"Altbeton ist ein begehrter Rohstoff"

Recycling von Beton kann die Kreislaufwirtschaft im heimischen Bauwesen beschleunigen.

Das Thema Kreislaufwirtschaft hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Die EU-Abfallrahmenrichtlinie formuliert beispielsweise den Übergang zur Kreislaufwirtschaft als Ziel. Sie verlangt von den Mitgliedstaaten ausdrücklich etwa die Förderung nachhaltiger Produktions- und Konsummodelle. Auch die Baubranche ist davon nicht ausgenommen.

Im "Circularity Gap Report – Austria" der Altstoff Recycling Austria (ARA) wird als einer wichtigsten "Stellhebel" zur Förderung geschlossener Kreisläufe neben dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern und forciertem Recycling vor allem auch die Wiederverwendung von Bauten und Baustoffen bei Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen sowie eine deutliche Verbesserung des Recyclings in den Herkunftsländern genannt. Damit ließe sich die Zirkularität der heimischen Volkswirtschaft auf über 37 Prozent vervierfachen. "Dies zeigt die Bedeutung des Bau- und Infrastrukturbereichs für das Recycling und für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft deutlich auf", kommentiert der Interessensverband Betonmarketing Österreich (BMÖ) den Bericht.

Nahezu 100-prozentige Kreislaufwirtschaft

Für den Baustoff Beton gibt es eine beinahe 100-prozentige Kreislaufwirtschaft. In Österreich fallen jährlich rund drei Millionen Tonnen Altbeton an. Hiervon werden über 97 Prozent stofflich wiederverwertet. "Altbeton ist ein begehrter Rohstoff. Er wird einerseits für lose Schüttungen im Unterbau eingesetzt und andererseits aufgearbeitet für die Herstellung von neuem Beton verwendet, mit dem Vorteil, primäre Rohstoffe wie Kies, Sande etc. einsparen zu können", merkt BMÖ dazu. Um eine perfekte Kreislaufwirtschaft im Bereich Beton zu erzielen, sei eine Verwendung von Altbeton ausschließlich für die Herstellung von neuem Beton, Recyclingbeton, anzustreben.

Vertreter der Betonwirtschaft beziffern das Einsparungspotenzial an natürlichen Rohstoffen durch die Verwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen im Beton mit zehn bis 15 Prozent. Erhöht werden könnte diese Quote, wenn mehr qualitativ hochwertiges Recycling-Material zur Verfügung stehen würde.

"Die heimische Betonbranche hat in den letzten Jahren bereits zahlreiche Maßnahmen zur Förderung von kreislauffähigem Bauen gesetzt: Fortschritte gab es vor allem bei der Weiterentwicklung der Betonrezepturen sowie in der technischen Entwicklung der Nassaufbereitung von rezyklierten Materialien", teilt Betonmarketing Österreich mit. Dank dieser Innovationen sei rezykliertes Material als Ersatz für natürliche Gesteinskörnungen heute in der gleichen Qualität verfügbar wie Naturmaterialien. Die Aufbereitung des Materials erfolge selten direkt auf der Baustelle, sondern aufgrund des erforderlichen Aufwandes häufiger in zentralen Aufbereitungsanlagen, die sich auf die Herstellung von Recycling-Gesteinskörnungen für Beton spezialisiert haben.

Schweiz als Vorreiter bei Förderung rezyklierter Baustoffe

Ungeachtet der Fortschritte in der Baustoffbranche gibt es Nachholbedarf auf Seiten öffentlicher wie privater Auftraggeber sowie Infrastruktur-Betreiber. "Gerade bei öffentlichen Ausschreibungen wäre es ein Leichtes, den Einsatz von Recycling-Material durch konkrete Fördermaßnahmen zu forcieren", meint etwa Franz Denk, Geschäftsführer von Wopfinger Transportbeton, einem Recycling-Pionier der ersten Stunde.

© Wopfinger Transportbeton
Franz Denk © Wopfinger Transportbeton

Als Vorbild nennt Denk das Schweizer System, das zwar kantonsweise Abstufungen kennt, jedoch die Kreislauffähigkeit der verwendeten Materialien in Ausschreibungen fix integriert hat. Als Vertreter eines Baustoffunternehmens, das sich auf den fach- und umweltgerechten Einsatz von Baurestmassen spezialisiert hat, wünsche er sich mehr Offenheit für neue Technologien und eine höhere Umsetzungsgeschwindigkeit in der Bauwirtschaft. "Um zirkuläres Bauen in Österreich voranzubringen, müssen wir Recyclingbeton in den Köpfen und Herzen von Bauträgern besser verankern", ist Denk überzeugt.

100 Prozent Qualität bei null Prozent Abfall

Seit 2018 ist in Österreich eine neue Betonnorm in Kraft, mit der eine EU-Norm als Grundlage für den Ausbau kreislauffähiger Bauweisen umgesetzt wird. Sie bietet die Möglichkeit, aufbereiteten "Altbeton" im Hoch- und Tiefbau zu verwenden. "Je sortenreiner das aufgebrochene Baumaterial, umso größer ist das Einsparungspotenzial an natürlicher Gesteinskörnung und umso höherwertiger der Recyclingbeton", erläutert Christoph Ressler, Geschäftsführer des Güteverbandes Transportbeton (GVTB).

Die neuen technischen Möglichkeiten für den Einsatz eines jahrhundertalten, bewährten Baustoffes seien daher so vielfältig wie noch nie zuvor. Dank neuester Verfahren bei der Materialaufbereitung können Störstoffe bei rezyklierten Gesteinskörnungen besser entfernt und damit höhere Qualitäten von Beton produziert werden. Die Verwendung von Recyclingbeton ist nicht auf die Anwendung im Innenbereich beschränkt. Auch im Außenbereich kann dieser Baustoff eingesetzt werden, wenn die verwendete rezyklierte Gesteinskörnung eine entsprechende Qualität aufweist.

Aktuelle Beispiele für zirkuläres Bauen mit Recyclingbeton

BMÖ nennt in einer Aussendung drei aktuelle Beispiele für zirkuläres Bauen mit Recyclingbeton. Am Wienerberg in Wien-Favoriten wurde das Gebäude des ehemaligen Coca-Cola-Werkes rückgebaut. Statt eines kompletten Abrisses wurden wesentliche Teile für den Neubau des Biotope City Quartiers an gleicher Stelle wiederverwertet. Insgesamt integrierten die beteiligten Firmen 30.000 Kubikmeter Sekundärmaterial beim Bau. Davon wurden anteilig 16.000 Kubikmeter Baumaterial gebrochen, gesiebt, klassifiziert und wiederverwendet, um Schüttmaterial und Gesteinskörnung für neuen Beton zu gewinnen.

Im Herbst des vergangenen Jahres wurde das mehr als 50 Jahre alte Schulgebäude in Anif (Salzburg) rückgebaut. Dabei wurden – neben dem Holzdachstuhl – erstmals 1.600 Tonnen Beton für das Recycling-Projekt der Salzburg Wohnbau gewonnen. Die neue Volksschule wird neben einer Turnhalle auch ein überdachtes Freideck erhalten, welches das "Lernen im grünen Klassenzimmer" ermöglicht. Weiters läuft bei Salzburg Wohnbau ein Forschungsprojekt zum Thema "Erhöhung der Recyclingquote bei Abbruchmaterial" mit Schwerpunkt auf Recyclingbeton. Kooperationspartner sind dabei die Universität Salzburg, die Fachhochschule Salzburg, Deisl-Beton, Steiner-Bau sowie die Bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg. Ziel ist es, bei Neubauten einen Anteil von Recyclingbeton bis 70 Prozent zu ermöglichen.

Nicht nebeneinander, sondern gemeinsam und generationenübergreifend unter einem Dach leben – das ist die Grundidee des Wohnprojekts des Vereins GeWoZu (Gemeinschaftliches Wohnen – die Zukunft) in Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich), dem sich zwölf Parteien verschrieben haben. Um bei diesem gemeinschaftlichen Wohnprojekt leistbaren und nachhaltigen Wohnraum zu schaffen, verlangte der Bauherr dezidiert nachhaltige Baumaterialien. Bei einem Gesamtvolumen von über 650 Kubikmeter Beton wurden circa 250 Kubikmeter Recyclingbeton – auch "Ökobeton" genannt – von Wopfinger überall dort verbaut, wo es bautechnisch möglich war. (red)

www.baustoff-beton.at

Zahlen und Fakten zum Baustoff-Recycling in Österreich

  • Laut Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus gibt es jährlich rund zehn Millionen Tonnen mineralische Bau- und Abbruchabfälle in Österreich, davon rund drei Millionen Tonnen Altbeton. Über 97 Prozent des Altbetons werden stofflich wiederverwendet.
  • Wie wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, emittiert der Abbau einer Tonne Kies rund 1,8 Kilogramm Treibhausgase mehr als die Herstellung einer Tonne rezyklierter Gesteinskörnung. Daher gilt es vor allem im städtischen Bereich das Potenzial von wiederverwertbarem Beton stärker auszuschöpfen.
  • Laut österreichischer Betonnorm, ÖNORM B 4710-1, gibt es vier Typen rezyklierter Gesteinskörnung, die als Ersatz für natürliche Rohstoffe zulässig sind: sortenreinen Betonbruch (RB-A1), Betonbruch mit maximal zehn Prozent Asphalt (RB-A2), wiederaufbereitete natürliche Gesteinskörnung (RG-A3) und aufbereiteten Hochbau-Splitt mit maximal 30 Prozent Ziegelanteil (RH-B).

    Die RB- und RG-Produkte werden in Österreich bereits vielfach eingesetzt. So zum Beispiel bei der Erneuerung von Autobahn-Fahrbahnen, wo Altbeton vor Ort aufbereitet und zum großen Teil wieder für die Herstellung des neuen Fahrbahndeckenbetons verwendet wird.

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Zahlen und Fakten zum Baustoff-Recycling in Österreich

  • Laut Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus gibt es jährlich rund zehn Millionen Tonnen mineralische Bau- und Abbruchabfälle in Österreich, davon rund drei Millionen Tonnen Altbeton. Über 97 Prozent des Altbetons werden stofflich wiederverwendet.
  • Wie wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, emittiert der Abbau einer Tonne Kies rund 1,8 Kilogramm Treibhausgase mehr als die Herstellung einer Tonne rezyklierter Gesteinskörnung. Daher gilt es vor allem im städtischen Bereich das Potenzial von wiederverwertbarem Beton stärker auszuschöpfen.
  • Laut österreichischer Betonnorm, ÖNORM B 4710-1, gibt es vier Typen rezyklierter Gesteinskörnung, die als Ersatz für natürliche Rohstoffe zulässig sind: sortenreinen Betonbruch (RB-A1), Betonbruch mit maximal zehn Prozent Asphalt (RB-A2), wiederaufbereitete natürliche Gesteinskörnung (RG-A3) und aufbereiteten Hochbau-Splitt mit maximal 30 Prozent Ziegelanteil (RH-B).

    Die RB- und RG-Produkte werden in Österreich bereits vielfach eingesetzt. So zum Beispiel bei der Erneuerung von Autobahn-Fahrbahnen, wo Altbeton vor Ort aufbereitet und zum großen Teil wieder für die Herstellung des neuen Fahrbahndeckenbetons verwendet wird.

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