Innerhalb kürzester Zeit haben durch Corona viele Unternehmer und Angestellte ihre Existenzgrundlage verloren. LEADERSNET hat mit Einstellungs-Coach Roland Motschiunig darüber gesprochen, wie eine Krise den Menschen verändert und was man auch Positives daraus ziehen kann.
LEADERSNET: Wie kann man die Aufgaben eines Einstellungs-Coaches am besten beschreiben? Wie läuft ein Coaching ab?
Motschiunig: Als Einstellungs-Coach bin ich Expeditionsleiter zu verborgenen Ressourcen. Mein Verständnis ist, dass wir über alle Ressourcen, die wir benötigen bereits verfügen. Sie sind vielleicht noch nicht erkennbar, man hat gerade keinen Zugriff darauf, aber sie sind da. Als anlassbezogenes Lernen ist Coaching, wie ich es sehe, lösungsorientiert und berücksichtigt das System des Coachees.
Am Beginn steht immer der Wunsch nach Veränderung. Ein Anliegen. In einer ersten Begegnung, dem Erstgespräch, werden die Rahmenbedingungen des Coachings besprochen. Hier wird geprüft ob der Coach den Auftrag annehmen darf und will. In dieser Phase erhält der potentielle Klient alle Informationen, um für sich zu klären ob er unter diesen Bedingungen den Coach beauftragen möchte.
Wird eine Vereinbarung getroffen, kann die Zusammenarbeit beginnen. Der Klient geht den Weg selbst – ich führe ihn nur.
LEADERSNET: Welche Rolle spielen dabei Werte und Glaubenssätze?
Motschiunig: Die Hauptrollen. Unter Einstellung versteht man die Gesamtheit aller Werte und Glaubenssätze eines Menschen. Als Kommunikationsexperte stelle ich die intrapersonelle Kommunikation in den Vordergrund. Werte und Glaubenssätze sind die Wurzeln des Baums. Sie entscheiden darüber ob er einen kräftigen Stamm hat, der starke Äste mit saftigen Früchten trägt. Diese nach außen sichtbaren Ausprägungen sind das Ergebnis. In Form interpersoneller Kommunikation äußert sich das folglich in seinen Zweigen, z.B. in Marketing, Verkauf oder Führung.
Glaubenssätze sind der Stoff aus dem Gewohnheiten bestehen. Es gibt nützliche und hinderliche. Die hinderlichen vergleiche ich gerne mit Schad-Software, die irgendwann ihren Weg ins System gefunden hat und dort unbemerkt wirkt. Sie aufzuspüren und durch neue, hilfreiche zu überschreiben ist die Basis für positive Entwicklung.
LEADERSNET: 50 Jahre Erfahrung im Leben, 30 Jahre davon im Beruf und mehr als die Hälfte davon als Führungskraft. Warum haben Sie sich als Coach selbstständig gemacht?
Motschiunig: Mit 49 war für mich ein guter Zeitpunkt gekommen, um zu überprüfen wie ich mein zukünftiges berufliches Leben gestalten möchte. Prioritäten verschieben sich fließend und oft unbemerkt. Ich stellte fest, dass ich meine Lebenszeit auch beruflich weiterhin sinnvoll nützen möchte. Nur, dass sich der Sinn für mich in den letzten Jahren verändert hatte. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass ich durch meine Erfahrungen und Fähigkeiten, Menschen überraschend gut dabei unterstützen kann sich zu verändern und ihre berufliche Lebenszeit mit Sinn zu erfüllen.
Also entschloss ich mich, meine bisherige Erfahrung mit einer soliden Ausbildung für Coaching und Training abzurunden und mich unter die Gründer zu mischen.
Von jungen Menschen der Generation Y und Z wurde ich inspiriert meine eigenes StartUp-Projekt zu starten. Als Generation "WHY" sozusagen.
LEADERSNET: Wirkt Corona als Turbo, Dinge anzugehen, die schon länger in einem geschlummert haben?
Motschiunig: Ich sehe, dass diese besondere Zeit für viele Menschen auch eine Gelegenheit ist. Es ist, als würde die Pause Taste gedrückt und alles steht – wie eingefroren – still. Nur die Hauptdarstellerin bewegt sich und betrachtet die aktuelle Situation in völliger Ruhe. Dabei kann sie sich seelenruhig Fragen stellen und Antworten erhalten, die sie bei normaler Abspielgeschwindigkeit nicht empfangen hätte.
Und ja – in dieser Hinsicht sehe ich die Verlangsamung als Turbo, längst schwelende Entwicklungen nun aktiv anzugehen und Veränderungen einzuleiten.
LEADERSNET: Haben viele Menschen Schwierigkeiten, sich mit sich selbst zu befassen, wenn Job und Ablenkungen minimalisiert werden?
Motschiunig: Pauschal kann ich diese Frage nicht beantworten. In meinen Gesprächen stelle ich genau das Gegenteil fest. Es ist – wie vorhin skizziert – wie eine lang ersehnte Pause, in der man einen ruhigen und distanzierten Blick auf sein Leben und vor allem sein berufliches Leben wirft. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass meine eigene Entwicklung mit Neuorientierung und Unternehmensgründungsprogramm mich für diese Menschen zu einem natürlichen Gesprächspartner gemacht hat.
LEADERSNET: Wie begleiten Sie Menschen durch eine Krise?
Motschiunig: Das kommt darauf an. Das Wort Krise wird sehr unterschiedlich verwendet. Zur Klarstellung: Ich bin kein Psychotherapeut oder Lebens- und Sozialberater. Ich bin Unternehmensberater, Coach und Trainer. In einer ersten Begegnung sehe ich ob das Anliegen des potentiellen Klienten für mich als Coach geeignet ist. Ob ich darf, kann und will. Ich arbeite in einem Netzwerk und kann hervorragende Therapeuten oder LSB´s empfehlen, die auch jenseits meiner Möglichkeiten gut unterstützen.
Ist es eine berufliche Krise im Sinne von Chance, dann lautet die Frage „Wie kann es gut weitergehen?“ und das kann durchaus der Startpunkt für diese Expedition sein. Dabei entscheiden Klient-Klientin wie sie aussehen soll. Reines Sparring, Beratung oder Coaching. Als Individual- oder Gruppenreisende. Ist ein Impuls im Rahmen eines kurzen Vortrags gewünscht oder steht mehr Zeit zur Verfügung, um Möglichkeiten zu erschaffen und den Wandel zu begleiten.
LEADERSNET: Funktioniert das auch in der derzeitigen Covid-19-Situation?
Motschiunig: Ja – mitunter sogar noch besser. Auch hier könnte man Covid als Turbo für die Akzeptanz der digitalen Ebene bezeichnen. Tools für digitale Face-2-Face-Kommunikation sowie Webinare und Tutorials, erleben nun eine deutlich breitere Akzeptanz. Coaching- und Trainingseinheiten über digitale Kanäle werden gerne angenommen und funktionieren tatsächlich sehr gut. Der persönliche Kontakt wird auch künftig wichtig bleiben, aber mit digitalen Einheiten gemischt genutzt. Zeit und Raum sind dadurch keine trennenden Aspekte mehr. Zeit für An- und Abreise fällt weg und kann somit gut in andere Bereiche investiert werden. Völlig unabhängig davon wo sich Coach und Coachee befinden, werden Einheiten ganz flexibel vereinbart.
LEADERSNET: Ist die Veränderungsbereitschaft die wichtigste Eigenschaft und kann man diese jetzt besonders gut lernen?
Motschiunig: Sie ist die Voraussetzung für Coaching. Klient-Klientin müssen die Veränderung mehr wollen als der Coach. Für jene Menschen, die schon länger den Wunsch in sich tragen, aber sich noch nicht getraut haben oder einfach noch nicht genug Zeit hatten, es in Ruhe zu reflektieren, ist das natürlich die perfekte Gelegenheit.
LEADERSNET: Ein waghalsiger Vergleich: Von innen gesehen gleicht auch ein Hamsterrad einer Karriereleiter, Corona bremst und hält es oft sogar auf. Kann das nicht für viele auch gut sein?
Motschiunig: Waghalsig vielleicht – aber durchaus passend. Stoppt es abrupt, dann stolpert man, fällt hin oder sogar heraus. Abhängig von der individuellen Situation kann das existenzbedrohend sein und es wäre hier völlig unangebracht und gar zynisch hier schablonenhafte Antworten im Mantra-Stil von „Alles wird gut.“ zu geben.
Wofür das eine Gelegenheit war, zeigt sich meist erst in einer späteren Phase. Im Rückspiegel der Geschichte. Welcher der individuell beste erste Schritt ist, zeigt sich im ersten Gespräch.
LEADERSNET: Wie entwickeln sich Existenzängste, wenn so vieles wegbricht? Beispielsweise in der Gastro- und Eventbranche… Was kann man dagegen tun?
Motschiunig: Die Illusion von Sicherheit löst sich schlagartig weiter auf. Schon die Zeit vor der aktuellen Situation wurde mit dem Akronym VUCA etikettiert, was für Volatility-Uncertainty-Complexity-Abuguity steht. Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit betreffen nun aber den Großteil der Gesellschaft.
Angst oder Glaube treten zu Tage und entfalten ihre Wirkung. Gerade für die nun folgende Phase ist es entscheidend, dass wir in unsere – wie ich es nenne - Vorstellungs-Kraftkammer gehen und wünschenswerte Szenarien bewusst entwickeln. Negative sind um nichts wahrscheinlicher nur weil warnende und angsterfüllende Experten ihnen den Anstrich der Realität geben und alles andere in den Bereich der Naivität verbannen. Nach der großen Weltwirtschaftskrise des vorigen Jahrhunderts war aber gerade das die Lektion, die man meinte, gelernt zu haben: dass die um sich greifende Angst, Industrie und Wirtschaft in die Knie zwang. Das muss sich nicht wiederholen.
Gedanken sind Illusionen. Die Frage ist: für welche Illusion – positive oder negative –entscheiden wir uns um sie zu manifestieren, sie real werden zu lassen?
Sie fragen was kann man dagegen tun: Die eigene Vorstellungskraft zu entwickeln und zu stärken. Per Entschluss. Auch in Ihrer persönlichen Vorstellungs-Kraftkammer können Sie unterstützt werden. Mit einem Personal-Trainer, einem Coach, gehen Sie weiter als Sie alleine gegangen wären.
LEADERSNET: Zeigt der Mensch gerade in solchen Krisen, wie er wirklich ist?
Motschiunig: Hier möchte ich gerne Marie von Ebner-Eschenbach zitieren: "Den Wert von Diamanten und Menschen kann man erst ermitteln, wenn man beide aus der Fassung bringt." Und ja – man ist bisweilen durchaus überrascht welche Masken da gerade fallen. In sogenannten Schlechtwetter-Situationen kippen Menschen dann in ihren dramatischen Modus und steigen entsprechend ihres Typus in ihre bevorzugte Drama-Rolle, die als Täter, Retter oder Opfer bezeichnet wird. Hier ist es wichtig die Drama-Umkehr einzuleiten und die Rolle in ihre positive Entsprechung zu wandeln.
LEADERSNET: Sie bieten auch Beratung für Unternehmen an. Wie funktioniert Markenaufbau und Markenführung in diesen Zeiten?
Motschiunig: Eine umfassende Beantwortung sprengt hier sicher den Rahmen und wäre eine eigene Serie wert. Damit sind wir wieder bei den Werten. Unabhängig davon ob die Marke für ein Produkt oder eine Dienstleistung stehen soll, gilt meine Frage immer den Core-Values – den Kernwerten. Diese in einem erprobten Prozess herauszuarbeiten, ist für mich stets der erste und zugleich wichtigste Schritt. Auch in diesen Zeiten.
LEADERSNET: Was können Sie den LEADERSNET-Lesern in dieser herausfordernden Zeit ganz allgemein mit auf den Weg geben?
Motschiunig: Auch wenn mir Menschen manchmal Optimismus vorwerfen, halte ich mich für einen Realisten, wenn ich sage: "Das Problem ist nicht das Problem. Das Problem ist deine Einstellung zum Problem." Das ist ganz und gar nicht zynisch gemeint, sondern darauf gerichtet, was ich tatsächlich selbst wählen kann. Stellen Sie sich ein. Selbst und bewusst.
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