"Unsere Technologie kann eine Revolution in der Landwirtschaft auslösen"

| 21.10.2019

Mit dem System Camcopter S-100 hält das österreichische Unternehmen Schiebel die weltweite Technologieführerschaft bei unbemannten Helikoptern – CEO Hannes Hecher im Interview.

In den 1980er-Jahren landete die österreichische Unternehmensgruppe Schiebel mit Minensuchgeräten große Erfolge. Dank internationaler Aufträge, wie zum Beispiel von der amerikanischen oder schwedischen Armee stieg der heimische Familienbetrieb zum Weltmarktführer auf und kann diese Position nach wie vor behaupten.

Die Schiebel Group unterhält neben seinen Standorten in Wien und Wiener Neustadt auch Niederlassungen in Abu Dhabi, VAE, Manassas, VA, USA und in Australien. Seit 1995 entwickelte Schiebel auch unbemannte Helikopter, deren Einsatzmöglichkeiten allerdings weit über die Minensuche hinausgehen. In dieser Sparte stieg das Unternehmen zum weltweiten Technologieführer auf.

Weit mehr als ein unbemanntes Fluginstrument

Zurzeit erweitert das Unternehmen sein Produktionswerk in Wiener Neustadt auf 3.700 Quadratmeter, wo sich ab 2020 sowohl die Produktion von derzeit 50 bis 60 Helikoptern pro Jahr, als auch die Mitarbeiteranzahl verdoppeln wird. Über den derzeitigen Stand des Unternehmens und seine Zukunft sprach LEADERSNET mit Hannes Hecher, dem CEO des Unternehmens.

Seit 1995 baut Schiebel unbemannte Helikopter, seit 2005 in der derzeitigen Ausführung mit den Außenabmessungen drei Meter von der Spitze, 3,4 Meter Rotordurchmesser, 200 Kilogramm Gesamtgewicht, davon 50 Kilogramm Nutzlast. Der Camcopter S-100 ist weit mehr als ein unbemanntes Fluginstrument, es handelt sich dabei um ein ausgereiftes, vielfach einsetzbares System, mit Sensoren und Kameras, welches die gewünschten Informationen weitergibt.

"Der Camcopter braucht aber auch eine Infrastruktur", erklärt Hannes Hecher. "Eine Bodenstation, Laptops, von denen einer für den Piloten bestimmt ist, der die Eckpunkte einer Flugroute eingibt, die Flugtätigkeit überwacht und falls notwendig, auch selbst eingreifen kann."

Vielfältige Anwendungs- und Einsatzgebiete

An und für sich dient der Camcopter nur dem Zweck, mit unterschiedlichen Sensoren bei Tag und Nacht Informationen zu sammeln, die über eine Kamera Informationen weitergeben. "Die Stärke des Systems ist es, verschiedene Kameras je nach Bedarf zu kombinieren und genau auf die Wünsche unserer Kunden abstimmen zu können", so Hecher. "Die Sensoren übertragen in einer Distanz von bis zu 200 Kilometern die gewünschten Informationen." Die Maschinen sind bei Temperaturen von minus 45 bis plus 50 Grad und auch bei starkem Wind einsetzbar.

Derzeit fliegt der Camcopter im Auftrag verschiedener internationaler Stellen. Zum Beispiel in europäischem Auftrag für die EMSA (European Maritime and Safety Agency) in Kroatien oder bei Überwachungsflügen betreffend den Waffenstillstand in der Ukraine.

Hecher: "Die Anwendungs- und Einsatzgebiete sind vielfältig, für die Überwachung von Gebieten, von Grenzen am Wasser und am Land ist das, bereits sehr ausgereifte System bestens geeignet. Wir können sogar mittels eines Sniffers beim Überflug von Hochseeschiffen analysieren, mit welchem Treibstoff das Schiff fährt. Mittels einer Kamera lässt sich über dem Meer erkennen, wo sich etwas im Wasser befindet. So finden wir vermisste Segelboote, Surfer und sogar Schwimmer. Das funktioniert mit Algorithmen, mit denen zum Beispiel normaler Wellengang von anderen Objekten unterschieden werden kann. Für das Absuchen eines Gebietes in der Größe des Burgenlandes über Meer benötigen wir eineinhalb bis zwei Stunden, eine Erfahrung, die wir im Mittelmeer bei der aktiven Flüchtlingssuche gemacht haben. Eine elektrooptische Kamera in Form einer Kugel mit Tag- und Nachtbild hilft zum Beispiel den illegalen Grenzübertritt zu kontrollieren."

Großes Zukunftspotential

Für die Tätigkeiten des Camcopters gibt es allerdings eine Begrenzung. Laut den rechtlichen Rahmenbedingungen dürfen nämlich unbemannte Luftfahrzeuge noch nicht überall im öffentlichen Luftraum fliegen.

"Wenn wir einmal im öffentlichen Luftraum tätig sein können, kommt unsere Technologie wirksam zum Tragen. Dann werden wir eine Revolution zum Beispiel im Bereich der Landwirtschaft erleben, denn mit Sensoren können wir den Zustand der Felder evaluieren", skizziert Hannes Hecher die Zukunftsperspektive. "Wir fliegen mit einem Sensor, der Dichte misst, und geben diese Informationen weiter. Gesammelt liefern sie permanent neue Erkenntnisse. Wenn angenommen in einem Feld nur sieben Prozent der Ernte durch eine Unter- bzw. Überbewässerung verloren geht, kann allein durch diese einfache Information schlagartig eine Verbesserung erzielt werden. Unser System erkennt auch einen Schädlingsbefall, es analysiert die Pflanzen aus der Luft und der Landwirt kann gezielt dagegen vorgehen. Das heißt, er erspart sich den Einsatz von Spritzmitteln, es gibt dann weniger davon in unserem Lebensmittelkreislauf. Auch Krankheiten an Bäumen erkennen die Sensoren, hier kann ebenso schnell reagiert werden."

Massive Weiterentwicklung absehbar

Wie viel Potential in dieser Technologie steckt lässt sich derzeit noch gar nicht zur Gänze abschätzen. "Eine massive Weiterentwicklung ist jedoch bereits abzusehen. So kann der Camcopter bei der Suche nach Vermissten in entlegenes Gebiet vordringen und sogar erste Hilfe leisten, indem er Medikamente oder Nahrungsmittel zu Verletzten bringt", analysiert Hecher. "Auch in der Waldbrandprävention, die aus klimatischen Gründen in Zukunft sehr wichtig sein wird, kann er wertvolle Hilfe leisten. Unfälle wie vor zwei Jahren in Griechenland ließen sich insofern verhindern, indem wir ein Gebiet monitoren und Brandherde sofort lokalisieren können."

Sobald der Camcopter auch im öffentlichen Luftraum fliegen darf, beginnt für Schiebel ein neues Zeitalter. Hannes Hecher: "Dann werden die derzeitigen Kapazitäten wohl nicht ausreichen, es werden Mitbewerber aufzeigen, deshalb ist der Technologievorsprung und die jahrzehntelange Erfahrung unseres Unternehmens ein immens großer Vorteil." In diesem Sinne veranstaltet die Firma Schiebel permanent Konferenzen für interessierte Kunden, wie erst kürzlich in Wien eine User-Conference für Kunden aus der ganzen Welt. (red)

www.schiebel.net

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