Es klingt nach einem Finanzkrimi: Am Freitag ist der Chef des Zahlungsdienstleisters Wirecard, der Österreicher Markus Braun, mit sofortiger Wirkung zurückgetreten, nachdem eine Summe von 1,9 Milliarden Euro de facto unauffindbar ist. Bilanzprüfer zweifeln sogar an der Existenz der 1,9 Milliarden – sie entsprechen ungefähr einem Viertel der Bilanzsumme des Unternehmens – die auf Treuhandkonten auf den Philippinen verbucht worden sein sollen.
Der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young (EY) verweigert deshalb das Testat für die Wirecard-Bilanz des Jahres 2019. Dies hat wiederum dafür gesorgt, dass der Aktienkurs des Zahlungsdienstleisters regelrecht kollabiert ist.
Gefälschte Dokumente
Zwei philippinische Banken haben diversen Medienberichten zufolge dementiert, dass Wirecard bei ihnen Konten unterhalte. "Wirecard ist kein Kunde von uns", werden die BDO Unibank und die Bank of the Philippine Islands (BPI) zitiert. Dokumente, die externe Prüfer von Wirecard vorgelegt hätten, seien gefälscht, erklärte BPI. Auch BDO spricht von gefälschten Unterschriften.
Wirecard soll bereits ein Team in die philippinische Hauptstadt Manila geschickt haben, um vor Ort Untersuchungen anzustellen, berichtet die deutsche Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Braun behauptet in einem Video, das am Freitag online gestellt wurde und mittlerweile wieder offline ist, dass derzeit nicht ausgeschlossen werden könne, "dass die Wirecard AG in einem Betrugsfall erheblichen Ausmaßes zum Geschädigten geworden ist". "Wo das Geld ist, ob es jemals existiert hat oder Teil eines gigantischen Bilanzbetrugs ist, ist unklar – Wirecards Kritiker vermuten Letzteres", schreibt der Spiegel.
Banken könnten Stecker ziehen
Wirecard könnte im schlimmsten Fall vor der Pleite stehen. Sollte das Unternehmen auch kommenden Freitag keinen testierten Abschluss präsentieren, droht die Kündigung von Krediten in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro.
Dem Standard zufolge bezweifeln Experten jedoch, dass die Kreditgeber – darunter Institute wie die Commerzbank, ABN Amro, ING, die Deutsche Bank sowie österreichische Banken – einfach den Stecker ziehen. Dies hätte nämlich auch Belastungen für andere Banken zur Folge. (red)
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