Die Steuerreform ist eines der Projekte der Regierung, das mit größter Spannung erwartet wird. Im Rahmen des BDO Tax Talk am 14. März in Wien werden die brennendsten Fragen zum Thema Steuerreform von Top-Experten behandelt.
LEADERSNET hat die BDO-Partner Berndt Zinnöcker schon vorab zum Interview getroffen und sich mit ihm darüber unterhalten, warum das Einkommensteuergesetz entstaubt gehört, warum der "große Wurf" über Einzelinteressen zu stellen sei, warum wir einen "Schub Richtung Digitalisierung" brauchen und warum Kernkompetenzen durch nationalstaatliches Denken nicht gefährdet werden dürfen.
LEADERSNET: Die kommende Steuerreform sieht von 2020 bis 2022 schrittweise Entlastungen für Bürger und die Wirtschaft vor. Neben Maßnahmen wie einer Erhöhung der Werbungskostenpauschale und Pauschal-Erleichterungen für Kleinunternehmer sollen 2022 auch weitere Schritte zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes Österreich gesetzt werden. Während einige Details zur Steuerreform 2020 bereits geklärt sind, bleiben noch viele Fragen zu klären. Wo verorten Sie die größten Stolpersteine für die geplanten Reformen?
Zinnöcker: Ein großer Wurf wäre eine Neukodifizierung des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das EStG, mit dem wir heute arbeiten stammt noch aus 1988, der Ära von Finanzminister Lacina, und ist somit mehr als 30 Jahre alt. Eine Modernisierung wäre dringend notwendig, damit verbunden auch eine Streichung von Ausnahmeregelungen, wobei es hier sicher viele Interessensgruppen gibt, die sich dann benachteiligt fühlen. Das wird die wahre Herausforderung – den großen Wurf über die Interessen von Einzelgruppen zu stellen.
LEADERSNET: Was wird die Steuersituation für den Wirtschaftsstandort Österreich mit sich bringen und wo liegen die größten Chancen?
Zinnöcker: Bei großen Investitionsentscheidungen spielen neben regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen wie Rechtssicherheit, Umweltbelange, Infrastruktur und Mitarbeiter natürlich auch Steuern eine große Rolle. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Wirkung von "nominellen" Steuersätzen. Österreichische Unternehmen zahlen relativ gesehen oft weniger als 25 Prozent Körperschaftsteuer. Das liegt an den zahlreichen Ausnahmen. In internationalen Vergleichsstudien scheinen aber in der Regel immer die 25 Prozent auf. Ein Abtausch von Ausnahmen vs. Senkung des nominellen Steuersatzes kann hier schon einiges bewirken. Noch wichtiger ist allerdings ein modernes Steuerrecht und eine moderne Verwaltung. Österreich war lange Zeit führend im Bereich der Finanzverwaltung – Stichwort Finanzonline. Jetzt brauchen wir einen neuen Schub in Richtung Digitalisierung.
LEADERSNET: Welche Schritte würden Sie für den Steuerstandort Österreich am sinnvollsten erachten, was würden Sie sich persönlich für den Wirtschaftsstandort wünschen?
Zinnöcker: Eine komplette Neukodifizierung des EStG verbunden mit einer Entlastung des Faktors Arbeit. Die Abgabenbelastung für Personal ist für Unternehmen und Mitarbeiter zu hoch. Als Dienstleistungsgesellschaft – Stichwort: Bedeutung des Tourismus für Österreich – ist aber gerade das Personal der entscheidende Faktor.
LEADERSNET: Wie kann sich Österreich künftig im Wettbewerb mit seinen Nachbarstaaten behaupten und durch welche Eigenschaften hebt sich der Wirtschaftsstandpunkt Österreich von seinem Umfeld ab? Wo sehen Sie die markantesten Unterschiede zu den europäischen Nachbarländern?
Zinnöcker: Österreich ist hochinnovativ – denken wir nur an die vielen österreichischen Weltmarktführer – international – siehe Tourismus und Exportwirtschaft – und das Tor zu Osteuropa. Diese Kernkompetenzen dürfen wir durch nationalstaatliches Denken nicht gefährden. Gerade in vielen osteuropäischen Nachbarstaaten manifestiert sich derzeit wieder nationalstaatliches Denken. Wenn man die Entwicklung Österreichs seit dem EU-Beitritt betrachtet, wird klar, dass wir nur weltoffen und international ausgerichtet erfolgreich sind. Als kleines Land können wir wendiger agieren und sind über die EU trotzdem in ein großes, internationales Wirtschaftsgefüge eingebunden. Wie wichtig das ist, sehen wir derzeit am Beispiel Großbritannien. Dort gibt es kein Wirtschaftswachstum mehr – eben wegen dem Brexit. Nationale Alleingänge von - im internationalen Vergleich gesehen – europäischen Kleinstaaten werden nicht von Erfolg gekrönt sein.
LEADERSNET: Welche Aspekte des österreichischen Steuersystems bringen aktuell klare Vorteile für Unternehmen?
Zinnöcker: Österreich hat mit der Forschungsprämie eine der besten Forschungsförderungen im Steuerbereich. Auch die Besteuerung von Kapitaleinkünften über die KESt, die von den Banken erhoben wird, ist im internationalen Vergleich vorbildhaft. Bei der digitalen Behördenkommunikation über Finanzonline sind wir ebenso noch vorne dabei. Lange war Österreich hier Spitzenreiter, jetzt laufen uns jedoch die nordeuropäischen Staaten (Skandinavien, baltische Staaten – Anm. d. Red.) den Rang ab.
LEADERSNET: Die Steuergebaren von Digitalkonzerne wie Amazon, Google oder Facebook sorgen schon länger für einen Ruf nach mehr Steuergerechtigkeit. Wie wahrscheinlich stufen Sie eine Einigung auf eine EU-weite Digitalsteuer im Zuge der nächsten Europa-Wahlen ein und halten Sie diesen überhaupt für sinnvoll?
Zinnöcker: Eine Einigung auf EU-Ebene wäre ein erster wichtiger Schritt, entscheidend ist aber eine Einigung auf OECD-Ebene. Insgesamt wird das aber auf beiden Ebenen schwierig – auf Ebene der EU wegen Irland und auf internationaler Ebene wegen USA und China. Generell ist es aber schon eine Frage der Steuergerechtigkeit zwischen den Staaten, dass Steuern auch dort bezahlt werden, wo die Wertschöpfung passiert. Digitale Geschäftsmodelle haben hier viel verändert. Die derzeitigen internationalen Steuerregelungen, wie die Doppelbesteuerungsabkommen, tragen dem noch zu wenig Rechnung.
LEADERSNET: Welche Steuerreform-Vorschläge würden Sie aus persönlicher Sicht für Österreich und die EU vorschlagen, auf welche Aspekte würden Sie das Hauptaugenmerk lenken?
Zinnöcker: Im Sinne der vorstehenden Antworten: Steuergerechtigkeit im Hinblick auf digitale Geschäftsmodelle, Entlastung des Faktors Arbeit, Vereinfachung der Steuergesetzgebung.
LEADERSNET: Als Leiter der BDO-Unit Start-up, welche grundlegenden Steuer-Tipps können Sie für Gründer geben?
Zinnöcker: Entscheidend ist ein ordentlicher Businessplan, der auch steuerrechtliche Aspekte berücksichtigt, zum Gründungszeitpunkt mit Fokus auf umsatzsteuerliche Gesichtspunkte. Dort lauern gerade zu Beginn die meisten Steuerfallen. Zudem sollten die steuerlichen Förderungen berücksichtigt werden. Wichtig ist auch das Thema Mitarbeiterbindung. Bei der Beteiligung von Mitarbeitern ist das österreichische Steuerrecht leider nicht sehr modern. Hier kann steuerlich viel schiefgehen. Daher empfiehlt sich bereits in der Gründungsphase eine Beratung!
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