Klausur im Bundeskanzleramt
So will die Regierung die heimische Wirtschaft ankurbeln

Aufgrund des großen Budgetlochs ist der finanzielle Spielraum für eine Standortoffensive klein. Dennoch soll Österreichs Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden. Die Stichworte lauten Entbürokratisierung, niedrigere Energiepreise und spezielle Anreize.

Am 18. März 2025 fand im Bundeskanzleramt die Klausurtagung der Bundesregierung statt. Diese stand ganz im Zeichen der Budgetkonsolidierung und der Ankurbelung der Wirtschaft. Deshalb saßen neben den Regierungsmitgliedern und deren Staatssekretär:innen auch die Chefs der großen Wirtschaftsforschungsinstitute Holger Bonin (IHS) und Gabriel Felbermayr (Wifo) mit am Tisch. Sie gaben einen Überblick über die konjunkturelle Situation Österreichs. Vor dem Hintergrund eines mittlerweile mehr als zwei Jahre andauernden Wirtschaftsabschwungs und der insgesamt herausfordernden konjunkturellen und budgetären Lage, wurde bei der Arbeitsklausur mehrere Stunden über die Neuausrichtung des heimischen Wirtschafts- und Industriestandorts beraten. 

Nach dem Treffen traten Bundeskanzler Christian Stocker, Vizekanzler Andreas Babler und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger vor die Medien, um über die besprochenen Inhalte zu informieren. LEADERSNET hat sich angesehen, welche Maßnahmen für die Stärkung der schwächelnden Wirtschaft geplant sind. Die Parteichefs von ÖVP, SPÖ und NEOS machten gleich zu Beginn klar, dass der finanzielle Spielraum aufgrund des großen Budgetlochs klein sei, weshalb sich die Wirtschaft heuer und im nächsten Jahr keine allzu großen Hoffnungen auf weitreichende Maßnahmen machen dürfe. Dennoch sollen einige "Soforthilfemaßnahmen" schnellstmöglich umgesetzt werden, mit denen die heimische Wirtschaft und Industrie angekurbelt sowie die Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Standorts gestärkt werden sollen.

(Un-)Konkrete Maßnahmen

Für die bescheidene Ausgangslage seien die multiplen Krisen (Corona, Angriffskrieg in der Ukraine, Zoll-Politik von Donald Trump, etc.) verantwortlich. Laut den Anfang März veröffentlichten Daten der Statistik Austria schrumpfte die Wirtschaft im vergangenen Jahr sogar um rund 1,2 Prozent, angenommen wurden 0,9 Prozent. Um dieser veränderten wirtschaftlichen Ausgangslage Rechnung zu tragen, bekenne sich die Bundesregierung zu einer nachhaltigen Stärkung des österreichischen Standorts durch konkrete Konjunkturanreize und eine grundsätzliche Neuausrichtung der Wirtschafts- und Industriepolitik. Allzu konkret wurden die Parteichefs diesbezüglich nicht. Im Mittelpunkt sollen aber die Senkung der Energiepreise (für Unternehmen und Konsument:innen) sowie ein Bürokratieabbau stehen. Letzterer soll wiederum für mehr Investitionen im Land sorgen. "Daran sieht man, dass es nicht immer teure Maßnahmen braucht, die budgetwirksam sind. Sondern es ist auch möglich, mit anderen Maßnahmen zu einer Stärkung des Standortes beizutragen", so Stocker.

Neben der Entbürokratisierung hat sich die Bundesregierung folgende Maßnahmen an die Fahnen geheftet:

  • Es soll eine umfassende Industrie- und Standortstrategie ausgearbeitet werden, die Arbeitsplätze schafft, den Konjunkturmotor ankurbelt und die Wertschöpfung in Österreich langfristig absichern soll.
  • Auch eine Grundsatzreform des nationalen Energiesystems sei geplant, um faire und leistbare Energiepreise sicherzustellen und durch Preisstabilität für mehr finanzielle Planbarkeit für Unternehmen und Privatpersonen zu sorgen.
  • Außerdem sollen Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie zur Stärkung des Arbeitsmarktes und der heimischen Forschungs- und Innovationsbranche ausgearbeitet werden.
  • Last but not least soll auch die Baukonjunktur gestärkt werden – mit einem klaren Fokus auf leistbarem Wohnraum sowie zur wirtschaftlichen Bedeutung eines funktionierenden Bau- und Immobiliensektors, auch zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Um die Baukonjunktur zu stärken, habe man sich auf ein Maßnahmenbündel verständigt, das unter anderem Vereinfachungen und Beschleunigungen im Bauverfahren und Anpassungen bei der Wohnbaufinanzierung vorsieht.

Darüber hinaus wurde noch auf das bereits im ersten Ministerrat abgesegnete "Mittelstandspaket", das u.a. den Wegfall der Belegpflicht für Beträge bis 35 Euro sowie den Entfall der NoVA für Kleintransporter enthält, verwiesen.

Regierungsspitze weiterhin geschlossen

Alles in allem scheinen sich Kanzler, Vize und Außenministerium im Klaren zu sein, dass sie in den kommenden Jahren beim Geldausgeben deutlich kleinere Brötchen backen müssen. Sie strahlten jedoch Einigkeit aus und verströmten durchaus Hoffnung, wie ihre abschließenden Statements zeigen. So meinte Bundeskanzler Stocker: "Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich die globale Wirtschaftslage nachhaltig verändert hat und wir seit mehr als zwei Jahren einen Wirtschaftsabschwung erleben, müssen die bestehenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hinterfragt und an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Als Bundesregierung bekennen wir uns zu einer Stärkung des österreichischen Standorts durch konkrete Konjunkturanreize und eine Neuausrichtung unserer Wirtschafts- und Industriepolitik. Dazu werden wir eine umfassende Industrie- und Standortstrategie erarbeiten, die unsere Konjunktur und Wertschöpfung wieder nachhaltig ankurbelt und damit für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und langfristigen Wohlstand in unserem Land sorgt. Außerdem geben wir den Startschuss für eine großflächige Reform des nationalen Energiesystems, um faire und leistbare Energiepreise für die Menschen und Betriebe zu schaffen und finanzielle Planungssicherheit herzustellen und neuen Spielraum für Zukunftsinvestitionen zu schaffen."

"Wir arbeiten als Bundesregierung gemeinsam daran, unseren Standort und damit Arbeitsplätze und unseren Wohlstand zu erhalten. Dazu gehört ein saniertes Budget, das in der Folge neue Handlungsspielräume für Investitionen und Offensivmaßnahmen eröffnet. Hier gilt es auch besonders, mit aktiver Arbeitsmarktpolitik Beschäftigung zu fördern und damit wiederum die Kaufkraft zu stärken. Bis Ende 2025 werden wir eine umfassende Industrie- und Standortstrategie erarbeiten, die die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft unterstützt. In Österreich kämpfen nicht nur Unternehmen mit hohen Energiekosten. Wir werden Preisstabilität und Versorgungssicherheit ins Zentrum der heimischen Energieversorgung stellen. In meiner eigenen Ressortzuständigkeit möchte und werde ich mich zuallererst auf das Thema Wohnen als Beitrag zur Standortsicherung konzentrieren. Wir werden mehr leistbaren Wohnraum schaffen, denn leistbarer Wohnraum ist nicht nur ein Grundbedürfnis. Ein funktionierender Bau- und Immobiliensektor leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Standortsicherung sowie zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen", fügte Vizekanzler Babler hinzu.

Beate Meinl-Reisinger verwies auf die geopolitischen Unsicherheiten: "Wir haben uns heute zur Stärkung der Industrie und des Standorts verpflichtet, denn eines ist abzusehen: Die Spannungen nehmen weltweit eher zu als ab. Die Industrie und ihre kleinen und mittleren Zulieferbetriebe sind das Rückgrat unseres Wohlstands, die Basis, sich etwas aufbauen und schaffen zu können. Eines ist mir aber auch als Außenministerin wichtig: Österreich ist ein Exportland und muss das auch bleiben. Exporte ins Ausland bedeutet Arbeitsplätze im Inland! Ziel muss daher sein, auch neue Märkte zu erschließen und bestehende auszubauen. Dafür werde ich mich einsetzen, gemeinsam mit meinen Kolleg:innen in der Bundesregierung, aber auch mit den Ländern." 

Fazit

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Regierung den Ernst der Lage erkannt zu haben scheint. Aufgrund des akuten Sparzwangs sind den Entscheider:innen aber offensichtlich die Hände gebunden. Die Absichten und Pläne klingen zwar nachvollziehbar und enthalten durchaus gute Ansätze, aber konkrete Maßnahmen wurden bei der Klausur nicht beschlossen. Aufgrund des andauernden Wirtschaftsabschwungs müssen jedoch dringend Akzente gesetzt werden, um das Ruder herumzureißen. Allzu lange darf sich die neue Regierung mit konkreten Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft also nicht Zeit mehr lassen. Denn Kreditschüzer:innen und -versicherer warnen bereits vor einen weiteren Rekordpleitenjahr. Im ersten Quartal 2025 schlitterten im Schnitt 19 Unternehmen pro Tag in die Insolvenz (LEADERSNET berichtete). Viele Großinsolvenzen wie jene im Vorjahr von KTM, Palmers oder Kika/Leiner verträgt der heimische Arbeitsmarkt wohl nicht mehr.

www.parlament.gv.at

www.bundeskanzleramt.gv.at

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