Österreichs Wirtschaft ist durch die Folgen des zweimonatigen Lockdowns infolge der Coronakrise im zweiten Quartal um 12,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen – diesen Prozensatz hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) am Donnerstag bekanntgegeben, gemeinsam mit dem Kommentat, dass es sich dabei um eine Rezession "historischen Ausmaßes" handelt.
Bereits das erste Vierteljahr 2020 hatte ein Minus ausgewiesen. Im Vergleich mit diesen Zahlen war das BIP von April bis Juni um 10,7 Prozent tiefer. Ein Rückgang dieser Größenordnung sei "einzigartig seit dem Zweiten Weltkrieg", so das WIFO, dass weiter ausführt, dass die Maßnahmen um dieInfektionskurve flach zu halten auch einen "massiven Ausfall" der Konsumnachfrage mit sich gebracht hätten. Die heftigsten Einbußen der Wertschöpfung verzeichnet man in den Sparten Tourismus, Verkehr, Handel, den persönlichen Dienstleistungen sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung, doch auch die Industrie und die Exportnachfrage seien eingebrochen.
Es geht wieder bergauf
Mit dem starken BIP-Rückgang im zweiten Quartal ist Österreich nicht allein. Für Frankreich ging das Pariser Statistikamt Anfang Juli in einer vorläufigen Annahme von einem Einbruch von 17 Prozent im zweiten Quartal aus, erwartete aber fürs Sommerquartal schon wieder 19 Prozent Anstieg.
Die deutsche Wirtschaftsleistung schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilte. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970. Die US-Wirtschaft erlitt ebenfalls einen historischen Konjunktureinbruch. Das BIP ging im zweiten Quartal um auf das Jahr hochgerechnet 32,9 Prozent zurück, teilte die Regierung in Washington am Donnerstag mit.
"Das Tief liegt bereits hinter uns"
Das Institut für Höhere Studien (IHS) hatte vorige Woche zur neuen Mittelfristprognose erklärt, der Tiefpunkt der Rezession dürfte bereits im zweiten Quartal des heurigen Jahres erreicht worden sein, sodass die globale Wirtschaft nun wieder zu einem moderaten Wachstum zurückkehre. Die BIP-Entwicklung Österreichs im ersten Quartal wurde vom WIFO nur geringfügig revidiert und liegt für Jänner bis März bei minus 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und minus 2,4 Prozent gegenüber der Vorperiode, also dem Schlussquartal 2019.
Im zweiten Quartal sei die Wertschöpfung in den Bereichen Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie um 27,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr abgesackt – und mit minus 5,4 Prozentpunkten für fast die Hälfte des BIP-Rückgangs von April bis Juni verantwortlich gewesen. Die wirtschaftliche Entwicklung sei maßgeblich durch die Coronavirus-Eindämmungsmaßnahmen sowie die sukzessive Öffnung der Handels- und Dienstleistungsbereiche zwischen Mitte April und Ende Mai bestimmt gewesen, so das Wirtschaftsforschungsinstitut.
Extrem unterschiedliche Betroffenheit der Branchen
Mit Wertschöpfungseinbußen von 32,0 Prozent waren den Fachleuten zufolge die Bereiche Sport-, Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen sowie persönliche Dienstleistungen unmittelbar stark betroffen. Auch in den Sektoren Bergbau, Warenherstellung, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung sei die Wertschöpfung mit minus 20,9 Prozent massiv eingebrochen. Geprägt gewesen sei die Entwicklung durch Angebotseinschränkungen sowie heimische und internationale Nachfrageausfälle. In der Bauwirtschaft wurden 9,2 Prozent Rückgang verzeichnet.
Als krisenresistent erwies sich laut WIFO hingegen die wirtschaftliche Dynamik der Bereiche Information und Kommunikation, Kredit- und Versicherungswesen, Grundstücks- und Wohnungswesen sowie öffentliche Verwaltung. Der private Konsum brachte – aufgrund der Einschränkungen bei Handel und Dienstleistungen – einen historischen Nachfrageausfall in Höhe von minus 15,9 Prozent mit sich und dämpfte damit das BIP maßgeblich um immerhin minus 8,3 Prozentpunkte. Auch die Investitions- und Exporttätigkeit wurde deutlich eingeschränkt, allerdings "nur" ähnlich stark wie bei der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Die Anlageinvestitionen sanken im zweiten Quartal um 10,9 Prozent, die Exporte um 18,1 Prozent – hier drückte der Einbruch der Reiseverkehrsexporte die Entwicklung. Die Importe lagen um 15,3 Prozent unter Vorjahr, sodass der Außenbeitrag die Gesamtwirtschaft dämpfte.
WIFO: Neue Daten Ende August, Prognosen im Oktober
Am 28. August will das WIFO die revidierten Daten zum zweiten Quartal vorlegen. Ihre nächsten vierteljährlichen Prognosen wollen WIFO und IHS am 9. Oktober erläutern. Ende Juni waren sie für 2020 von 7,0 bzw. 7,3 Prozent BIP-Rückgang ausgegangen, hatten für 2021 aber schon wieder 4,3 bzw. 5,8 Prozent Zuwachs vorhergesagt.
Auch vorige Woche blieb das IHS bei den 7,3 Prozent minus bzw. 5,8 Prozent plus, präzisierte aber: Bei schneller Erholung könnte das BIP heuer vielleicht "nur" um 6,4 Prozent schrumpfen, bei einer langsamen Erholung um 8,3 Prozent, bei einer zweiten Coronavirus-Welle aber um 9,1 Prozent. Bei einer zweiten Welle würde 2021 das BIP-Plus auf 1,4 Prozent gebremst, könnte bei einer langsamen Erholung 4,8 und bei einer schnellen Erholung 6,6 Prozent ausmachen. (red)
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