Creditreform hat die endgültigen Zahlen bei den Firmeninsolvenzen für das Jahr 2022 in Österreich analysiert. Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen stieg demnach um knapp 60 Prozent auf 4.913 Verfahren. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 42,5 Prozent auf ca. 3.000, die Zahl der mangels Vermögen abgewiesenen Verfahren um 95,5 Prozent auf 1.951 gestiegen, teilte der Gläubigerschutzverband am Mittwoch mit. Sowohl die Insolvenzpassiva (ca. 2 Mrd. Euro) als auch die betroffenen Arbeitsplätze (ca. 16.000) seien stark angewachsen.
Kein Grund zur Panik
Die pandemiebedingten Zeiten eines geringen Insolvenzgeschehens scheinen also endgültig vorbei zu sein. Trotz dieser "Normalisierung" sieht Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform, keinen Grund zur Panik: "Nach dem Auslaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen war mit einer Rückkehr auf das Vorpandemieniveau zu rechnen. Nun sind viele Kleinst- und Kleinunternehmen insolvent geworden, die nur durch die staatlichen Hilfen über die Pandemie hinweggerettet wurden. Dass viele dieser Unternehmen schon zuvor Probleme hatten, zeigt die stark ansteigende Zahl an vermögenslosen Abweisungen. Gläubiger erleiden dadurch einen Totalausfall."
Die Insolvenzursachen würden vor allem im Kapitalmangel und damit konkret in Problemen bei der Rückzahlung der gestundeten Abgaben und Steuern sowie in der allgemeinen Wirtschaftslage liegen. Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel und vor allem steigende Preise bei Materialien und Vorprodukte führten zu sinkenden oder gar negativen Margen, da die Teuerung nicht immer an den Endverbraucher weitergegeben werden könne. "Zuerst die Lockdowns, dann der Ukraine-Krieg und die Inflation waren einfach für viele Unternehmen zu viel an Polykrisen", fasst Weinhofer die aktuelle Lage zusammen.
Die größten Pleiten des Jahres 2022
Sieht man sich die größten Firmenpleiten des vergangenen Jahres an, hatte bei den Verbindlichkeiten der Kraftwerkbauer Bertsch Energy die Nase vorne. Die meisten Mitarbeiter:innen waren bei der Insolvenz von Christof Industries betroffen.
© Creditreform
Bundesländervergleich
Der Analyse zufolge sind in allen Bundesländern die Firmeninsolvenzen im hohen zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Den stärksten Zuwachs verzeichneten Vorarlberg (+127,5 Prozent), Oberösterreich (+106,9 Prozent) und Tirol (+93,9 Prozent). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit 17 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit weniger als sechs von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten mehr als zehn von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.
Handel, Dienstleistungen, Bau stark betroffen
Absolut betrachtet gab es die meisten Insolvenzen im Handel (862), gefolgt von Unternehmensbezogenen Dienstleistungen (841) und dem Bauwesen (805). Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Bau mit rund 23 von 1.000 Branchenunternehmen, während in der Industrie "lediglich" nicht ganz acht von 1.000 Branchenunternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten mussten.
2023 werden 6.000 Insolvenzen zu erwarten
Ein Zuwachs um 60 Prozent bei den Firmeninsolvenzen scheine auf den ersten Blick alarmierend, sei laut Creditreform aber durch den Aufholeffekt nach historisch niedrigen Insolvenzzahlen zu Pandemiezeiten zu erklären. Das österreichische Insolvenzgeschehen kehre zur Normalität zurück. Und die heimische Wirtschaft schlage sich (noch) recht gut: Niedrige Arbeitslosigkeit, nach wie vor gute Eigenkapitalquoten bei der Mehrzahl der Unternehmen, robuster Export, gutes Weihnachtsgeschäft im Handel und Konjunkturprognosen mit einer lediglich leichten Rezession knapp unter der Null-Linie für das 1. Halbjahr 2023.
Die staatlichen Hilfen wie Energiepreisbremse, Klimabonus, Abschaffung der kalten Progression helfe den Konsument:innen und dürfte zusammen mit den hohen Gehaltsabschlüssen das für den Binnenkonsum wichtige Verbraucherklima stabilisieren. Neben besorgniserregenden Nachrichten wie zuletzt der Forecast des Internationalen Währungsfonds gäbe es wiederum auch Hoffnung gebende Indikatoren wie dem steigenden Einkaufsmanagerindex (EMI) der deutschen Industrie.
Weinhofer abschließend: "Den heimischen Unternehmen sei dennoch zur Vorsicht geraten. Steigende Energiekosten und Mieten sowie die hohen Kollektivvertragsabschlüsse gepaart mit einer erwarteten Rezession bilden ein gefährliches toxisches Umfeld. Daher kann leider für das noch junge Jahr 2023 keine Entwarnung bei den Insolvenzen gegeben werden." Für 2023 rechnet der Experte mit rund 6.000 Firmeninsolvenzen.
www.creditreform.at
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