Experten orten Handlungsbedarf
Jedes achte Unternehmen in Österreich legt keine Bilanz vor

| Redaktion 
| 05.02.2024

Neben der "Nicht-Veröffentlichung" von Jahresabschlüssen lässt auch die Qualität der Bilanzen häufig zu wünschen übrig. Expert:innen orten nicht zuletzt aufgrund der Signa-Pleite dringenden Handlungsbedarf und fordern höhere Strafen.

Im Zuge der zahlreichen Insolvenzen in der Signa-Gruppe ist auch die Diskussion rund um das Thema "Bilanzlegung in Österreich" neu entbrannt. Und das scheint auch notwendig zu sein. Denn im Bereich der fristgerechten Bilanzlegung bestehe Expert:innen zufolge hierzulande dringender Handlungsbedarf. Ganz besonders im Sinne eines professionellen Risikomanagements und Gläubigerschutzes.

Viele Unternehmen legen keine Bilanz vor

Wie eine aktuelle KSV1870 Analyse zeigt, haben für das Geschäftsjahr 2022 bis dato 12,2 Prozent jener Unternehmen, die aufgrund ihrer Rechtsform dazu verpflichtet wären, keinen Jahresabschluss vorgelegt. Darüber hinaus würde vielen Jahresabschlüssen ein adäquates Qualitätsniveau fehlen. Zu den häufigsten Kritikpunkten zählen vor allem betriebswirtschaftliche Fehler. Im Zuge der Diskussion hat der Kreditschutzverein nun ein Positionspapier an das Bundesministerium für Justiz übermittelt, in dem die kritische Sichtweise im Hinblick auf die derzeitige Situation formuliert wurde.

Die vergangenen Wochen hätten demnach eines deutlich gezeigt: Die fristgerechte Veröffentlichung von Jahresabschlüssen lässt in Österreich zu wünschen übrig. Mit Blick auf das Geschäftsjahr 2022 belegt eine KSV1870 Analyse, dass 12,2 Prozent der aufgrund ihrer Rechtsform dazu verpflichteten Unternehmen bis heute keine Bilanz vorgelegt haben. Weitere 3,8 Prozent haben ihre Bilanz nur mit Verspätung veröffentlicht – der Großteil davon, nämlich 3,4 Prozent, taten dies in den ersten drei Monaten nach Fristende. Dennoch: "Es besteht akuter Aufholbedarf. Jedes achte betroffene Unternehmen hat bis heute für das Jahr 2022 keine Bilanz vorgelegt. Das ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern zugleich auch im Sinne eines professionellen Risikomanagements und Gläubigerschutzes unverantwortlich", analysiert Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding GmbH, die aktuelle Situation. Und auch die vorangegangenen Jahre zeugen von einer sehr ähnlichen Dimension. Ergänzend sei an dieser Stelle erwähnt, dass vorläufige Bilanzen auch ohne nähere Information eingereicht werden, warum eine fristgerechte Vorlage nicht möglich ist. Im derzeit gültigen Zeitrahmen sollte dies jedoch für jedes ordentlich wirtschaftende Unternehmen möglich sein.

Qualität der Bilanzen mit "Luft nach oben"

Abseits einer fristgerechten Offenlegung von Jahresabschlüssen kritisiert der Gläubigerschutzverband auch die Qualität, mit der Bilanzen zum Teil eingereicht werden. "Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass vielen Bilanzen ein adäquates Qualitätsniveau fehlt. Nicht erfüllte Mindeststandards und eine nicht erfolgte Qualitätskontrolle vor Einreichung kommen leider häufiger vor, als man glauben mag", so Günther Fasching, Prokurist der KSV1870 Information GmbH. Das sei jedoch auch eine Folge dessen, dass die quantitativen Anforderungen jener Informationen, die eingereicht werden müssen, im Laufe der Zeit sukzessive reduziert wurden.

"Als KSV1870 sehen wir diese Entwicklung kritisch und plädieren für eine Rückkehr zu früheren Veröffentlichungsbestimmungen", so Fasching. Zu den qualitativen Kritikpunkten zählen dem Experten zufolge vor allem betriebswirtschaftliche Aspekte. So nehmen etwa einzelne Bilanzpositionen einen Wert an, der faktisch nicht möglich ist (z.B. negativer Kassabestand), Aktiva und Passiva sind nicht ident oder "Gewinn und Verlust"- und Bilanzpositionen ergeben nicht den ausgewiesenen Endwert. Zudem komme es vor, dass Unternehmen über Jahre hinweg dieselben Bilanzwerte einreichen, was de facto unmöglich ist, und dabei nur das jeweilige Bilanzjahr aktualisiert werde. Fasching: "Darüber hinaus beobachten wir, dass Bilanzen im digitalen Zeitalter handschriftlich gelegt werden, und damit auch die Lesbarkeit massiv eingeschränkt ist."

KSV1870 gegen Fristverlängerung

Zu Beginn der Covid-19-Krise wurde die Frist zur Einreichung von Bilanzen aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen von neun auf zwölf Monate verlängert. Das war für die damalige Situation in Ordnung, so der Kreditschutzverband. Im Zuge dessen wurde auch über eine dauerhafte Fristverlängerung diskutiert, die der KSV1870 bereits zu diesem Zeitpunkt als kritisch gesehen hat. An dieser Haltung habe sich bis heute nichts verändert. Die aktuellen Ergebnisse würden den KSV1870 vielmehr in seiner Haltung, an der neunmonatigen Frist festzuhalten, bestätigen und bestärken. "Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung im Bereich der transparenten und objektiven Risikoeinschätzung wissen wir, wie wichtig eine möglichst zeitnahe Offenlegung von Bilanzen ist. Je länger der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Geschäftsergebnisses vom eigentlichen Geschäftsjahr entfernt liegt, umso weniger sagt die Bilanz auch über den derzeitigen wirtschaftlichen Status quo des jeweiligen Unternehmens aus. Das macht eine profunde Risikoeinschätzung nicht unbedingt einfacher", erklärt Fasching.

Verschärfte Spielregeln gefordert

In Anbetracht des momentanen Ist-Zustandes fordert der KSV1870 eine maßgebliche Verschärfung der allgemein gültigen Bedingungen zur Veröffentlichung von Jahresabschlüssen. Dies auch im Sinne eines weiterhin gut funktionierenden Gläubigerschutzes. Es sei von großer Relevanz für die gesamte heimische Wirtschaft, dass Bilanzen einerseits fristgerecht vorgelegt werden, und andererseits auch mit einem entsprechenden Qualitätsniveau ausgestattet sind, das eine transparente, objektive und konstruktive Einschätzung im Bereich des Risikomanagements ermöglicht. Dieser Umstand schütze nicht nur die Unternehmen selbst, sondern helfe auch anderen Unternehmen, aufgrund von etwaigen Zahlungsausfällen nicht in wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Zudem wird seitens des KSV1870 angeregt, über das Strafausmaß nachzudenken, sollten gültige Bedingungen nicht eingehalten werden. Das könnte zum Beispiel nicht nur finanzielle Folgen haben, sondern auch entsprechende Haftungsthematiken nach sich ziehen. "Es muss dort Druck aufgebaut werden, wo es besonders schmerzt", fasst Fasching abschließend zusammen.

www.ksv.at

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