Die Reisebranche befindet sich mitten in einem Transformationsprozess. In Linz versucht man deswegen neue Wege zu gehen und Modelle für einen nachhaltigen Tourismus zu entwickeln. Im Fokus sollen dabei ein gutes Miteinander der Bewohner, Betriebe und Touristen stehen.
Transformationsprozesse radikal beschleunigen
"Wie über alles andere, kann man auch über folgende provokante These zu Corona diskutieren: Dass die Pandemie Veränderungen viel weniger bewirkt, als vielmehr bereits laufende Transformationsprozesse radikal beschleunigt. Auch im Tourismus hat ein Transformationsprozess begonnen, den wir seitens des Tourismusverbandes Linz schon länger beobachten", schreibt Georg Steiner, Tourismusdirektor von Linz, im Vorwort des Tourismuskonzeptes 2021, der Jahresplanung.
Dass Corona die Nächtigungszahlen beeinflusst hat, ist allgemein bekannt: Von 934.944 Nächtigungen im Jahr 2019 sind sie in Linz auf 403.223 im Vorjahr gesunken. Ein Minus von 56,9 Prozent. Im Vergleich mit den anderen Städten Österreichs liegt Linz im Mittelfeld. Auf Basis der einzelnen Zahlen lassen sich Rückschlüsse auf die Struktur des Tourismus treffen: Teilt man den Tourismus in klassischen Städtetourismus, in Erholungstourismus und Geschäftstourismus ein, schneiden jene Destinationen besser ab, die auch Angebote für Erholungssuchende haben, als jene, die sehr stark vom Geschäfts- oder klassischen Städtetourismus abhängig sind. Die oberösterreichische Landeshauptstadt sei mit der Mischung zwischen allen drei Säulen mit einem blauen Auge davongekommen, ist man beim TVB Linz überzeugt.
Aufsichtsratvorsitzender Manfred Grubauer (l.) und Georg Steiner, Tourismusdirektor von Linz © Tom Mesic
Der Weg in die touristische Neuorientierung wurde in Linz schon vor der Pandemie eingeschlagen. Die Krise bestätige nun diesen eingeschlagenen Weg. "Der Tourismus war schon vor Corona krank", betont Georg Steiner, für den der reine Besuch von populären Sehenswürdigkeiten zu oberflächlich geworden ist.
Und Manfred Grubauer, Aufsichtsratsvorsitzender des Linz Tourismus, ergänzt: "Jene werden nach Corona erfolgreicher sein, die ein ganzheitliches Stadterlebnis realisieren. Was touristisch angeboten wird, ist vielfach zu statisch an Programmen und Abläufen orientiert und zu wenig mit Erlebnissen verbunden. Außerdem ist die Digitalisierung im Tourismus zwar im Marketing und in den Buchungssystemen angekommen, aber noch nicht in der Information an Ort an Stelle."
Vieles wird hinterfragt
Auf Basis dieser Erkenntnisse habe man in Linz begonnen, vieles zu hinterfragen. Angefangen bei dem Begriff des Touristen. In Linz werden sie zu Gästen, die für die Zeit ihres Aufenthalts in das Stadtleben mitaufgenommen werden und mit Unterstützung der Gastgeber auf Eigeninitiative das urbane Leben entdecken. Ein enges Miteinander zwischen Bewohnern, den touristischen Betrieben und den Gästen sei dafür unabdingbar.
"Wir wollen nicht nur in der Theorie bleiben, sondern haben diese Philosophie auf drei konkrete Stoßrichtungen heruntergebrochen: die Entwicklung und das Angebot von echten Erlebnissen, die Integration der Betriebe und Bewohner sowie ein konsequenter Einsatz von digitalen Hilfsmitteln – aber immer, um den Menschen Unterstützung zu bieten", konkretisiert Steiner.
Erlebnisse und Begegnungen im Fokus
Linz Tourismus will das Thema Begegnungen zwischen Menschen in den Mittelpunkt rücken und diese zum "zentralen Teil von Erlebnissen" machen. "Wir arbeiten intensiv daran, diese Erlebnis-Schätze in der Stadt, die es ja gibt, zu heben und für die Gäste und auch für die Bewohner zugänglich wie auch buchbar zu machen", erklärt Steiner.
Erste Erlebnisse sind bereits buchbar, und sie werden laufend erweitert: So wird derzeit ein kulinarischer Verkostungspass mit zehn gastronomischen Partnern erstellt. Dabei steht der Genuss genauso im Vordergrund, wie die Einladung, Geschäfte und Lokale zu besuchen, die man vielleicht sonst nicht betreten würde. Bei den "Start-up your Mind"-Touren kann in die kreative Szene der Stadt eingetaucht werden und bei den "Das gute Leben spüren"-Angeboten werden einem nachhaltige Konzepte näher gebracht.
Einheimische in der Besucher-Perspektive
Ein künftiger Erfolgsfaktor im Tourismus wird nach der Einschätzung des Linz Tourismus auch die Beteiligung der Bewohner sein und der Fakt, dass Tourismus als Bereicherung und nicht als Zusatzstress für Städte und Destinationen gesehen wird. Möglichst rasch möchte man hier entsprechende Konzepte entwickeln.
So soll es etwa einen "Tag der Einheimischen" geben. Dabei wird Linzern die Möglichkeit gegeben, ihre Stadt aus der Perspektive von Besuchern zu sehen: Als Stadtführungsteilnehmer, als Museumsbesucher, als Kiebitze hinter den Theaterkulissen und in den Zimmern der Linzer Hotels. Außerdem wird es auch für Betriebe Angebote geben, sich stärker einzubringen. Bei der ohnehin schon etablierten Abstimmung des Tourismuskonzepts können sich alle Verantwortlichen mit ihren Ideen einbringen. Als weitere Möglichkeiten stehen die Linz Academys zur Verfügung, sogenannte Think Tanks sollen außerdem entwickelt werden.
Für eine zusätzliche Attraktivierung der Linzer Innenstadt hat die Stadt Linz mit der Beteiligung des Tourismusverbandes Linz eine eigene Gesellschaft, die City Management Linz GmbH, gegründet. Kernaufgaben werden die Bespielung des öffentlichen Raumes, das Flächenmanagement und die digitale Weiterentwicklung sein. Daneben wird gemeinsam mit der Firma Cube Tech an einer digitalen Buchungsplattform gearbeitet, die noch im ersten Halbjahr 2021 zur Verfügung stehen soll.
Digitalisierung als Mittel zum Zweck
Während viele Unternehmen die Digitalisierung ins Zentrum allen Handelns stellen, soll dieses Themenfeld beim Linz Tourismus Mittel zum Zweck sein. Wo für Gäste und Bewohner mittels Digitalisierung Vereinfachungen erzielt werden können, sollen entsprechende Tools "in hoher Qualität" zur Verfügung gestellt werden. Im Mittelpunkt stehe jedoch immer der Mensch und die menschliche Beziehung, so der TVB Linz in einer Aussendung.
Dabei verweist man beim TVB Linz stolz auf die Visit-Linz-App: "Lange Zeit hat keine andere Tourismus-App in Europa so konsequent den Ansatz verfolgt, die Destination spielerisch erlebbar zu machen. Neben umfassenden Informationen über die Stadt wird das Spiel mit der Erkundung von Linz verknüpft." Seit dem Launch im Jahr 2017 sei die kostenlose Anwendung bereits mehr als 40.000 Mal heruntergeladen geworden.
Mithilfe der Visit-Linz-App finden die User Hardfacts über die Stadt, die sie auch spielerisch erkunden können. Bei Quizzen, Schnitzeljagden oder der Augmented-Reality-Jagd nach Linzer Torten sammelt der Nutzer Bonuspunkte. Die gesammelten Punkte werden bei Partnerbetrieben in der Stadt eingetauscht – gegen Vergünstigungen, kostenlose Speisen oder Getränke. Jeder Betrieb kann dabei die Vergünstigungen auswählen und so die Frequenz der Besucher steigern. Das Modell habe sich auch in Corona-Zeiten bewährt. Trotz des Lockdowns ab Dezember wurden in der Visit-Linz-App in dem Zeitraum Ende November bis Mitte Jänner etwa 1.700 Torten eingesammelt und deren Punkte in den Betrieben eingelöst.
"In-Wert-Setzung der Stadt" steht im Mittelpunkt
Wie überall sind auch in Linz die Hoffnungen groß, dass das Reisen bald wieder möglich ist. Linz möchte die Gäste dann auch verstärkt mit Empfehlungen für Outdoor-Aktivitäten empfangen. In den geplanten Kommunikationsmaßnahmen des Linz Tourismus, allen voran im Linz-verändert-Magazin und in Online-Kampagnen, steht die "In-Wert-Setzung der Stadt" im Mittelpunkt.
"Wir verstehen unter In-Wert-Setzung, den Leistungen der verschiedenen Systeme in der Stadt zu der Wertschätzung zu verhelfen, die sie verdienen. Klarerweise hat In-Wert-Setzung auch eine volkswirtschaftliche Dimension. Doch es wäre fatal, 'Wert' nur mit 'Geld' gleichzusetzen. Dann landen wir schneller im Overtourism als uns lieb ist. Auch Aufmerksamkeit, Zeit, Interesse, Offenheit und Empathie sind Werte, die wir als touristische Währung in Linz liebend gerne handeln", so Manfred Grubauer und Georg Steiner. (as)
www.linztourismus.at
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