"Ich glaube, spätestens nach dieser Pandemie hat man gesehen, was der Tourismus für Österreich tatsächlich bedeutet"

Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, spricht im Interview über ihre Aufgaben als Sprachrohr einer Branche, zeigt auf was besonders in Zeiten einer Krise essentiell ist und misst Digitalisierung in der Hotellerie eine große Bedeutung bei.

LEADERSNET: Sie sind Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Wie ist es dazu gekommen, dass Sie zur obersten Repräsentantin wurden?

Reitterer: Raimund Wimmer hat mich 2006 gefragt, ob ich in die ÖHV kommen würde und ich konnte so viel von ihm lernen. Er ist leider kurz danach gestorben und man hat mich dann gefragt, ob ich die Vorsitzende von Wien werden wollte. Anfangs habe ich mir diese Verantwortung nicht ganz zugetraut, aber man wächst natürlich mit der Aufgabe. Und irgendwann einmal hab ich das, was das Unmögliche möglich gemacht. Mein nächstes Ziel war es Präsidentin zu werden, dabei vereine ich gleich drei "No-Gos" in einer Person, die mich früher für dieses Amt disqualifiziert hätten. Ich war zuerst einmal eine Frau, dann auch noch aus Wien und leite ein 3-Sterne-Hotel (das Boutique Hotel Stadthalle – Anm. der Redaktion). Schlussendlich bin ich aber trotzdem Präsidentin geworden.

LEADERSNET: Was ist das Ziel der Österreichischen Hoteliervereinigung?

Reitterer: Die Hoteliervereinigung ist eine unparteiische, aber nicht unpolitische Vereinigung. Wir machen politisches Lobbying für die Betriebe. Wir sind eine freie Interessensvertretung – darauf lege ich besonders großen Wert. Und wir haben 1.600 Mitglieder. Nicht ohne Stolz darf ich sagen, dass wir 1.100 hatten als ich als Präsidentin begonnen hab. Wir bieten aber auch sehr viel Ausbildung für die Betriebe an. Das ist auch ein tolles Asset, weil wir wirklich Ausbildung von Hoteliers für Hoteliers machen.

LEADERSNET: Was ist denn für Sie, als Vertreterin der Österreichischen Hotellerie, jetzt inmitten einer Krise besonders wichtig?

Reitterer: Ich glaube, es ist auch wichtig, dass die Hotellerie mit einer Stimme spricht. Wir versuchen uns hier auch mit der Kammer abzustimmen. Aber wichtig ist, dass kein Keil zwischen Stadt und Ferien-Hotellerie getrieben wird. So unterschiedlich diese Bereiche auch erscheinen, so bilden sie beide die österreichische Hotellerie und letztendlich auch einen der größten Arbeitgeber in diesem Land.

LEADERSNET: Kann es Österreich ohne Tourismus somit Ihrer Meinung nach nicht geben?

Reitterer: Ich wurde Präsidentin, weil ich möchte, dass der Tourismus auch wirklich den Stellenwert bekommt, der ihm in diesem Land zusteht. Ich glaube, spätestens nach dieser Pandemie hat man gesehen, was der Tourismus für Österreich tatsächlich bedeutet. Schade, dass es dafür eine Pandemie gebraucht hat. Wir haben jetzt gesehen, dass der Tourismus wirklich einer der wichtigsten Wirtschaftszweige, tatsächlich sogar der zweitwichtigste Wirtschaftszweig, in diesem Land ist.

LEADERSNET: Was die aktuelle Situation betrifft scheint Linderung durch die großflächige Impfung der Bevölkerung in Sicht. Ist die Angst, dass sich in einem Hotel ein Cluster bildet dennoch begründet?

Reitterer: Ich glaube, dass Sicherheit ein ganz großes Thema der österreichischen Hotellerie ist. Das ist auch unsere Währung im Mitbewerb, um den internationalen Gast zu zeigen, dass die Gäste, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher sind. Und letztendlich brauchen auch die Hotels eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit, dass wir einfach wissen, wo es lang geht. Wichtig ist, dass wir nicht nochmal zusperren müssen, sondern jetzt endlich durcharbeiten können. Es wäre nichts schlimmer als, dass die Hotels wieder geschlossen werden.

LEADERSNET: Welches ist Ihr Appell an unser Land?

Reitterer: Wir sind auf dem Weg aus dieser Pandemie raus. Wichtig ist jetzt, dass wir zuversichtlich sind und nach vorne schauen. Alle von uns haben wieder eine Aufgabe. Es geht wieder los. Und alle werden wir irgendwann mal sitzen und über diese Zeit nachdenken und uns erinnern. Ich glaube, es ist ein Einschnitt für uns alle gewesen. Aber gleichzeitig sind wir auf dem Weg heraus aus diesem Tränental.

LEADERSNET: Was sind Ihre Visionen für den Tourismus 2021?

Reitterer: Der Tourismus hat ja in Wirklichkeit die Digitalisierung in die Wohnzimmer der Menschen gebracht. Booking.com oder TripAdvisor sind von der Hotellerie ausgegangen. Alles das, was andere Branchen jetzt nutzen, haben die Hotellerie und der Tourismus eigentlich zu den Menschen gebracht. Deswegen sind wir gut gerüstet für die Zukunft. Und auch wenn die Customer Journey, so wie es heißt, komplett digital ist, steht in dem Moment, wo der Gast das Hotel betritt der Mensch im Vordergrund. Das ist auch der große Vorteil, den die österreichische Hotellerie hat. (sk)

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