Seit 1988 erfasst Standort+Markt die Shoppingcenter in Österreich und verfügt damit in diesem Segment laut eigenen Angaben über die umfangreichste Datenbank des Landes. Die Zahlen werden im Zwei-Jahres-Abstand ausgearbeitet und liegen nun wieder in aktualisierter Form vor: 244 Shoppingcenter (119 Shopping Malls, 114 Retail Parks, vier Town Center, drei Factory Outlet Center, drei Department Stores und 1 Sonderform); 8.700 Shops; vier Millionen Quadratmeter vermietbare Fläche. Wie die Ergebnisse nach zwei Jahren Corona-Pandemie für 2021 im Detail aussehen, wurde am Mittwoch gemeinsam mit dem Handelsverband (HV) präsentiert.
Deutlich weniger Besucher:innen
Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 hat sich die Gesamtzahl der Shoppingcenter um zwei Standorte erhöht. Bei den Shopping Malls hat es keinen Neuzugang gegeben. Insgesamt erstrecken sich die heimischen Einkaufsdestinationen bundesweit auf knapp 4,2 Millionen Quadratmetern vermietbarer Fläche, rund 3,4 Millionen Quadratmeter davon entfallen auf den Handel. Somit steht allen Österreicher:innen rund ein halber Quadratmeter an vermietbarer Fläche in Shoppingcentern zur Verfügung, rechnet Standort+Markt vor.
"In Österreichs Shoppingcentern ist die Zahl der Besucher seit 2019 aufgrund der Corona-Maßnahmen und Lockdowns um 128 Millionen zurückgegangen. Dieser massive Rückgang von 18,4 Prozent führte zu einem Umsatzverlust von 1,25 Milliarden Euro für die Shops in den heimischen Einkaufszentren. Langfristige Mietverträge und gewisse Corona-Entschädigungen bremsen die tatsächlichen Auswirkungen der Pandemie, während neue Herausforderungen vor der Tür stehen", fasst Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die zentralen Ergebnisse zusammen.
"Während die Zahl der Shopping Malls und deren Flächen in den letzten zwei Jahren stagnierten und somit die Covid-Beeinträchtigungen beim stationären Shopping durchschlugen, kompensierten die Retail Parks die durch Lockdowns entstandenen Umsatzverluste durch eine Neueröffnung und mehrere größere Erweiterungen und durch eine trotz alledem solide Performance", ergänzt Standort + Markt Geschäftsführer Hannes Lindner.
Umsätze um neun Prozent zurück
Neben der Besucherfrequenz war auch die Umsatzentwicklung in den letzten beiden Jahren rückläufig. Für 2021 liegt die Umsatzschätzung von Standort+Markt bei 12,35 Milliarden Euro. Flächenbereinigt, also nur bezogen auf jene Zentren, welche in den Vergleichsjahren das gesamte Jahr – wenn auch pandemiebedingt eingeschränkt – umsatzwirksam waren, bedeutet dies ein Minus von rund neun Prozent oder 1,25 Milliarden Euro gegenüber 2019 für die Händler, Gastronomen und sonstigen Gewerbetreibenden in den Einkaufszentren.
Erwähnt sei aber auch, dass sich die Shoppingcenter-Flächen seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt haben, d.h. vor der Pandemie erlebten insbesondere Fachmarktzentren oder Retail Parks in ganz Österreich einen regelrechten Boom.
"Bei den Shopping Malls konnten wir in den Corona-Jahren nur wenige Erweiterungen verzeichnen. Bei den Retail Parks hat es aber durchaus umfangreichere Bewegung gegeben. Vor allem noch 2020 konnten trotz aller Widrigkeiten einige Erweiterungspläne in Fachmarktzentren umgesetzt werden. Dazu zählen etwa die PADO Shopping Galerien, das Taborland in Steyr oder die Arena Mattersburg", bestätigt Standort + Markt Gesellschafter und Studien-Co-Autor Roman Schwarzenecker.
Burgenland mit höchster Leerstandsrate
Die Shoppingcenter-Struktur ist laut den aktualisierten Zahlen stark räumlich dispers. Nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Raumordnungsgesetzte der Bundesländer ergeben sich räumliche Differenzen. Das Bundesland mit der höchsten Shoppingcenter-Dichte ist das Burgenland. Es ist auch das Burgenland, wo derzeit am meisten Flächen leer stehen (7,7 Prozent). Am restriktivsten bei der Ansiedlung dieses Betriebstyps war (und ist) man in Vorarlberg und Salzburg. In Vorarlberg zeigt die Verknappung auch Wirkung, was man an der geringen Leerstandrate (1,9 Prozent) gut ablesen kann.
HV Konsumbarometer
Wie sieht die Lage aktuell auf Konsumentenseite aus? Angesichts der zahlreichen Krisen und Herausforderungen derzeit (noch) einigermaßen stabil, so das Ergebnis des jüngsten Handelsverband-Konsumbarometers. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der jüngsten Teuerungswelle – die Inflation liegt bereits bei 7,2 Prozent – hat sich die Verbraucherstimmung im April zwar zusehends eingetrübt. Die Konjunkturerwartung der Bevölkerung ist im ersten Quartal 2022 dennoch konstant über dem Referenzwert von März 2019 geblieben. Dies dürfte insbesondere an der hohen Beschäftigungszahl bzw. den geringen Arbeitslosenzahlen liegen. Dass der Handel mittlerweile eine Rekordzahl von 48.000 offenen Stellen verzweifelt zu besetzen versucht, bleibe hierbei unberücksichtigt.
Deutlich pessimistischer sei hingegen die Einkommenserwartung der befragten Personen. Diese erreichte im April einen Jahrestiefstwert von 95,1 und liegt damit um fast fünf Punkte unter dem Referenzwert. Die Einstufung des Preisniveaus und damit die Inflationserwartungen der heimischen Konsument.innen hätten sich in den vergangenen vier Monaten nur in eine Richtung bewegt: nach unten (= steigende Teuerungserwartung). Im April habe diese Kennzahl einen historischen Tiefststand von 83,95 erreicht, wobei dieser Wert vermutlich bereits im Mai erneut unterboten werden dürfte. Die heimischen Verbraucher:innen erwarten demnach weiterhin ein hohes Inflationsniveau.
Eine exorbitante Steigerung habe zuletzt die Anschaffungsneigung der Österreicher:innen gebracht. Im Drei-Jahres-Vergleich würden April 2022 (150,82) und März 2022 (140,11) die mit Abstand höchsten Werte verzeichnen – im Vergleich zum Referenzmonat März ergebe das ein beträchtliches Plus, was sich wiederum in einem höheren Gesamtbarometer niederschlage. Das Bild sei jedoch trügerisch, da der stark steigende Preisauftrieb automatisch in höheren Konsumausgaben münde. Der Handel profitiere daher finanziell nicht von dieser Entwicklung, sie sei fast ausschließlich inflationsgetrieben.
Empfehlungen an die Politik
"Der heimische Handel befindet sich in einer Schere zwischen systemischen Kostensteigerungen in allen Prozessen und einer Kundschaft, die immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung hat. Die Ukraine-Krise und Corona als wiederkehrendes Phänomen deuten nicht auf eine rasche Entspannung der Lage hin. Beleg hierfür ist auch die pessimistische Einkommenserwartung der Bevölkerung. Daher ist die Bundesregierung dringend gefordert, ein strukturelles Anti-Teuerungs- und Entlastungspaket zu schnüren", fordert Will.
Konkret wendet sich der Handelsverband mit folgenden Handlungsprioritäten an die Politik:
- Abschaffung der kalten Progression.
- Reduktion aller Steuern & Abgaben im Energiebereich.
- Deutliche Senkung der Lohnnebenkosten
- Arbeitsmarktreform, um Arbeitskräftemangel zügig entgegenzuwirken
- Sofortige Aufhebung der Maskenpflicht zur Entlastung aller Beschäftigten im Handel
- Struktureller Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. (ts)
LEADERSNET war bei der Pressekonferenz dabei. Eindrücke finden Sie in der Galerie.
www.handelsverband.at
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