lösungen für die Problemstellungen kreativ und offensiv mitzuwirken. Bei aller hektischen Betriebsamkeit, harten Konkurrenzkämpfen und den Notwendigkeiten des operativen Tagesgeschäfts soll der Respekt vor den Leistungen anderer, die gegenseitige Wertschätzung und das Miteinander nie außer Acht gelassen werden.
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