Unsere Welt ist zunehmend von Unsicherheit, Komplexität und sich schnell ändernden Rahmenbedingungen geprägt. Die Klimakrise, geopolitische Spannungen wie der anhaltende Ukrainekrieg oder auch die Inflation sowie Lieferengpässe stellen große Herausforderungen dar und betreffen viele Bereiche der Unternehmen. Angesichts dieser multiplen Krisen ist es für Unternehmen laut Expert:innen unumgänglich ein Risikomanagement aufzubauen. Nur so könnten diese sicher durch schwierige Zeiten navigieren. Doch nun zeigt eine gemeinsame Studie von Crif, Business Circle und EY Österreich, dass es diesbezüglich noch Handlungsbedarf gibt. Dafür wurden 66 Unternehmensvertreter:innen unterschiedlicher Branchen sowie Größen in Österreich befragt.
80,3 Prozent der an der Umfrage "Risikomanagement in Corporates 2023" teilgenommenen österreichischen Unternehmen haben laut eigenen Angaben die Relevanz erkannt und verfügen über eine Risikomanagement-Abteilung oder haben eine Funktion in der Organisation etabliert. Trotz der Wichtigkeit des Bereichs für die Gesamtorganisation haben dem gegenübergestellt jedoch 19,7 Prozent der Unternehmen noch keine Maßnahmen in dieser Richtung gesetzt - das ist knapp ein Fünftel.
Ressourcen ausbaufähig
"Jede Krise ist für sich allein schon eine große Herausforderung für Unternehmen und Führungskräfte. Was die aktuelle Entwicklung aber besonders anspruchsvoll macht, ist die zunehmende Anzahl an Krisen. In vielen Unternehmen waren Risikomanagementsysteme über viele Jahre hinweg kein Thema mit sehr hoher Priorität. Heute sind Investoren, Aufsichtsräte, CEOs und andere Stakeholder jedoch stark gefordert, Risiken noch aktiver zu steuern und sich intensiv mit geeigneten Maßnahmen auseinanderzusetzen, um langfristig Wettbewerbsvorteile zu sichern", betont Markus Hölzl, Leiter des Risk Management Consulting Teams und Partner bei EY Österreich, die Wichtigkeit eines Risikomanagementsystems in Unternehmen.
Die weiteren Ergebnisse der Studie sehen wie folgt aus:
Bei 48,5 Prozent der befragten Unternehmen widmet sich weniger als ein Vollzeitmitarbeitender dem Thema Risikomanagement. Mehr als ein Drittel empfindet die personell verfügbaren Ressourcen zudem zu gering (34,9 Prozent). 73,9 Prozent dieser Unternehmen sind kleinere und mittlere Unternehmen mit einem Umsatz unter 500 Millionen Euro. Größere Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro gaben an, eine Funktion oder Abteilung, welche sich dem Thema Risikomanagement widmet, mit zumeist mehreren Vollzeitmitarbeitenden implementiert zu haben.
Hohes Bewusstsein in Unternehmen
In Summe schätzen mehr als drei Viertel die Risikokultur (Awareness, Einstellung, Verhaltensweisen und Risikobewusstsein) in der Organisation jedoch als stark bis sehr stark ausgeprägt ein (77,3 Prozent) – rund 80 Prozent davon entfallen auf Unternehmen, die angeben, eher ausreichend personelle Ressourcen für das Risikomanagement zur Verfügung zu haben (78,4 Prozent).
Für österreichische Unternehmen außerhalb des Financial Services Sektors besteht zwar noch keine Verpflichtung, ihre Risikotragfähigkeit zu berechnen und ihre Gesamtrisikoposition zu bestimmen, im aktuell sehr volatilen Umfeld wäre das aber sicher für viele Unternehmen ein Mehrwert diese Werte zu kennen, zeigen sich die Expert:innen überzeugt. Nahezu die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, dass eine Berechnung der quantitative Gesamtrisikoposition nicht durchgeführt wird (48,5 Prozent). Knapp 40 Prozent bestimmen auch ihre Risikotragfähigkeit nicht, was für eine effektive Steuerung von großer Bedeutung wäre (37,9 Prozent).
Darüber hinaus schätzen 43,9 Prozent der befragten Unternehmen das Risikomanagement als Steuerungsinstrument als schwach bis sehr schwach ausgeprägt ein. Rund drei Viertel davon (75,9 Prozent) sind jedoch kleinere bis mittlere Unternehmen. Mehr als die Hälfte definiert ihr Risikomanagement jedoch als geeignetes Steuerungsinstrument (56,1 Prozent). Weiters gaben 16,7 Prozent an, dass in der Organisation keine kontinuierliche und systemische Risikobewertung durchgeführt wird.
Nur 53 Prozent setzen auf eine Applikation
"Die Rolle des Risikomanagers in Unternehmen wird sich angesichts der multiplen Krisen massiv verändern, insbesondere auch aus Sicht der Unternehmensführung, der Aufsichtsräte und Investoren. Die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und Big Data werden dazu einen wesentlichen Beitrag leisten", so Gerhard Pichler, Managing Partner von Business Circle.
Fast 40 Prozent stufen das in der Organisation implementierte Risikomanagement als eingeschränkt oder kaum agil ein (37,9 Prozent) – wobei davon 76 Prozent angeben, dass dem Risikomanagement kaum/keine Echtzeitdaten zur Risikoposition der Organisation zur Verfügung stehen. Für eine agile Steuerung halten auch insgesamt nur 13,6 Prozent der teilnehmenden Unternehmen die aktuell vorhandenen Daten für ausreichend, um ein tragfähiges Risikomanagement aufzubauen.
Nachhaltigkeit im Risikomanagement
Ein Drittel der Unternehmen (33,4 Prozent) empfindet die Einbindung von Experten aus anderen Fachbereichen in das Risikomanagement als schwach bis sehr schwach – auch hier entfallen gut 90 Prozent auf kleinere Unternehmen. Die mangelnde Einbindung von Experten zeigt sich auch daran, dass 48,5 Prozent angeben, dass spezifische ESG-Risiken keine oder nur eine schwache Berücksichtigung im Zuge des Risikomanagements finden.
"ESG-Kriterien werden in naher Zukunft das Um und Auf unserer Wirtschaft sein. Das gilt auch beim Risikomanagement. Hier braucht es die richtigen Daten", erklärt Ruth Moss, Head of Communications bei CRIF Austria. "Eine ganzheitliche Betrachtung von Nachhaltigkeit und Risikomanagement ist der Schlüssel zu einer langfristigen und nachhaltigen Geschäftsentwicklung."
Krisen der letzten Jahre bewirken Veränderungen
Das Risikomanagement sah sich aufgrund der Ereignisse der letzten Jahre (z. B. COVID-19 Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation) mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Dennoch gaben mit 48,5 Prozent knapp die Hälfte der Unternehmen an, dass sich das implementierte Risikomanagement aufgrund dieser externen Einflussfaktoren kaum bis gar nicht verändert hat. Unternehmen, die den Bedarf einer Reaktion, auf die sich verändernden Rahmenbedingungen sahen (51,5 Prozent), gaben an, dass sie auf die Ereignisse mit Maßnahmen wie z. B. die Einführung eine Corona-Task-Force, eines Krisenstabs, die Überarbeitung der Energiebeschaffungsstrategie oder die Forcierung der Digitalisierung, gesetzt haben.
Das aktuell größte Risikopotenzial steckt laut den befragten Unternehmen in den Themenfeldern IT (19.7 Prozent), Personal (17,1 Prozent) oder Marktumfeld (15 Prozent). Diese Risiken werden erwartungsgemäß auch in den kommenden Jahren das Risikomanagement bestimmen.
Auf die Frage nach Themen die im Hinblick auf das Risikomanagement als zukunftsweisend erachtet werden, wurden durch die Unternehmen die folgenden Themenfelder genannt: z.B. IT-Sicherheit (inkl. Cyberrisiken und Risiken aus Artificial Intelligence), Nachhaltigkeit/ESG, Digitalisierung, Datenbewirtschaftung (messbare und aktuelle Daten), agile Organisation und interdisziplinäre Vernetzungen.
"Die Entwicklungen zeigen, dass für eine valide Risikoeinschätzung zusätzliche und vor allem aktuelle Daten aus vielen Bereichen eines Unternehmens benötigt werden, die häufig noch nicht ausreichend ins Risikomanagement integriert sind, wie etwa Informationen über die unterschiedliche Nachhaltigkeitsaspekte des Unternehmens bzw. des Geschäftsmodells und der Produkte", so Hölzl abschließend.
LEADERSNET war bei der Studienpräsentation. Fotos sehen Sie in der Galerie.
www.crif.at
www.businesscircle.at
www.ey.at
Kommentar schreiben