Die Coronakrise hat uns alle zum Umdenken gezwungen. Mehr noch, sie hat über viele Jahrzehnte habitualisiertes Verhalten verändert. Unternehmer und Führungskräfte, für die bis dato Home Office ein Unwort war, leiten ihre Mitarbeiter nun via Videokonferenz an. "Zoom" wurde in der Wirtschaftswelt zu einem geflügelten Wort.
Singles und Menschen auf der Suche nach Nähe nutzen verstärkt Online-Partnerbörsen. Alleine Tinder verzeichnet weltweit einen 20-prozentigen Anstieg der Online-Interaktionen. Aber auch unsere Eltern-Generation beginnt spätestens jetzt die Vorteile der digitalen Welt, vom Lebensmitteleinkauf im Internet, bis zum Lesen von News auf Facebook, für sich zu nutzen.
Selbstverständlich gelingt das manchen leichter, während andere mit der Technik kämpfen. Der Trend ist aber eindeutig. Wir können zweifelsfrei festhalten, dass wir gerade einen Crash-Kurs in Digitalisierung erleben. Der Umgang mit neuer Technologie wird mit einem nie dagewesen Tempo erlernt.
Schockstarre rasch abgelegt
Viele Unternehmen in Österreich haben die Schockstarre nach den krisenbedingten Schließungen rasch ablegen können und auf diese Entwicklungen reagiert. Es wurden Lieferservices organisiert, Kooperationen gegründet und Webshops eingerichtet. Spätestens jetzt haben auch viele verstanden, dass die Kommunikation über digitale Kanäle notwendig ist, um Kunden und Mitarbeiter zu informieren. Denn transparente Informationen und soziale Interaktionen (off-/online) sind von überragender Bedeutung für Menschen. Wir suchen nach Sicherheit, nach Ehrlichkeit, nach Richtung und nach Aufmerksamkeit – gerade in Krisenzeiten.
Gleichzeitig zeigt sich aber, dass es teilweise an Überzeugung und an Erfahrung mangelt, teilweise aber auch an Know-how. Ein nicht repräsentatives Beispiel dazu: Ein namhaftes Autohaus kündigt über ein Instagram Story-Ad (bezahlte Werbung) einen herausragenden, digitalen Auto-Showroom an. Tatsächlich ist der Showroom nur ein gewöhnliches Instagram-Profil, das weder begeistert noch die richtigen Informationen für Interessierte enthält.
Menschen müssen begeistert werden
Wenngleich die bisherigen Aktivitäten für den Moment genügen, im Vergleich zu globalen Anbietern müssen wir Herausragendes leisten, um in einer vernetzten Welt zu reüssieren. Unternehmen wie Amazon erfüllen das goldene Dreieck: gut, schnell und günstig beinahe mit Perfektion. Gutgemeinte Initiativen, die uns einladen, österreichische Anbieter und Plattformen zu unterstützen, werden nicht ausreichen.
Es sind digitale Angebote notwendig, die Menschen begeistern. Bei denen Kunden die Überzeugung und das Know-how spüren, ja förmlich riechen können. Auch, wenn wir nach der Krise oftmals zu unserem bisherigen Verhalten zurückkehren, wird der Crash-Kurs Spuren hinterlassen. Unser Verhalten wird sich dauerhaft ändern. Es wird aktualisiert.
Aktualisierung für Kommunikation und Marketing
Diese Aktualisierung muss es nun auch für Kommunikation und Marketing geben. Die treibenden Kräfte sollten hier Unternehmer und Führungskräfte sein. Denn es handelt sich um weitreichende Entscheidungen. Wichtig dabei ist, die bestehenden Aktivitäten nicht nur (schablonenhaft) auf Online-Kanäle zu übertragen, sondern die Spielregeln der digitalen Welt zu verstehen und wenn möglich für sich zu nutzen.
Notwendig dafür ist sehr anwendungsorientiertes Know-how rund um Kanäle, Tools und Zielgruppen. Beispielsweise ist eine Person, die via Google nach einem Produkt sucht und dabei eine Anzeige (SEA) ausgespielt bekommt, meist bereits mitten im Kaufprozess oder knapp davor. In dieser Situation werden Details zum Produkt oder zum Preis hohen Nutzen stiften. Dagegen werden Instagram Story-Ads eingesetzt, um bei Menschen Interesse und Aufmerksamkeit für eine Marke zu generieren – der tatsächliche Kauf ist hier weit(er) entfernt.
Prinzipien aus der Verhaltensökonomie anwenden
Andererseits sind klassische Ansätze aus der Verhaltensökonomie und der Psychologie wesentlich, um effektive Online-Aktivitäten zu entwickeln. Denn Verhaltensnormen beeinflussen unser Tun unabhängig vom Kontext. So können sich Kampagnen das Prinzip der Sozialen Bewährtheit (Social Proof) zu Nutze machen. Im Detail wird damit die Unsicherheit von Menschen während einer Kaufentscheidung reduziert. Zu diesem Zweck werden Personen aus dem engsten Netzwerk – bestenfalls Freunde oder Familienmitglieder – erwähnt, die eine anstehende (Kauf-)Entscheidung bereits getroffen haben.
Das "Like" von einer vertrauten Person für eine Marke oder ein Produkt macht die eigene Entscheidung weniger riskant, weil sozial akzeptiert. Facebook nutzt dieses Prinzip der Verhaltensökonomie seit vielen Jahren sehr erfolgreich, zum Beispiel für Ads im Newsfeed. Obwohl das notwendige Know-how in Österreich besteht, ist es oftmals großen und finanzstarken Unternehmen vorbehalten.
Weg in die digitale Zukunft mit großer Überzeugung gehen
Ziel muss es sein, jedes Unternehmen in Österreich in die Lage zu versetzen, die aktuellen Veränderungen zu bewältigen und den Wettbewerb auf Distanz zu halten. Dafür müssen wir universitäre Weiterbildungsangebote, digitale Wissensvermittlung und innovative Beratungsansätze unterstützen, die auch für Klein- und Mittelbetriebe zugänglich und erschwinglich sind. Und aktiv in innovative Start-ups mit starkem digitalem Rückgrat investieren. Die substantielle Unterstützung für Zalando in Deutschland könnte hier Vorbild sein.
Auf keinen Fall darf es beim Crash-Kurs bleiben, sondern so viele Unternehmer und Führungskräfte wie möglich müssen den Weg in die digitale Zukunft mit dem richtigen Know-how und mit großer Überzeugung gehen. Jetzt oder nie!
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