Oliver Attensam leitet seit 2009 die Geschicke der Attensam Gruppe. Seine Karriere im familieneigenen Unternehmen hat er schon 1991 begonnen. Was er jetzt anders macht als seine Eltern, welche Veränderungen es in der Hausbetreuung in den letzten Jahren gegeben hat, welche Veränderungen es in der Zukunft nicht geben wird und warum seine Mitarbeiter anders ticken müssen als er, erzählt er im Interview mit LEADERSNET.
LEADERSNET: Sie haben vor knapp zehn Jahren die Geschicke der Attensam Gruppe übernommen. Wie hat sich das Unternehmen in dieser Zeit verändert?
Attensam: Mein Bruder Clemens und ich hatten die Möglichkeit, das Unternehmen so zu entwickeln, wie wir uns das auch vorgestellt haben. In Wahrheit hat es sich aber nicht so weit wegentwickelt von dem, was meine Eltern gemacht haben. Mein Bruder war für das Auslandsgeschäft zuständig und hat Attensam in Ländern wie Deutschland, Rumänien, Ungarn oder Serbien als Service etabliert. Wir hatten rund 300 Niederlassungen. Mein Bruder hat dann aber beschlossen, dass er etwas Neues beginnen möchte und ich habe das Unternehmen weitergeführt. 2011 habe ich dann entschieden, alle Niederlassungen im Ausland zu verkaufen, da wir das alles so schnell gegründet haben und es auf etwas wackeligen Beinen stand. Bei den Mitarbeitern hat das zu Unsicherheiten geführt. Auch deswegen, weil mein Vater 2004 verstorben war und sich auch meine Mutter aus dem Geschäft zurückgezogen hatte. Am Ende war dann nur noch ich übrig und viele Mitabeitern hatten die Befürchtung, dass ich auch das Inlandsgeschäft veräußern könnte.
LEADERSNET: Wie haben Sie diese Verunsicherung in der Belegschaft zerstreuen können?
Attensam: Ich habe einen Zukunftsworkshop organisiert, bin ein Jahr lang von Niederlassung zu Niederlassung gefahren und habe mit den Mitarbeitern über die Zukunft des Unternehmens gesprochen. Ich habe auch kritische Themen und die Herausforderungen, vor denen die Branche steht – wie etwa Robotik, Automatisierung und Digitalisierung – angesprochen. Am Ende dieses intensiven Jahres hatte sich dann herausgestellt, dass uns – wenn wir das, was wir machen, gescheit und vernünftig machen – niemand von unserem Platz verdrängen kann. Die Zeit hat uns recht gegeben. Wir haben uns seit damals verdoppelt. Damit das Ganze auch für die Mitarbeiter greifbar wird, habe ich für sie aus diesen Ergebnissen ein Buch gemacht, das "Attensam 2020" heißt.
LEADERSNET: Wie sehr haben sich die Leistungen, die Ihr Unternehmen anbietet, in dieser Zeit verändert?
Attensam: Im Grunde genommen hat sich nur sehr wenig geändert. Unser Geschäftsfeld ist damals wie heute Facility Management. Wir bieten rund um das Haus herum – vor allem Wohnhaus – so viele Services wie möglich an, um den Hauseigentümer zu entlasten. Das hat schon 2010 funktioniert, funktioniert heute und wird auch 2030 funktionieren. So wie es das "Attensam 2020" Buch gegeben hat, arbeiten wir jetzt an "Attensam 2030", um den Mitarbeitern weiterhin einen Blick auf die Zukunft geben zu können. Dazu habe ich auch die Service-Expertin Sabine Hübner eingeladen.
LEADERSNET: Wie ist die Zusammenarbeit mit Sabine Hübner zustande gekommen?
Attensam: Ich habe sie bei einem Kongress kennengelernt und war von ihrem Vortrag total beeindruckt. Sie hat genau die Dinge angesprochen, die mich jeden Tag beschäftigen: Wie kann man das, was wir machen, spannend vermitteln? Wie können "langweilige" Themen wie Schneeschaufeln oder Putzen "sexy" gemacht werden. Daraufhin habe ich zu einem Workshop bei uns eingeladen. Der erste Termin war vor etwa sechs Wochen und bis in zum Herbst werden wir, gemeinsam mit den Mitarbeitern, Material sammeln, um dann Ergebnisse liefern zu können. Meiner Meinung nach ist es extrem wichtig, sich mit dem Thema Zukunft zu beschäftigen.
LEADERSNET: Auf dem Cover von "Attensam 2020" steht: "Kann man Häuser glücklich machen?" Ist dieser Zugang der große Unterschied zu Ihren Mitbewerbern?
Attensam: Ja, weil wir uns nicht einfach nur als Gebäudereiniger sehen. Wir haben natürlich einen Gewerbeschein und wir sind ein Meisterbetrieb, aber das ist nicht das, was uns primär interessiert. Uns interessiert in erster Linie, dass wir unsere Kunden zufriedenstellen. Deshalb hat sich unser Fokus seit der Gründung im Jahr 1980 von klassichen Hausmeistertätigkeiten zu viel mehr hinentwickelt. Wir betrachten das Haus als Ganzes. Einerseits gibt es moderne Häuser mit sehr viel Technik drinnen und dann hat man aber auch Jahrhundertwendehäuser, wo es kaum Technik gibt. Dennoch brauchen wir auch für diese Häuser viel technisches Know-how, um sie richtig pflegen zu können. Ein modernes Haus hat dann wieder ganz andere Wände oder Dichtungen bei den Fenstern und wir versuchen in all diesen Bereichen top zu sein, um unsere Kunden zufriedenzustellen.
LEADERSNET: Welche Tätigkeiten sind in den vergangenen Jahren konkret dazugekommen?
Attensam: Das Hauptsächliche, was dazu gekommen ist, ist all das, was Haustechnik ist. Früher haben wir in erster Linie gereinigt, und klassische Hausmeistertätigkeiten, wie Winterbetreuung oder Grünflächenpflege, angeboten. Mittlerweile haben wir Elektriker, wir haben eine Baumeisterkonzession, wir sind Installateure, wir haben Malermeister – also alle Tätigkeiten, die rund um das Haus notwendig sind. Was wir nicht tun, ist Häuser bauen. Aber alles, was zur Substanzerhaltung und Verbesserung in einem Gebäude passt, decken wir ab – bis hin zur Schädlingsbekämpfung. In den vergangenen zehn Jahren sind wir einer der größten Schädlingsbekämpfer von Österreich geworden, ohne dass wir das wollten und ohne dass wir das wussten – bis es uns jemand gesagt hat. Wir haben das nicht geschafft, weil wir einer der größten Schädlingsbekämpfer werden wollten, sondern weil wir unseren Job gut und gescheit gemacht haben und das war dann die logische Schlussfolgerung daraus.
LEADERSNET: Wie schaffen Sie es, über 1.000 Mitarbeiter von dieses Firmen-Policy zu überzeugen und sie nur ansatzweise so ticken zu lassen, wie Sie sich das wünschen?
Attensam: Ehrlich gesagt, ticken sie eher anders und das Spannende ist, dass man sie auch anders ticken lassen muss, weil es nicht funktionieren würde, dass sie sich alle beispielsweise nach mir ausrichten. Es gibt diesen Spruch: "Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer." (aus "Die Stadt in der Wüste" von Antoine de Saint-Exupery – Anm. d. Red.) Ich denke, dass es auch bei uns ein wenig so ist. Ich bin kein Detailmensch, der jeden Tag dem Anderen sagt, was er zu tun hat. Wir schauen uns uns an, in welchen Bereichen wir gut sind, wo wir uns weiterentwickeln können und wo wir etwas Neues dazunehmen können.
LEADERSNET: Sie sind 2015 als "Great Place To Work" ausgezeichnet worden. Welche Arbeit steckt dahinter, um so eine Mitarbeiterzufriedenheit zu erreichen?
Attensam: Als wir das erste Mal vor zehn Jahren mitgemacht haben, waren wir überzeugt, dass wir gut abschneiden würden, weil in unserer Firma alles super ist. Tatsächlich haben wir dann aber nur den elften Platz belegt und sind im Mittelfeld gelandet. Da waren wir in einem ersten Moment natürlich enttäuscht. Andererseits konnten wir da bereits 15 andere Firmen hinter uns lassen. Also haben wir uns angeschaut, was andere machen, die besser als wir abgeschnitten haben und versucht daraus zu lernen, um unsere Mitarbeiter noch glücklicher zu machen. Als wir dann vor drei Jahren gewonnen haben, hat sich gezeigt, dass sich unser Engagement in dieser Sache auszahlt.
LEADERSNET: Welche Veränderungen erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Attensam: Wir wissen, dass wir in den nächsten 20 Jahren wahrscheinlich weniger Zeit am Arbeitsplatz im Büro verbringen werden. Wir wissen, dass die Freizeit viel wichtiger werden wird. Und wir wissen, dass man sich nicht nur über Geld definiert. Das wird natürlich Auswirkungen auf den Arbeitsplatz der Zukunft haben. Was speziell unsere Branche betrifft, wird es so sein, dass sich in Ballungszentren wie Wien, die Anzahl der Bewohner in den kommenden 20 bis 30 Jahren verdoppeln wird. Wenn sich also beispielsweise in Wien die Einwohnerzahl verdoppelt, wird es auch doppelt so viel zu reinigen geben. Dadurch, dass die Freizeit immer wichtiger wird, wird nicht jeder seinen Garten selber in Schuss halten wollen und wird diese Tätigkeit wahrscheinlich auslagern, damit er mit seiner Freitzeit etwas Besser anfangen kann. Er wird auch bereit sein, dafür Geld auszugeben. Das ist also alles gut für uns, wir werden nur unser Angebot ein wenig adaptieren müssen. Vor 15 Jahren waren beispielsweise noch Telefonverkäufer sehr wichtig, die die Kunden angerufen haben und gefragt haben, was sie brauchen. Durch das Internet und die sich dadurch ändernde Kommunikation wird es dieses Berufsbild in zehn oder 15 Jahren wahrscheinlich gar nicht mehr in dieser Form geben. Das sind Dinge, die sich ändern werden und darauf müssen wir reagieren, aber das Grundbedürfnis der Kunden wird sich nicht ändern.
LEADERSNET: Was ist Ihr Hauptbusinessprodukt, das sie Firmenkunden anbieten?
Attensam: Der Zweig der Büroreinigung ist diesbezüglich sehr stark. In diesem Bereich gibt es auch sehr viele Mitbewerber. Deshalb müssen wir schauen, welche Zusatzservices wir hier anbieten können, denn reinigen alleine ist zu wenig. Das müssen wir auch entsprechend kommunizieren und investieren deshalb viel in unsere Marke, um die richtigen Botschaften nach außen zu tragen. Deshalb kommunizieren wir auch – ganz banal runtergebrochen – dass wir eine Lebenseinstellung sind und nicht nur den Dreck weg machen.
LEADERSNET: Was, abgesehen natürlich von Geld, investieren Sie konkret in die Marke?
Attensam: Ich habe von meiner Mutter gelernt, dass man eine Marke aufbauen muss, da man nur so den Kunden binden kann. Wir machen das schon seit über 20 Jahren sehr konsequent. Wir haben eine tolle Werbeagentur, mit der wir sehr eng und intensiv zusammenarbeiten und wir haben mittlerweile auch eine PR-Agentur, die sich um den Social Media- und Online-Auftritt kümmert. Wir haben auch eine eigene Marketingabteilung im Haus, die so viel wie möglich In house produziert. Johannes Newrkla, von unserer Werbeagentur, von dem beispielsweise der Claim "Ein Mazda müsste man sein" stammt, hat uns in den vergangenen Jahren sehr geholfen, unsere Marke weiterzuentwickeln. Davor haben bereits meine Eltern sehr hart daran gearbeitet, unser Business, das damals einfach noch nicht so bekannt war, in die Köpfe der Leute zu bringen. Heute muss man einen Begriff wie "Hausbetreuung" nicht mehr erklären, da ihn jeder kennt. Aber damals war es beispielsweise wichtig, den Unterschied zwischen "Hausbetreuung" und "Hausverwaltung" herauszuarbeiten, da die meisten Menschen das für das Gleiche gehalten haben. Im Zuge dessen hat sich natürlich auch herauskristiallisiert, dass wir Attensam als Marke etablieren müssen. Wir haben früher "Hausbetreuung Grete Attensam" geheißen. Der Hintergrund war, dass es damals noch ein Einzelunternehmen war. Irgendwann hat dann eine Werbeagentur gemeint, dass der Name viel zu kompliziert sei und das Unternehmen eigentlich nur Attensam heißen sollte. Mein Vater hat das am Anfang für einen Schwachsinn gehalten. Aber es hat sich herausgestellt, dass es der richtige Weg war, den Markennamen Attensam zu etablieren. Heute wissen die meisten Menschen wahrscheinlich gar nicht mehr, dass es sich eigentlich um einen Familiennamen handelt, dafür ist der Name Attensam zum Synonym für Hausbetreuung geworden.
www.attensam.at