LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Umundum, seit Sie Vorstand von "Paket & Logistik" der Post AG sind, ist das Unternehmen umsatztechnisch quasi "explodiert". Liegt das an den gesetzten Maßnahmen, oder hat sich auch der Markt in Ihre Richtung gedreht (Amazon, Onlinebestellungen, etc.)?
Umundum: Es gibt eigentlich zwei langfristige Trends, die man seit vielen Jahren beobachten kann. Als ich das Paketgeschäft übernehmen durfte, wurden etwa 50 Millionen Pakete in Österreich zugestellt. Für heuer erwarten wir 460 Millionen in all unseren Märkten, auch international. In Österreich werden wir an die 200 Millionen herankommen. Der Hintergrund ist die Digitalisierung und der E-Commerce. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Gegenrichtung im Brief- und Werbegeschäft. Hier werden die Mengen reduziert, der Trend geht hin zu digitaler Werbung, was wir ebenfalls spüren.
LEADERSNET: Der Markt hat sich dennoch verzehnfacht. In welcher Zeitspanne ist das passiert?
Umundum: Es dauerte ungefähr zehn bis 12 Jahre.
LEADERSNET: Hätten Sie gedacht, dass sich das in diese Richtung entwickeln wird?
Umundum: Es gab natürlich coronabedingt noch einmal einen kräftigen Schub Richtung E-Commerce. Vor der Pandemie waren in Österreich rund 127 Millionen Pakete unterwegs, heuer werden es 200 Millionen sein. Dieser Sprung ist in drei Jahren passiert. Was wir aktuell allerdings sehen, ist eine Gegenbewegung. Heuer wird der Markt um etwa fünf Prozent schrumpfen. Wir entwickeln uns jedoch etwas gegen den Markt, wenn man so will. Hintergrund ist das Comeback des Chinageschäfts, von wo nun wieder verstärkt Mengen kommen. Da dürfen wir als Zustellpartner in Österreich, aber auch in anderen Ländern, entsprechend als Dienstleister auftreten. Das gibt uns einen positiven Schwung, obwohl der Gesamtmarkt sich momentan eher in die Gegenrichtung bewegt.
LEADERSNET: Stichwort Internationalisierung: Die Post ist längst nicht nur in Österreich tätig, sondern sehr international. In welchen Märkten sind Sie tätig?
Umundum: Neben dem Geschäft in Österreich sind wir international auf das Paketgeschäft fokussiert. Der Treiber dahinter sind unsere großen internationalen Kunden. Unser Fokus liegt sehr stark auf Ost-, Südosteuropa und der Türkei. Inzwischen sind wir in elf Ländern tätig. Das Land mit den stärksten Mengen an Paketen ist inzwischen die Türkei.
LEADERSNET: Also ist die Österreichische Post in der Türkei stärker als hierzulande?
Umundum: Ja, wir sind auch klarer Marktführer in der Türkei. Wir erwarten, dass wir heuer dort rund 230 Millionen Pakete zustellen werden. Von der Türkei heraus haben wir vor Kurzem einen nächsten Schritt gemacht. Wir sind nach Aserbaidschan gegangen, haben uns dort einen kleineren Logistiker, Starex, gekauft und entwickeln den gemeinsam mit unseren türkischen Kunden weiter. Dort sind wir First Mover und sehen bereits in den ersten Monaten sehr schöne Zuwachsraten.
LEADERSNET: Die Post setzt auf Nachhaltigkeit. Sie sind eines der ersten Unternehmen, die das zur Gänze geschafft haben. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft - was bedeutet das für einen Logistiker? Wo geht die Reise hin?
Umundum: In diesem Bereich gibt es mehrere Stoßrichtungen. Das eine ist, zu versuchen, unsere gesamte Logistik Produktion nachhaltig zu gestalten. Wir haben vor rund zehn Jahren damit begonnen, exakt zu messen und uns gefragt, wie groß unsere CO2 Emissionen sind. Von da an haben wir sukzessive den Ausstoß reduziert. Trotz der steigenden Mengen ist das mit zwei wesentlichen Faktoren gelungen. Der eine Faktor ist, dass wir uns Richtung Elektromobilität entwickeln. Wir werden heuer rund 4.000 E-Fahrzeuge in Betrieb haben. Damit haben wir Österreichs größten E-Fuhrpark. Wir stellen jedes Jahr rund 1.000 Fahrzeuge von Diesel auf E-Mobilität um. Bis 2030 soll dieser Prozess abgeschlossen sein.
Die zweite Stoßrichtung ist, dass wir in unserem Immobilienbereich - sowohl beim Bau, aber auch im Betrieb - massiv investiert haben. Ein wesentlicher Faktor ist, dass wir unsere ganzen Logistikzentren mit Photovoltaik ausrüsten. Auch im Bereich der des Schwerverkehrs haben wir vor Kurzem einen Schritt gesetzt, indem wir unsere Dieselfahrzeuge mit Lebensmittelabfällen betanken. Hier gibt es eine Einsparung von rund 70 bis 80 Prozent. Aber das ist eher eine Zwischenlösung. Wir haben nun entschieden, auch einen Wasserstoff-LKW anzuschaffen. Der nächste Schritt wird sein, uns für den Langstreckenverkehr und den innerstädtischen Zubringerverkehr auch einen Elektro-LKW zuzulegen.
LEADERSNET: Sie haben gesagt, dass die Pandemie der Digitalisierung einen Schub gegeben hat. Wie entwickelt sich das gerade im Werbegeschäft - Stichwort Flugblatt versus Onlinewerbung?
Umundum: Da sehen wir schon Rückgänge. Zwar nicht dramatisch, aber man sieht eine gewisse Migration hin zur digitalen Werbung.
LEADERSNET: Kann man sagen, Österreich ist digitalisierter als etwa die Türkei?
Umundum: E-Commerce ist bereits stärker im Markt verankert, ja. In der Digitalisierung per se, ist durchaus auch die Türkei bereits sehr breit entwickelt. Ich glaube aber, dass es im E-Commerce noch einen gewissen Aufholbedarf gibt und da versuchen wir auch entsprechend mitzuschwimmen.
LEADERSNET: Wie sieht die Zukunft aus? Wird es irgendwann einmal Drohnentransporte geben?
Umundum: Wir haben vor einigen Jahren einen Test mit der TU Graz durchgeführt. Technisch hat das eigentlich ganz gut funktioniert. Für eine Massenzustellung sehe ich die Drohne eher nicht. Natürlich kann es Fälle geben, wo es sinnvoll ist, etwa wenn man Medikamente an spezielle Einsatzorte bringen muss. In einer Massenzustellung ist es aufgrund des Preis/Leistungs-Verhältnis' jedoch nicht realistisch. Was eher auf uns zukommen wird, ist das Thema autonomes Fahren und autonome Zustellung. Das gibt es in China bereits. Das ist eher weniger eine technische, sondern eine Frage der rechtlichen Rahmenbedingungen. In Österreich wird das noch dauern, aber auch das wird kommen und wird auch unser Geschäft verändern.
LEADERSNET: Was wünschen Sie sich von den Gesetzgebern als Rahmenbedingung? Werdet ihr da genügend unterstützt?
Umundum: Wir bekommen teilweise sehr gute Unterstützung, gerade beim Thema E-Mobilität. In einigen Themen würde ich mir wünschen, dass man auch verstärkt Themen ausprobieren kann, etwa bei Wasserstoff, E-Mobilität und im Schwerverkehr. Wir müssen da früher dran sein, um die Dinge auch auszuprobieren. Hier könnte man durchaus schneller entscheiden, ob man solche Pilotversuche durchführt.
LEADERSNET: Wir stehen direkt vor dem Weihnachtsgeschäft. Das ist Rushhour bei Ihnen im Haus. Arbeitet die Post da in 24-Stunden-Schichten?
Umundum: Von der Dimension her ist es so, dass sich die Mengen in etwa verdoppeln. Um das zu stemmen, erhöhen wir die Kapazitäten in unseren Zentren. Das heißt, dass man zum Beispiel von zwei auf drei Schichten erhöht. Die Schichterweiterungen passieren immer wieder mit Leasingkräften. Wir sind auch bei der Urlaubsnutzung rund ums Weihnachtsgeschäft sehr rigoros. Außerdem haben wir in den letzten Jahren 350 Millionen Euro in unserer Sortierzentren investiert. Das hilft natürlich ebenfalls entsprechend.
LEADERSNET: Als öffentlicher Logistikanbieter ist man immer wieder ein Vorbild, aber steht auch manchmal in der Kritik. Viele Leute sagen etwa, die Post sei zu langsam. Welches Image sollen Kund:innen von dem Unternehmen haben?
Umundum: Ich glaube, die Logistik hat generell ein Imageproblem. Meine Erfahrung ist, dass man von der Logistik immer dann spricht, wenn sie nicht funktioniert. Wenn etwa die Milchpakete im Regal sind, ist das normal, falls nicht, fällt es auf. Bei uns ist es ähnlich. Dieses Bewusstsein, dass hier tagtäglich eine Million Pakete bewegt werden, müsste in der Bevölkerung noch stärker verankert und auch von uns transportiert werden. Wenn man jedoch auf sein Paket zu lange wartet, gibt es zurecht Kritik.
LEADERSNET: Wir erleben gerade mehrere Krisen. Das Management ist gefordert. Wie sehen Sie das persönlich? Dürfen wir uns auf die Zukunft freuen, oder müssen wir diese mit großem Respekt erwarten?
Umundum: Beides. Ich freue mich immer auf die Zukunft und bin froh, in einer Zeit wie dieser leben zu dürfen. Ich glaube, Respekt ist ebenfalls immer angebracht, so wie auch eine Demut bei gewissen Themen. Viele Annehmlichkeiten, die wir in Österreich konsumieren dürfen, sind nicht selbstverständlich. Meiner Meinung nach müssen wir demütig und dankbar sein, dass wir in Österreich leben dürfen. Und trotzdem, glaube ich, braucht es Respekt vor den neuen Aufgaben, die an uns herangetragen werden. Das Umfeld wird volatil und unberechenbar bleiben. Man muss gut vorbereitet sein und schneller Entscheidungen treffen. Alles in allem sind wir jedoch sehr gut vorbereitet.
Das Interview können Sie auch im LEADERSNET-Podcast nachhören.
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