Manchmal reicht es, am Frühstückstisch die Tageszeitung aufzuschlagen – und schon ist das Unbehagen da. Jeder erfahrene Print-Leser weiß, dass in jedem tagesaktuellen nationalen Blatt die Börsendaten zu finden sind. "ATX mit größtem Verlust in seiner Geschichte", so hieß es beispielsweise am 12. März 2020. Nicht bei wenigen Anlegern dürfte sich ein Gedanke breit gemacht haben: Wäre es nicht besser, jetzt alles zu verkaufen? Den einprasselnden Börsen-Nachrichten kann sich derzeit wohl kaum jemand völlig entziehen.
Von Panik keine Spur
"Wir erleben vor allem in der Medienberichterstattung eine Art Déjà vu und fühlen uns an die Zeit von und nach 2008 erinnert. Man möchte meinen, dass die Anleger wie damals überreagieren, blind ihren Instinkten folgen und Kurzschlussaktionen umsetzen. Das ist aktuell bei weitem nicht der Fall", so die Private-Banking-Spezialistin Petra Witzmann, die Vorstandsmitglied des Verbandes Financial Planners ist.
Wenige Kunden würden Beratungsresistenz an den Tag legen und beispielsweise darauf bestehen, Panikverkäufe zu Tiefstständen zu tätigen. Im Zuge der Finanzkrise sei das Witzmann zufolge noch anders gewesen. Anleger hätten viel dazu gelernt. Gemeinsam mit den Kunden hätte sie in den letzten Jahren bei Veranlagungen die Möglichkeit eines Börsencrashs und dessen Auswirkungen aktiv in den Entscheidungsprozess miteinbezogen. In Zeiten wie diesen zeige sich nun, wie langfristig ausgerichtet und gut diversifiziert die eigene Strategie tatsächlich ist.
"Wir beobachten, dass die Kunden nicht in Panik verfallen, sondern aktiv die Situation für günstige Zukäufe nutzen. Diesen Mut gab es 2008 noch nicht, was aber sicherlich auch daran liegt, dass die Qualität der Finanzberatung mittlerweile ebenfalls noch besser geworden ist, aus inhaltlicher und psychologischer Sicht", berichtet die Expertin, die hauptberuflich als Leiterin Private Banking bei der Waldviertler Sparkasse Bank AG, in Zwettl und Waidhofen an der Thaya, tätig ist.
Weniger "Do-It-Yourself"-Anleger in Not
Der Finanzcrash hat eine Reihe regulatorischer Vorgaben mit sich gebracht, beispielsweise im Rahmen von MiFid I und II. "In Banken wird somit auch mehr Wert auf standardisierte, gesamtheitliche Ausbildung gelegt und Zertifizierungen haben einen höheren Stellenwert erhalten. Wir Berater haben darüber hinaus gelernt, dass neben inhaltlicher Kompetenz im Umgang mit Kunden vor allem psychologische Fähigkeiten und laufende Information gefragt sind. Die vermehrte Berücksichtigung dieser Faktoren in Aus-und Weiterbildungen trägt in der aktuellen Situation nun Früchte. Eine langfristige Kundenbeziehung stärkt beide Seiten", ist die Niederösterreicherin überzeugt.
Krisen würden dazu führen, dass der Mehrwert zertifizierter Beratung in Erscheinung tritt. so Witzmann. Es geb auch jetzt wieder kurzfristig ausgerichtete DIY-Anleger, die sich die Finger verbrannt haben und im Nachhinein professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Der Anteil und die Ausmaße seien allerdings wesentlich geringer bzw. milder als vor rund zehn Jahren.
Finanzbildung bleibt in Krisenzeiten Trumpf
Die Relevanz von Finanzbildung in der öffentlichen Debatte sei seit der Finanzkrise gestiegen. Obwohl es noch kein fixes Unterrichtsfach gibt, werde vermehrt diskutiert, wie Finanzbildung in die Schulen gebracht werden kann – sodass der Umgang mit dem eigenen Geld von der Pieke auf erlernt wird. Witzmann zufolge sei das dringend notwendig, denn Österreich hinke in dieser Hinsicht deutlich hinter anderen Regionen, wie Skandinavien oder der USA, hinterher.
"Wir als Verband Financial Planners setzen uns weiterhin dafür ein, den Österreichern nahe zu bringen, wie wichtig dieses Wissen ist. Finanzplanung bedeutet Lebensplanung und wer sich proaktiv damit auseinandergesetzt hat, lässt sich nun nicht durch jede Negativ-Schlagzeile verunsichern und kommt entspannter durch die turbulente Zeit", ist sich die Finanzplanerin sicher. (red)
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