"Zeig mir deinen Pass und ich zeige dir, wie frei du bist." – dieser Satz könnte 2020 so viel Wahrheit wie lange nicht beinhalten, zumindest wenn man Reisepässe als Maßstab zur Rate zieht. Seit 2006 wird jährlich zu Beginn des neuen Jahres der Henley Passport Index veröffentlicht, der ein Ranking aller Reisepässe der Welt, gemessen an der Anzahl von Reisezielen, die ihre Inhaber besuchen können, ohne vorher ein Visum beantragen zu müssen, darstellt.
Die soeben veröffentlichten Ergebnisse für 2020 zeigen, dass asiatische Länder ihre Führungsstellung festigen konnten. Mit einer Punktezahl von 191, die für 191 Länder mit Visumfreiheit oder Visum bei Ankunft steht, hat sich Japan zum dritten Mal in Folge den Spitzenplatz im Index gesichert, der auf Daten der International Air Transport Association (Iata) basiert. Singapur belegt mit 190 Punkten Platz zwei, während Südkorea mit Zugang zu 189 Destinationen auf den dritten Platz abgerutscht ist, den es sich mit Deutschland teilt. Österreich belegt mit freiem Zugang zu 185 Destinationen den siebten Platz.
USA und England am absteigenden Ast, Afghanistan bleibt Schlusslicht
Der anglo-amerikanische und angelsächsische Sprachraum befindet sich indes am absteigenden Ast: sowohl die USA als auch Großbritannien mussen Punkte – und damit Destinationen – einbüßen. Zwar können sich beide Länder weiter in den Top Ten halten, doch ihr geteilter achter Platz ist eine bedeutende Verschlechterung, seit sie 2015 gemeinsam Platz eins belegt hatten. Finnland und Italien teilen sich den vierten Platz mit 188 Punkten, Dänemark, Luxemburg und Spanien folgen auf dem fünften Platz mit 187 Punkten.
Verbessert haben sich die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die in den letzten zehn Jahren um ganze 47 Plätze gestiegen sind. Die VAE belegen jetzt den 18. Platz mit 171 Punkten. Afghanistan stellt mit Zugang zu 26 Ländern weiterhin das Schlusslicht der Tabelle dar.
Kluft bei Reisefreiheit so groß wie noch nie
Besonders brisant an den Ergebnissen des aktuellen Henley Passport Index ist, dass er auch auf eine "wachsende Kluft bei der Reisefreiheit" hinweisen könnte, wie Christian H. Kaelin, Vorsitzender von Henley & Partners, in einer Aussendung kommentiert – und das, obwohl Menschen heutzutage mobiler sind als je zuvor. "Japanische Reisepassinhaber haben Zugang zu 165 Zielen mehr als afghanische Staatsbürger. Die Analyse unsere historischen Daten ergibt, dass diese außergewöhnliche globale Kluft bei der Reisefreiheit seit der Einführung des Index im Jahr 2006 am ausgeprägtesten ist", so Kaelin.
Die politikwissenschaftlichen Forscher Ugur Altundal und Ömer Zarpli von der Universität Syracuse und der Universität Pittsburgh haben durch die Analyse der historischen Daten des Index eine hohe Korrelation zwischen Reisefreiheit und anderen Arten von Freiheiten festgestellt – von wirtschaftlichen und politischen bis hin zu individuellen oder menschlichen.
Reisefreiheit eng mit anderen Freiheiten verbunden
"Es gibt eine ausgeprägte Korrelation zwischen Visumfreiheit und beispielsweise der Investitionsfreiheit. Ähnlich verhält es sich mit der Gewerbefreiheit, und europäische Staaten wie Österreich, Malta und die Schweiz, die eine unternehmensfreundliche Umgebung haben, erreichen tendenziell auch in Bezug auf die Wirkmächtigkeit ihrer Reisepässe ein höheres Ranking. Indem wir den Human Freedom Index herangezogen haben, konnten wir auch eine starke Korrelation zwischen persönlichen Freiheiten wie etwa Identität, Vereinigung und Ausdruck mit der Reisefreiheit feststellen."
"Die Zukunft der Mobilität zwischen Großbritannien und der EU bleibt ungewiss. Die neu gewählte konservative Regierung hat ein Punktesystem nach australischem Vorbild versprochen, das in Bezug auf Nicht-EU-Bürger zwar liberaler als die aktuellen Richtlinien, aber dennoch viel restriktiver als Freizügigkeit wäre", so Madeleine Sumption, Director des Migration Observatory an der Universität Oxford, über den Bericht. Der Brexit hat Großbritannien offenbar auch zu einem weniger attraktiven Ziel für EU-Bürger gemacht: die EU-Nettomigration in das Vereinigte Königreich sei zwischen 2015 und 2018 um 59 Prozent gesunken, so Sumption weiter. (red)
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