Digital(k) – Christoph allein an Bord oder die Macht der Collaboration

In ihrer monatlichen Kolumne, wirft Höllinger, GF des BFI Wien, einen anderen, unerwarteten Blick auf aktuelle Fragen der Digitalisierung. Heute: Ein Plädoyer für Zusammenarbeit.

Sie merken am Titel schon – Kolumbus beschäftigt mich. In der letzten Kolumne habe ich über Serendipity – also den Kolumbus-Effekt, wie ich ihn nenne – geschrieben. Und ich habe mich für digitale Visionen stark gemacht, die nicht nur als Antrieb zu sehen sind, sondern Raum für glückliche Fügungen schaffen – selbst wenn das eigentlich ins Auge gefasste Ziel nicht erreicht wird. Serendipity ist einer dieser Aspekte, der mich auf unserer Silicon Valley-Reise wohl am meisten beeindruckt und am meisten zum Nachdenken angeregt hat.

Aber dieser Tage fesselt mich ein ganz anderer Gedanke. Vor meinem geistigen Auge sehe ich einen einsamen Mann auf einem kleinen selbstgebastelten Floß. Mit einem improvisierten Segel versucht er verzweifelt vor der Küste Portugals ein paar Meter in Richtung Westen zu machen. Beim Heranzoomen stellt sich heraus, dass es sich um Kolumbus handelt. Christoph Kolumbus in einer Parallelwelt, in der er sich für einen Alleingang entschieden hat. Wird er es so ganz auf sich allein gestellt schaffen, Indien oder Amerika zu erreichen, oder wird ihn die Kraft der Brandung wieder an die Küste Portugals zurücktreiben?

Die Historie zeigt uns, dass er es erst gar nicht versucht hat, alleine in See zu stechen. Vielmehr hat er ein Team an klugen Köpfen um sich geschart: Experten, die ihm die für eine Expedition in diesem Ausmaß notwendige Flotte gebaut haben. Ein Team, das die harte Arbeit an den Rudern geleistet hat. Köche, die durch gutes Essen die Moral der Mannschaft hoch gehalten haben... Und er hat damit schon im 15. Jahrhundert den Grundstein für eines der Erfolgsrezepte des Silicon Valley gelegt, indem er auf Collaboration – also die interdisziplinäre und projektbezogene Zusammenarbeit – gesetzt hat.

Auch wenn man oft meint, dass es das Genie eines Einzelnen war, das für das gelungene Endprodukt verantwortlich war, beruhen Erfolge in aller Regel auf Zusammenarbeit, wenn man genauer darüber nachdenkt! Mozarts großartige Musik? Ohne geniale Instrumentenbauer oder begnadete Musiker, die Mozarts Ideen interpretieren, blieben am Ende nur stumme schwarze „Knöderl“ auf einem Blatt Papier übrig!

Es geht mir hier keinesfalls darum, den Beitrag und das Genie Einzelner zu schmälern. Ich möchte nur hervorheben, dass Collaboration einer der essenziellsten Erfolgsfaktoren ist. Das beginnt innerhalb von Teams, erstreckt sich über Hierarchien, überspannt Wissensdisziplinen und Tätigkeitskategorien. In den simpelsten Dingen unseres Alltags stecken unglaublich viele Ergebnisse erfolgreicher Zusammenarbeit über die wir kaum mehr nachdenken. Die im stillen Kämmerlein von einem Einzigen vielleicht auch gar nie realisiert worden wären. Erst recht zutreffend ist dieser Gedanke für die komplexen Dinge, die in der heutigen Zeit entstehen – was den Kreis zur Digitalisierung schließt. Wir sind permanent auf die Expertise anderer angewiesen, könnten den korrigierenden oder bereichernden Influx von außen mehr als einmal vertragen – und trotzdem scheuen wir den Blick über den Tellerrand allzu oft, weil wir Angst haben, zu viel Preis zu geben oder uns gar der Lächerlichkeit Preis zu geben, wenn wir uns Inputs von außen holen.

Fakt ist aber: Die Digitale Revolution ist getragen von Zusammenarbeit, von „Collaboration“ – und wer auch immer welches „Ei auf die Spitze stellt“ wird auf sie angewiesen sein. Unsere Aufgabe ist es daher, Zusammenarbeit zu ermöglichen und zu fördern, Barrieren zu beseitigen – Barrieren zwischen Menschen, zwischen Teams, zwischen Disziplinen und Unternehmen. Und nicht zuletzt müssen wir uns selbst als Teil von „Collaboration“ begreifen. Unsere Scheuklappen ablegen, vom hohen Ross heruntersteigen und auch Ideen zulassen, die aus vermeintlich nicht „berufenem Mund“ stammen.
Wir sollten uns überlegen, wie wir gemeinsam Probleme lösen anstatt uns den Kopf darüber zu zerbrechen, wie wir unsere Ideen bestmöglich für uns – und vor unserem Mitbewerb verborgen – halten können.

Es ist ein weitreichender Gedanke, ich weiß. Aber stellen Sie sich nur das großartige und unerschöpfliche Potenzial vor, wenn plötzlich mehr Hirne mit unterschiedlichen Zugängen, unterschiedlichen Erfahrungen, an die Problemlösung rangehen. Die Möglichkeiten scheinen grenzenlos. Das hat offenbar schon Kolumbus erkannt…

Sie haben spannende Themen zum Spannungsfeld der Digitalisierung, die Sie mit uns teilen möchten? Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften unter geschaeftsfuehrung@bfi.wien.

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